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Die Kolumne am Mittwoch

von Friederike Zelesko
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Die Kolumne am Mittwoch
von Friederike Zelesko

Kürzlich feierte die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, bekannt als K20, am Grabbeplatz in Düsseldorf die Wiedereröffnung. Die Kunst hat sich auf zusätzlich gewonnenen 2.000 qm Fläche herrlich ausgedehnt. Innen wurde aufwendig renoviert. Ich bin dem Altbekannten ganz neu begegnet. Ganz besonders gefreut habe ich mich auch über das vom niederländischen Künstler Joep van Lieshout und seinem Atelier neu gestaltete, bunte „Lokal Lieshout“ im 2. Stock mit Fensterblick auf den noch „blauen Düsseldorfer Sommerhimmel mit Andreaskirche“, und über den Genuß des Wiener Traditionskaffees im Zeichen des Mohrenkopfes. Der Meinl-Kaffee, natürlich mit Kaffeeobers, wird in einer zarten Lieshout-Tasse ohne Henkel serviert und ich hatte fast das Gefühl einer Kaffeezeremonie.
            Dort hat sich auch das schöne Projekt „Literaturcafe“ angesiedelt, in dem nun vierteljährlich Lesungen und Gespräche stattfinden. Eine im Lokal stehende Regalwand bildet das Zentrum der Idee. Dort sollen künftig die Bücher gesammelt werden, die Schriftsteller, Politiker, Journalisten, Schauspieler aber auch Bürger mit Blick auf die Kunstsammlung in Kooperation mit der Literaturhandlung Müller & Böhm auswählen. Der Eintritt ist frei mit einem Tagesticket für die Kunstsammlung. Das Programm startete Sonntag, 1.8.2010 um 12 Uhr, mit der „Auslese“ von Ulrich Raulff, Direktor des Deutschen Literaturarchivs Marbach. Seine 15 Bücher umfassende Auslese, die er spontan traf, als er durch die Kunstsammlung ging, kann sich sehen lassen und verführt immer wieder, diesen Ort mit der Regalwand zu besuchen und sich nach Kaffeehaustradition in eine Lektüre zu vertiefen. Raulffs Ansicht, eine Illustrationsfalle „kein gelbes Bild zu einem gelben Text“ muß vermieden werden, gefällt mir. So ist auch seine Auslese sehr ungewöhnlich: Zu Cy Twombly fiel ihm John Keegan's „Das Antlitz der Schlacht“ ein, das 1976 erschienen ist und erschütternd die Kriegswirklichkeit schildert. Neben Paul Klee's „Schwarzer Fürst“ sieht er „Das Beben“ von Martin Mosebach, und ein Gespenst, das man in der Literatur des 20. Jahrhunderts immer wieder trifft, die Königsfigur. Joseph Conrads „Taifun“, ein Sturmdrama, assoziiert er mit den Bildern von William Turner. „Die Akazie“ von Claude Simon fand seinen Bezug zu Giorgio de Chirico's „Der große Turm“ in der Jahreszahl 1913, dem Geburtsjahr von Claude Simon und daß er ursprünglich Maler werden wollte. Die Prosastücke von Stefan George „Tage und Taten“, die kaum einer kennt, und die Adorno zum Besten rechnete, was George geschrieben hat,  korrespondieren zum Bild „Sonnige Sonntage“ von Jean Dubuffet.  Neben das Bild „René Drouin, mit offenen Händen“, ebenfalls von Jean Dubuffet, legt Raulff  „Die Gabe“ von Marcel Mauss, der sagt: „Der eine gibt, weil er geben muß und der andere erwidert mit einer Gabe, weil er erwidern muß. Aber die Gabe muß sich stets steigern …. am Ende ist es nur noch beschämend.“ Die Farbe Blau – die metaphysischste alle Farben – ist nicht nur die Farbe von Yves Klein. Auch in Gottfried Benn's Gedichten ist sie oft zu finden.
            Einsamer nie als im August ….
            Mit diesem Gedicht von Benn beendete Ulrich Raulff seine Lesung und das Gespräch über die Bücher. Ich möchte es nun dem Leser überlassen, die restlichen acht Bücher selbst zu entdecken. Sie stehen alle im „Lokal Lieshout“ im Regal und warten darauf in die Hand genommen zu werden. Auf die Fortsetzung am 7. November 2010, um 12 Uhr, bin ich schon gespannt und werde mir dort wieder einen Platz reservieren.




© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2010