Gelungener Einstand

Jakob Peters-Messer inszeniert in Coburg Glucks "Iphigenie auf Tauris"

von Alexander Hauer
Coburg 
Iphigénie en Tauride
 
Gelungener Einstand
 

Musikalische Leitung
: Roland Kluttig - Inszenierung:Jakob Peters-Messer – Choreographie: Mark McClain – Ausstattung: Tobias Hoheisel – Choreinstudierung: Stefan Meier – Dramaturgie: Susanne von Tobien
Besetzung: Iphigenie: Betsy Horne – Pylades: Karsten Münster/Roman Payer – Orest: Benjamin Werth – Thoas: Rainer Scheerer - 1. Priesterin: Tomomi Fujiyama/Joanna Stark - 2. Priesterin: Gabriele Bauer-Rosenthal
 
 
Der neue Coburger Intendant Bodo Busse hat sich einiges vorgenommen. Ein prall gefülltes Paket an Klassikern, an Neuem, viel Kinder- und Jugendtheater, viel Bewährtes und auch etwas Ungewohntes. Die Saison eröffnete er mit Glucks zweiter Iphigenie.

Schuld und Sühne

Iphigénie en Tauride stellt den Abschluß von Glucks Reform der französischen Oper dar, die er mit der Aulis Iphigenie begann. Viel zu selten gespielt, ist sie immer noch ein Exot in den Opernhäusern.
Jakob Peters-Messer nahm sich dieses psychologisch höchst ergiebigen Werks an. In einem schlichten, aber stimmigen Bühnenbild von Tobias Hoheisel, asiatisch angehauchten Kostümen, nur die beiden Griechen tragen zeitloses Weiß, zeigt er das traumatisierte Geschwisterpaar Iphigénie und Oreste. Sie - vom wahnsinnigen Despoten Thoas gezwungen, alle Fremden der Göttin Diana zu opfern -, er der Muttermörder, versuchen beide mit der Schuld klarzukommen. Beiden gelingt es nicht. Die Ursprünge ihrer Schuld liegen nicht in den Taten, sondern sind tiefer zu suchen, in familiären Strukturen. Der Vater Agamemnon, ein von der Persönlichkeit gestörter gewalttätiger Mensch, war bereit, seine Tochter Iphigenie auf dem Altar der Diana zu opfern. Diana entführte das Mädchen nach Tauris, wo sie seit über 10 Jahren einen frevlerischen Dienst erfüllen muß. Orest, von seiner Mutter vor dem gewalttätigen Mann in Sicherheit gebracht, wurde von Verwandten großgezogen. Als Agamemnon aus dem Trojanischen Krieg unter anderem mit weiblicher Kriegsbeute zurückkehrt, wird er von seiner Frau und deren Liebhaber ermordet. Elektra, quasi vaterlos großgewordene Schwester des Orest, überredet ihren Bruder, die Mutter zu töten. Nach der Tat wird dieser von den Eumeniden verfolgt und irrt durch die Welt, bis er schließlich mit seinem Freund Pylades nach Tauris gelangt.
 
Thoas verlangt die Opferung der beiden Fremden, Iphigenie erhofft ein Ende des Mordens, aber der Tyrann bleibt unerbittlich. Noch unerkannt erwarten die beiden Griechen den Tod. Iphigenie beschließt, einen der beiden zu retten, damit dieser Hilfe aus Griechenland holen kann. Zwischen Orest und Pylades kommt es zum Streit darüber, wer leben darf und wer sterben muß. Beide sind bereit, für den Freund zu sterben. Orest droht damit sich selbst zu töten, falls Pylades nicht verschont bliebe.  Widerwillig bereitet Iphigenie die Opferung vor. In dem Moment, als sie Orest töten will, erkennen die beiden sich. Thoas will den Mord selbst begehen, wird aber von dem zurückgekehrten Pylades getötet. Die Göttin Diana erscheint und reinigt alle von ihrer Schuld. Iphigenie und Orest können mit der Vergangenheitsbewältigung beginnen.
 
Kammerspiel

Jakob Peters-Messer legt diese Oper als Kammerspiel an. Drei Personen versuchen aus ihrer fatalen Vergangenheit zu entkommen. Überragend dabei die perfekte Personenführung und das Spiel seiner Protagonisten. Rainer Scheerer gibt einen furchterregenden Thoas, stimmlich für die Rolle vielleicht noch etwas zu jung, zu leicht, überzeugt er dennoch auf ganzer Linie. Benjamin Werth und Roman Payer als Freundespaar Orest und Pylades, haben ihre größten Momente in den innigen Duetten im zweiten und dritten Akt.  Sängerische Perfektion gepaart mit großartigem Spiel gerät zu einer Sternstunde. Gleiches gilt auch für Betsy Horne. Neben einem sanft geführten, kraftvollen Sopran, der niemals schrill wird, erspielte sie sich schnell die Sympathien des Auditoriums. Marie Smolka bestach als Diana, die sie, akustisch etwas ungünstig, aus dem Foyer sang. Dieser kleine Eindruck machte neugierig auf kommende Inszenierungen.
 
Coburg lohnt sich

Der neue Ballettchef Mark McClain gab seine Truppe als Rachegeister. Modernes Tanztheater in stupender Umsetzung.
Im Graben stand der ebenfalls neue GMD Roland Kluttig. Das Philharmonische Orchester spielte auf erhöhtem Podest. Ausgewogener Klang erfüllte das Haus, keine Unstimmigkeiten, keine Disharmonien, keine Tempoverschiebungen trübten den Abend.
Der Chor des Landestheaters unter Stefan Meier unterstützte wie in der Vergangenheit auf höchstem Niveau den gelungenen Abend.
Frenetischer Jubel beendete die Saisoneröffnung in Coburg. An dieser Iphigenie werden sich die kommenden Inszenierungen messen müssen, für den Zuschauer kann das nur das Beste bedeuten. Coburg lohnt sich.

Redaktion: Frank Becker