Werkbund und freie Kunst

Eine Ausstellung - ab heute in der Stadtsparkasse Wuppertal-Elberfeld

von Andreas Zeising




Konstruktion und Formerlebnis:
Max Burchartz, Werner Graeff,
Jupp Ernst –
Werkbund und freie Kunst.

 

Eine Ausstellung der Lehrstuhls für Kunst- und Designgeschichte der Bergischen Universität Wuppertal im Sparkassenforum der Stadtsparkasse Wuppertal,
6. Juni - 3. August 2007.

Der Lehrstuhl für Kunst- und Designgeschichte der Bergischen Universität Wuppertal nimmt das einhundertste Gründungsjubiläum des Deutschen Werkbunds zum Anlass, um das künstlerische Spätwerk dreier langjähriger Werkbundmitglieder zu würdigen: Max Burchartz (1887-1961), Jupp Ernst (1905-1987) und Werner Graeff (1901-1978).

Alle drei Namen sind in der ein oder anderen Weise mit der Kultur Nordrhein-Westfalens und der Bergischen Region verbunden: Burchartz und Graeff wurden beide in Wuppertal geboren, das sie als junge Künstler verließen, um sich einige Jahre später - in freundschaftlicher Verbundenheit - im Umkreis des Weimarer Bauhauses aufzuhalten. Burchartz übersiedelte dann Mitte der zwanziger Jahre ins Ruhrgebiet, wo er als Werbegrafiker und Lehrer an der Essener Folkwangschule wirkte und dort auch lebte. Graeff hingegen zwang die nationalsozialistische Herrschaft zunächst ins Exil, das ihn nach Spanien, später in die Schweiz führte. Auch er jedoch kehrte nach dem Krieg nach


Porträtfotografie Werner Graeff
Nordrhein-Westfalen zurück, um ebenso wie Burchartz Dozent der Folkwangschule zu werden. Der Name Jupp Ernst schließlich verbindet sich vor allem mit der Bergischen Region: Der in Paderborn Geborene wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Direktor der Wuppertaler Werkkunstschule, der Vorläuferinstitution des heutigen „Fachbereich F: Design - Kunst“ an der Bergischen Universität.

Alle drei Künstler - Burchartz, Graeff und Ernst - sind heute im allgemeinen Bewusstsein eher als Entwerfer und Gestalter bekannt, sie zählen zu den herausragenden Protagonisten des modernen Design. Auf diesem Feld erfüllt ihr Werk in beispielhafter Weise die Forderungen des Deutschen Werkbunds nach einer zeitgemäßen, sachlichen und guten Gestaltung des Alltags. Alle drei trugen zudem in den Nachkriegsjahren (Burchartz bereits zuvor um 1930) als Lehrer an deutschen Werkkunstschulen zu der Herausbildung dessen bei, was man heute gewohnt ist als ‚Design’ zu bezeichnen. Burchartz, der seit 1949 an der Essener Folkwangschule für Gestaltung den ‚Vorkurs’ leitete, bezog sich dabei explizit auf die Tradition der Bauhauspädagogik, insbesondere auf die Lehren Johannes Ittens. 

Max Burchartz und Werner Graeff standen überdies auch persönlich dem Bauhaus nahe, was sich in ihrem künstlerischen ebenso wie in ihrem designerischen Werk spiegelt. Werner Graeff wurde 1921Student am Weimarer Bauhaus, wo er Burchartz kennen lernte, der ebenfalls bereits im Frühjahr 1920 nach Weimar übersiedelt war. Letzterer schrieb sich zwar nicht am Bauhaus ein, stand ihm aber nahe und war mit vielen Persönlichkeiten dort bekannt. Beide fühlten sich indes bald zu Theo van Doesburg hingezogen, der 1924 ebenfalls in Weimar seine „De Stijl“-Kurse gab, an denen beide Künstler teilnahmen. Von „De Stijl“ übernahmen sie den Impuls, das Spektrum gestalterischer Betätigung auf das Feld der Gestaltung der Lebenswelt auszuweiten. 

Burchartz wie Graeff, die die freie Kunst in den zwanziger Jahren gänzlich aufgegeben hatten, nahmen um 1950 diesen verlorenen Faden wieder auf. Burchartz schuf als  Maler und Grafiker im Verlauf der fünfziger Jahre bis zu seinem frühen Tod 1961 ein ansehnliches Konvolut von Leinwandgemälden, Gouachen und Grafiken. Auch Graeff begann 1951 wieder mit der freien künstlerischen Tätigkeit, welche er bis in die späten siebziger Jahre, auch in Zusammenarbeit mit seiner zweiten Frau, der Malerin Ursula Graeff-Hirsch, kontinuierlich weiterverfolgte. Der Dritte im


Porträtfotografie Jupp Ernst
Bunde, Jupp Ernst, fand schließlich im gesetzteren Alter zur freien Kunst und wandte sich mit großem Elan der Bildhauerei zu. Aus metallischen Werkstoffen wie Messing und Stahl schuf er eine Vielzahl von Reliefs und Plastiken, von denen die Stele vor dem Dürener Leopold-Hoesch-Museum die bekannteste ist.

Die Ausstellung „Konstruktion und Formerlebnis: Max Burchartz, Werner Graeff, Jupp Ernst – Werkbund und freie Kunst“ widmet sich ausschließlich dem späten Werk der drei Werkbundmitglieder. Die Präsentation und Werkauswahl entstand in enger Zusammenarbeit mit den Erben der Künstler und beinhaltet ausschließlich Werke aus dem Nachlass, von denen einige noch nie zuvor ausgestellt worden sind. Nach bisherigem Planungsstand wird die Ausstellung etwa 70 Gemälde sowie Zeichnungen, Kleinskulpturen und Modelle umfassen.  

Parallel zeigt die Bergische Universität die Ausstellung „Fünf Gestalter: Burchartz. Ernst. Graeff. Rasch. Schwippert – Deutscher Werkbund und Gute Form“. Diese Ausstellung widmet sich dem Schaffen der fünf Werkbundmitglieder auf dem Feld der angewandten Kunst und stellt sie als Entwerfer, Typografen und Pädagogen vor. Sie wird am 12. Juni 2007 um 18.00 Uhr eröffnet und vom  13. Juni bis 23. November 2007 in den universitätseigenen Ausstellungsräumen im Kolkmannhaus (Wuppertal-Elberfeld, Hofaue 51-55, 42103 Wuppertal) gezeigt. Öffnungszeiten: Sa. und So. 11.00 – 16.00 Uhr sowie nach telefonischer Vereinbarung: 0202 / 439 5703.

Werner Graeff (1901 – 1978) wurde in Wuppertal geboren. 1921 wurde er Student am Bauhaus in Weimar und wenig später Mitglied der Gruppen De Stijl und der Novembergruppe. Graeff war ein Multitalent und neben seiner Arbeit als Künstler auf vielerlei Feldern tätig. So entwickelte er Partituren und Drehbücher für experimentelle Filme, stellte Karosserieentwürfe aus und war mit Hans Richter und anderen Begründer der Zeitschrift „G“. 1925 – 33 war er Mitglied des Deutschen Werkbundes und einer seiner wichtigsten Propagandisten. 1926 wurde er Pressechef der Ausstellung „Die


Werner Graeff,  NEOGIT 1, 1967 - Öl auf Nessel 70 x 70
Privatbesitz © Ursula Graeff-Hirsch, Mülheim
Wohnung“ auf der Weißenhofsiedlung in Stuttgart, für die er die Begleitbände „Bau und Wohnung“ und „Innenräume“ betreute. 1929 erschien zur Werkbundausstellung „Film und Foto“ sein bekanntestes Buch „Es kommt der neue Fotograf!“, ein praktischer Leitfaden zur neuen Fotografie. Nach der Machtergreifung emigrierte Graeff nach Spanien und in die Schweiz, kehrte nach dem Krieg aber nach Deutschland zurück und wurde 1951 Leiter der Fachklasse für Fotografie an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen. Zugleich nahm er erfolgreich die freie Kunst wieder auf.

Graeff knüpfte in seinem späten, ab den fünfziger Jahren entstandenen Werk zum einen mit neokonstruktivistischen Arbeiten an sein Frühwerk aus den zwanziger Jahren an, daneben jedoch entwickelte er sehr bald eine charakteristische Bildsprache mit archaisch anmutenden, immer wieder variierten Symbolen. Zu Graeffs Bekanntheit trugen Aufträge für Kunst im öffentlich Raum bei, darunter mehrere Stahl- und Betonskulpturen sowie sein visionärer Plan einer künstlerischen Farbgestaltung des Ballungsraums Ruhrgebiet. Skizzen und Modelle belegen in der Ausstellung auch diesen Teil seines Schaffens.  

Max Burchartz (1887 – 1961) wurde in Wuppertal geboren. Hier besuchte er unter anderem zunächst die Kunstgewerbeschule in Elberfeld und die Textilfachschule in Barmen, bevor er von 1907 – 10 an der Kunstakademie Düsseldorf studierte. Als junger Künstler arbeitete er in München, Berlin und Paris. ZuBeginn der zwanziger Jahr siedelte er nach Weimar über, wo er lebhaften Anteil am Bauhaus nahm und sich mit Theo van Doesburg und De Stijl auseinandersetzte. 1923 beendete Burchartz jedoch die freie künstlerische Arbeit, übersiedelt ins Ruhrgebiet und wandte sich der Werbegrafik zu. Das zusammen mit Johannes Canis gegründete Reklamebüro „werbebau“ vertrat damals sehr erfolgreich eine moderne Typografie und Gestaltung. Burchartz entwarf aber auch Hausgerät, fotografierte und war als Publizist tätig. 1927 wurde er Professor für Werbegrafik und Fotografie (später Fotografie) an der Folkwangschule für Gestaltung Essen, 1931 wurde er in den Vorstand des Deutschen Werkbundes gewählt. Im folgenden Jahr fiel seine Essener Professur indes einer Sparmaßnahme zum Opfer. Nach dem Krieg wurde Burchartz 1949 erneut an die Folkwangschule berufen, wo er die Vorklasse leitete. Zugleich widmet er sich in dieser Zeit wieder intensiv der freien Kunst.

Burchartz’ künstlerisches Spätwerk, zu seinen Lebzeiten noch viel beachtet, ist heute zu Unrecht ins Hintertreffen geraten, obgleich Burchartz zu den wichtigen Repräsentanten der Nachkriegskultur in Westdeutschland gehörte. Die Ausstellung setzt den Fokus auf die lyrisch-abstrakten und informellen Bilder der fünfziger Jahre, die ihn auf einer Augenhöhe mit Künstlern seiner Generation zeigen, beispielsweise dem Hagener Maler Emil Schumacher, dem Burchartz freundschaftlich verbunden war. Dabei werden nicht zuletzt Bezüge zu seiner Tätigkeit als Lehrer des ‚Vorkurses’ an der Essener Folkwangschule für Gestaltung ersichtlich. 

Jupp Ernst (1905 – 1987) gehört zu den großen Designern der Nachkriegszeit in der BRD. Als überzeugter Werkbundmann propagierte er das Konzept der Guten Form. Seine Tätigkeiten berührten fast alle gestalterisch wichtigen Themen seiner Zeit. Als Direktor von zwei


Jupp Ernst, Amaterasu IV, 1978 Messingblech - Privatbesitz
© Anna-Renate Biermann-Ernst
Werkkunstschulen – in Wuppertal und Kassel – hat er sich besonders um das „industrial design“ bemüht. 1951 gründete er die Werkbundzeitschrift „werk und zeit“ und 1957 die Zeitschrift „form“, zusammen mit Willem Sandberg und Wilhelm Wagenfeld. 1964 richtete er für die documenta III die Sonderschau „Industrial Design“ und „Graphik Design“ aus. Besonders intensiv hat er für die Firmen Melitta, Resopal, Deutsche Werkstätten Hellerau und Tapeten Rasch gearbeitet, deren Firmenzeichen entwickelt und am Aufbau von Marken mitgearbeitet. 1959 entwarf er die Afri Cola Flasche, die heute Kult-Status genießt. Nach seiner Pensionierung widmete sich Jupp Ernst intensiv der Bildhauerei und arbeitete als freier Künstler.

Jupp Ernst’ bildhauerisches Werk wurde in dieser Fülle schon viele Jahre nicht mehr präsentiert. Eine Vielzahl kleinformatiger Skulpturen, Modelle und Skizzen sind Beleg für ein überaus produktives künstlerisches Wollen, das zu Lebzeiten von einem Zeitgenossen wie Willem Sandberg, Direktor des Amsterdamer Stedelijk Museums, begeistert aufgenommen wurde. Mit seinen ‚Faltungen’ erweiterte Ernst das Spektrum bildhauerischer Verfahren um eine originelle Technik, zugleich sind seine Skulpturen als konsequente Weiterentwicklungen grafischer Symbole zu verstehen, die Ernst für die Gebrauchsgrafik entwickelt hat.         

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein von Dr. Andreas Zeising, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bergischen Universität, herausgegebenes Katalogbuch, das den inhaltlichen Fokus der Ausstellung weitet und das künstlerische Gesamtwerk von Max Burchartz, Werner Graeff und Jupp Ernst im Kontext ihrer Zeit vorstellt (Umfang: ca. 150 Seiten):
Gerda Breuer
Einleitung
Andreas Zeising
Gleichnis der Harmonie. Max Burchartz und die bildende Kunst
Klaus Kemp
Begegnungen mit Werner Graeffs Bilderwelt            
Thomas Mank
Werner Graeff und der experimentelle Film
Karin Kirsch
Werner Graeff, der Werkbund und die Weißenhofsiedlung in Stuttgart
Beate Eickhoff
Von der Fläche in den Raum. Zu den Plastiken von Jupp Ernst

FARBTAFELN
Synoptische Biografie
Auswahlbibliografie

Weitere Informationen unter: www.sparkasse-wuppertal.de   und  www.uni-wuppertal.de

Redaktion: Frank Becker