Kaiserschmarrn

Reinhardt Friese inszeniert das „Weiße Rössl“ in Krefeld als Volkstheater pur

von Peter Bilsing

Kaiserschmarrn


Reinhardt Friese inszeniert das „Weiße Rössl“ in Krefeld als Volkstheater pur


„Hollaheh jubidubideh hahaha, hollaheh jubidubideeeeh.“ (Heinz Erhardt)


"Im Weißen Rössl" - Singspiel in drei Akten
frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg von Hans Müller und Robert Gilbert
Musik von Ralph Benatzky (1884 - 1957)

Inszenierung: Reinhardt Friese - Musikalische Leitung: Jochen Kilian - Choreografie: Iris Limbarth - Bühne: Diana Pähler - Kostüme: Annette Mahlendorf - Dramaturgie: Vera Ring - Fotos: Matthias Stutte

Josepha Vogelhuber, Wirtin zum „Weißen Rössl“: Esther Keil - Leopold Brandmeyer, Zahlkellner: Carsten Andörfer -
Wilhelm Giesecke, Trikotagenfabrikant: Robert Brandt - Ottilie, seine Tochter: Verena Held * - Dr. Otto Siedler, Rechtsanwalt: Adrian Linke - Sigismund Sülzheimer: Thomas Schweins * - Professor Dr. Hinzelmann: Matthias Oelrich -
Klärchen, seine Tochter: Jennifer Anne Kornprobst - Der Kaiser Franz Joseph II.: Joachim Henschke - Der Piccolo: Christopher Wintgens
- Kathi Weghalter, Briefträgerin und Präsidentin des Jungfrauenvereins: Suly Röthlisberger - Stubenmädel und Vergnügungsreisende: Statisterie der Vereinigten Städtischen Bühnen Krefled und Mönchengladbach - Es spielt eine  Combo unter Leitung von Jochen Kilian

Weißes Rössl - geht das noch?

Benatzkys „Weißes Rössl“ ist nicht unproblematisch zu inszenieren. Die berechtigte Frage, ob dieses Stück überhaupt auf die hochsubventionierte Bühne heutiger Theater noch paßt, hatte letztes Jahr die

Bonner Oper mit einer geradezu grandiosen, lebendigen und witzig-ironisierenden Deutung höchst positiv und amüsant unterhaltsam beantwortet; man kann Benatzkys Erfolgsoperette, die sich als Singspiel etikettiert, also heute auch durchaus anspruchsvoll inszenieren. Einen anderen Weg gehen die Vereinigen Bühnen von Krefeld & Mönchengladbach; Regisseur Reinhardt Friese „beglückte“ das niederrheinische Publikum mit Volkstheater pur. Eine 100-prozentige Platzauslastung bis zum Saisonende und die damit verbundene Verbesserung der Jahresstatistik ist somit garantiert.

Mit Dirndl und Janker

Das bewies schon am Premierenabend die Resonanz des Publikums, welches sich dem vermeintlichen Tenor dieser Operette/dieses Singspiels schon in adäquat adretter Kleidung zu nähern versuchte: fesche Dirndln, Trachtenjoppen und Jägerkleidung generierten zumindest optisch einen bemerkenswerten Erwartungsdruck, der – welch ein Stein fiel allen vom Herzen – dann schließlich gut 110-prozentig erfüllt wurde. Wann war das zuletzt der Fall?

Das Regie-Team bediente diese Erwartungshaltung sogar 200-prozentig. Es durfte mitgesungen, -geschunkelt und –geklatscht werden wie beim allerheiligen „Grand Prix der Volksmusik“ im ZDF. Selten war soviel Fröhlichkeit aus den heiligen Hallen des Krefelder Stadttheaters zu vermelden. Sic ! Vielleicht auch irgendwo verständlich, hatte die Direktion dem ehrenwerten Publikum in dieser Saison doch ziemlich harte Brocken (letztlich noch: „das Fest“, ein „Frauenorchester von Auschwitz“, den „Tod in Venedig“ sowie den des „Handlungsreisenden“, Schönbergs „Erwartung“ + eine Barockoper in der Irrenanstalt) aufgetischt. So war die Reaktion meines süddeutschen Nachbarn „Jo mei – ach wär´s Theaterl doch immer so schön gscheit, wia heut´!“ sicherlich auch mannigfacher Herzenswunsch gestresster Theaterbesucher zum Abschluß der Saison.

Herzig!

Alles war so richtig herzig. Die Bühne - welch selige Öde auf wonniger Almhöhe - ist putzig ausstaffiert; kunstrasengrün saftig ist die Weide, blau der Strahlen-Himmel, fröhlich grinst die Sonne und die (Kaffee)-milchgebenden (Papp)-Kühe muhen fröhlich dazu; felsig sind die Faller-Styropor-Berge und niedlich witzig die unvermeidliche Märklin-Modelleisenbahn Spur Null. Ausgesprochen brüllend komisch und mit Sonderbeifall schon ohne Vorleistung bedacht sind die 8 Hornochsen (sprich: Musiker), wenn sie sich in dieser possierlichen Maskerade dem Publikum

vorstellen. Es fehlte nur noch die Steinlaus, Bienen Maja, Heidi, der Alm-Öhi und Kurt der Käfer.

Bei soviel traditionell Schönem erwartete man geradezu, daß jeden Moment auch noch Karl Moik um die Theater-Ecke gekommen wäre und die ganze Sache als neue Form des Musikantenstadls enttarnt hätte. Der Jubel hätte wahrlich nicht größer sein können.

Esther Keil perfekt - Chapeau!

Gesungen wird von den überwiegend sonst mehr im Schau- als im Singspiel besetzten Darstellern trotz Mikroport sehr lauthals, kehlig, kernig, durchaus textgetreu und verständlich, aber stets notenirrelevant. Warum soll man auch singen, was in der von insbesondere Wagner bekannten Worttonsprache auch angenommen wird – außerdem kennt die alten Schlager doch ohnehin ein jeder der älteren Generation. Einzig Esther Keil als Wirtin verstößt gegen das Abendmotto; sie singt und spielt den Erwartungen eines geschulten Mörbischer Operettenohres adäquat, geradezu perfekt. Das Kritikerherz jubilierte!

Was könnte der Rezensent sonst noch bemäkeln bei soviel populärer - oder sollte ich sagen populistischer (?) - Glückseligkeit in der Volkskunst. Panem et circenses !

Mein Fazit bemüht Heinz Erhardt, der einmal sang: „Immer wenn ich traurig bin, trink ich einen Korn. Wenn ich dann noch traurig bin, trink ich noch´n Korn. Wenn ich dann noch traurig bin, trink ich noch´n Korn. Und wenn ich dann noch traurig bin, fang ich an von vorn. Jubideeh…“ Wenn Sie dann noch traurig sind, liebe Operettenfreunde, lassen Sie sich bitte unbedingt ins „Weiße Rössl“ nach Krefeld kutschieren. Aber für den Rest des Abends übernehme ich dann keine Verantwortung mehr. Prost!

Die nächsten Vorstellungen: 12.6., 15.6., 17.6. und 20. 6. 2007 im Theater Krefeld
Theaterplatz 3
- 47798 Krefeld

Weitere Informationen unter: www.theater-kr-mg.de