Das "Rössl" in Brandenburg an der Havel

Benatzkys Singspiel als Sommerhit

von Kevin Clarke

Brandenburg/Havel - Foto © Kevin Clarke
Das "Rössl" als Sommerhit
in Brandenburg an der Havel
 

Singspiel in drei Akten
frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg
von Hans Müller und Erik Charell
in der Fassung der "Bar jeder Vernunft"

Gesangstexte von Robert Gilbert -

Musik von Ralph Benatzky
 
Wie es scheint, mausert sich das Weiße Rössl langsam aber sicher zum Sommerhit des Jahres 2010: kreuz und quer durch die Republik läuft derzeit das sonnige Stück über Berliner im Salzkammergut als Freiluft-Ereignis. Eine solche Freiluftaufführung in Brandenburg besuchte der Operetten-Kenner Kevin Clarke. Seinen Bericht finden Sie hier:
 
Es spielen: Simone Neuhold - Josepha Vogelhuber, Stephan Wapenhans - Leopold Brandmeyer, Harald Arnold - Wilhelm Giesecke, Alexandra Broneske – Ottilie, Nico Will - Sigismund Sülzheimer, Markus Hanse - Dr. Siedler, Hank Teufer - Prof. Hinzelmann, Ute Beckert – Klärchen, Lucas Weißbach - Der Piccolo, Klaus Uhlemann - Kaiser Franz-Joseph II, Birgit Fischer - Postbotin Kathi
Es musizieren
Dmitri Pavlov - Piano, Thomas Stewart Gehrke - Schlagzeug, Thomy Jordi - Bass, Bettina Matt - Klarinette, Saxophon 
 

Ensemble - Foto © Matthias Gottwald

Es gibt natürlich immer mehrere Gründe, warum es lohnt, eine Operette wie das „Weiße Rössl“ anzuschauen. Die amateurhaft-charmante Produktion im Garten des Ausflugslokals Buhnenhaus, direkt an der malerischen Havel gelegen, punktet mit drei Dingen. Die brandenburgische Landschaft und die Stadt Brandenburg selbst lohnen in jedem Fall einen Besuch, sodaß man das Rössl gut mit einem Wochenendausflug zum Brandenburger Dom, der Altstadt und den schönen Cafés dort am Wasser kombinieren kann. Dann liegt der große Garten, in dem die Freiluft-Operettenbühne

Aal in Aspik - Foto © Kevin Clarke
aufgebaut ist, ebenfalls sehr idyllisch und bietet vorzügliches Essen. Ich muß gestehen, daß der dort servierte Aal in Aspik (Foto) jede Reise zum Rössl mehr als empfehlenswert macht. Im Anschluß an die Nachmittagsvorstellungen, die um 18.45 zu Ende sind, kann man im Buhnenhaus auch an einem Grill-Buffet teilnehmen, das sich zwar nicht ganz mit besagtem Aspik-Aal messen kann, aber die Operettenaufführung dennoch äußerst gesellig beschließt - mit abendlichen Sonnenstrahlen, die durch die dichten Bäume schimmern, ebenso wie das funkelnde Wasser der Havel.
 
Und, nicht zuletzt, die Aufführung selbst: sie ist erfreulicherweise weitgehend frei von typischen Operettensentimentalitäten. Regisseurin Sylvia Kuckhoff versteht das Werk als Slapstick-Komödie mit etlichen an Kasperletheater grenzenden Übertreibungen, die auch ein jugendliches Publikum im Buhnenhaus-Garten entzücken konnten. Den kleinen Zuschauern schien der Schöne Sigismund im Karo-Look (Nico Will) besonders gefallen zu haben, was ich völlig nachvollziehen kann. Er war für mich zusammen mit dem Klärchen von Ute Beckert das Highlight der Aufführung.
  
Auf der bunt zusammengezimmerten Bretterbühnen huscht das Rössl mehr oder weniger in einer 1:1 Kopie der berühmten Bar jeder Vernunft Version vorbei, mit deutlich weniger Glamour als im Berliner Vorbild, aber mit genauso viel Spaß. Auch die musikalische Begleitung unter Leitung von Dmitri Pavlov war schmissig (selbst wenn man auf einige Einlagen wie u.a. "Singing in the rain" hätte verzichten können). Harald Arnold als Giesecke und Hank Teufer als Prof. Hinzelmann schafften es immer wieder, inmitten all des Klamauks die wunderbar poetischen Passagen der Textvorlage von Hans Müller eindringlich zu servieren, was auch abgeklärten Rössl-Besuchern Bewunderung abverlangte.
 
Einzig die beiden Hauptdarsteller fielen daneben deutlich ab: Simone Neuhold ist in meinen Augen

Harald Arnold - Foto © Matthias Gottwald
schlicht keine Type für die kratzbürstige Rössl-Wirtin, und Stephan Wapenhans als Zahlkellner Leopold versucht sich zu pauschal mit längst überholten Operettenklischees auszutoben, die das Stück eher parodiert, als ernsthaft ausbreitet. Ihm fehlte das Schneidende, Sarkastische im Ton, das Ur-Leopold Max Hansen so einzigartig machte. Dadurch fehlte der Aufführung - für meinen Geschmack - ein überzeugendes Zentrum. Da aber das Drumherum stimmte, besonders das Kulinarische, kann ich allen Operettenfans in Berlin und Umgebung diesen Ausflug nach Brandenburg an der Havel nur empfehlen. Wegen des überwältigenden Erfolgs der Produktion wird das Rössl vermutlich im August weiterhin an Wochenenden gespielt, jeweils um 16 Uhr an Samstagen und Sonntagen. Kartenreservierung ist zu empfehlen, weil viele Aufführung ausverkauft sind… allerdings gibt's genügend Tische, an denen man ebenfalls sitzen kann. Man sieht das Rössl dann zwar nur seitlich, kann aber zur Musik seinen Aal verzehren. Was man unbedingt probieren sollte!
 

Weitere Informationen: www.event-theater.de/
 
 
Redaktion: Frank Becker - (Aufführungsfotos von Matthias Gottwald/event-theater)