Von Hiob, Babel und dem "Liebeskonzil" der Kirche

Religiöse Themen in der Theater-Spielzeit 2010/2011 auf NRW-Bühnen

von Andreas Rehnolt
Von Hiob, Babel und dem
"Liebeskonzil" der Kirche
 
Zahlreiche religiöse Themen zum Start in die
Theater-Spielzeit 2010/2011 auf NRW-Bühnen
 
 
Aachen/Münster/Mülheim - Zum Start in die neue Theater-Saison 2010/2011 hält an einer ganzen Reihe von Spielstätten in NRW die Religion Einzug auf die Bühnen. Den Auftakt machte am vergangenen Mittwoch das Mülheimer Theater an der Ruhr mit dem Stück "Liebeskonzil". Geschrieben hat das satirisch-groteske Stück Oskar Panizza im Jahr 1894. Es handelt sich um eine radikal-antikatholische Satire, die das plötzliche Auftreten der Syphilis Ende des 15. Jahrhunderts als "göttliches Auftragswerk des Teufels" erklärt, hieß es vor der Premiere.
 
Aufgrund der "Himmelstragödie" wurde der Autor 1895 wegen Blasphemie zu einer einjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Die Uraufführung des "Liebeskonzils" fand erst 1967 statt. In der Ankündigung des Mülheimer Theaters heißt es: "Die Heilige Familie berät sich mit dem Teufel. Der Zustand der Welt ist immer gottloser geworden. Geistliche zeugen mit dem Dienstpersonal Kinder, ohne das Empfinden, sich  versündigt zu haben. Reue und auch Buße sind aus dem Repertoire des Verhaltens getilgt," so die Theatermacher weiter. 
 
Vom 23. bis 26. September finden an den Städtischen Bühnen Münster die "Exodus-Tage" statt. Sie eröffnen nach Angaben des Theaters die spartenübergreifende Beschäftigung mit dem Thema "Exodus" (Auszug) in der nun startenden Spielzeit. "Exodus, das Zweite Buch Mose im Alten Testament schildert die Geschichte eines Volkes, das im Sklaventum fern der Heimat leben muß. Das Volk bricht aus, um die ersehnte und erträumte Heimat zu erreichen. Doch bis dahin ist es ein steiniger und mühevoller Weg", hieß es in der Ankündigung des Projekts.
 
Auch in unserer Zeit verlassen, so die Theater, Millionen Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen ihre bisherige Heimat oder sind gezwungen, ihr Leben neu zu erfinden. Beheimatete werden durch Ideologie, Krieg, Verschiebung von Grenzen, machtpolitischem Kalkül oder gesellschaftspolitischen Umwälzungen zu Heimatlosen. Mit den "Exodus-Tagen" will sich das Theater den Geschicken schicksalhaft umgetriebener Individuen und vertriebener Völker in einer Welt ständiger Veränderung widmen.
 
Große und kleine Erzählungen sollen die Utopien von Menschen beleuchten, die ihren Kindern eine Zukunft und ein menschenwürdiges Dasein ermöglichen wollen. Die Geschichten künden von Abschieden für immer, aber auch vom Willen zur Veränderung, von der Versöhnung mit den neuen Heimaten und von menschlicher Zähigkeit, die existentiellen Bedrohungen trotzt. Auf dem Programm stehen unter anderem Joseph Roths Roman "Hiob", in einer Theaterfassung von Koen Tachelet, Lieder und Texte aus Theresienstadt sowie eine szenische Lesung von Harlad Muellers "Totenfloß".
 
Am Theater Aachen feiert am 7. November die Produktion "An den Wassern zu Babel" ihre Uraufführung. Nach Angaben der Bühne gibt es Szenen aus dem Alten Testament für Schauspieler, Sänger, Chor und Orchester zu sehen und zu hören. "Selbst in einer oft als säkularisiert erscheinenden Welt hat die Frage nach Gott und Religion nichts an Relevanz eingebüßt," betont das Theater in der Kaiserstadt im Vorfeld der Premiere.
 
Bibeltexte wie die "Vertreibung aus dem Paradies", der "Turmbau zu Babel", "Moses" und "Die Sintflut" thematisieren nach Darstellung der Bühne das nicht immer eindeutige Verhältnis zwischen den Menschen und Gott. "Es sind Beschreibungen der Entstehung von Religion und Gesellschaft, die uns helfen können, unsere heutige politische, religiöse und gesellschaftliche Situation besser zu verstehen", hieß es in der Ankündigung der Inszenierung weiter. Das Theater Aachen hat den polnischen Theaterautor Tomasz Man beauftragt, Szenen zu schreiben. Den Chorpart übernimmt der sinfonische Chor Aachen.
 
Und ein weiteres Stück mit kirchlichem und religiösen Bezug steht in Aachen auf dem Spielplan: Das Schauspiel "Der Fundamentalist" von Juha Jokela, das am 12. November seine deutschsprachige Erstaufführung erlebt. Daß die heutige Kirche reformiert werden muß, steht für den seit vielen Jahren als Pfarrer tätigen Markus außer Frage. Er wird von vielen in der Kirche wegen seiner Haltung zu Fragen des Glaubens abgelehnt. Da trifft er eine junge Frau wieder, die sich in ihrem Glauben ereifert. Im Schlagabtausch mit dem nahezu fanatisch von seinen Reformideen überzeugten Markus gibt es für beide überraschende Erkenntnisse.