Musikstunde

Über D-Dur, Ludwig van Beethoven und seine 2. Symphonie (2. Teil)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Musikstunde

Über D-Dur, Ludwig van
und seine 2. Symphonie

(2. Teil)



Einen schönen guten Morgen, liebe Freunde, wie letzte Woche versprochen tauchen wir in meiner kleinen musikalischen Plauderei heute ein wenig tiefer in Ludwigs großartige 2. Symphonie ein.

„Eine große Symphonie aus D von Beethoven eröffnete das erste, am 9. December gegebene Concert. Noch sind die Werke dieses, in seiner Art einzigen Künstlers hier nicht genug bekannt. Man ist an Haydns und Mozarts Werke gewöhnt, und darf sich nicht wundern, wenn diese seltnen Producte Beethovens, die sich so sehr von dem gewöhnlichen entfernen, im Allgemeinen nicht immer ihre Wirkung auf den Zuhörer hervorbringen.“ Schreibt die allgemeine musikalische Zeitung Leipzig, und weiter: „Auch wir finden... das Ganze zu lang und einiges überkünstlich; wir setzen hinzu: der allzu häufige Gebrauch aller Blasinstrumente verhindert die Wirkung vieler schöner Stellen und das Finale halten wir... für allzu bizarr, wild und grell“, steht damit aber allein auf einsamer Flur, weil die anderen Zeitungen fast alle skeptisch bis vernichtend urteilten. Man spüre da „übertriebenes Streben nach dem Neuen und Auffallenden“, fand das Ganze zu lang und überhaupt keinen Ohrenschmeichler. Wir dürfen dabei nicht vergessen: Beethoven war damals zeitgenössischer Komponist! Gegen die hat man immer schon Vorbehalte gehabt, damals wie heute. Klassiker ist er erst Jahrzehnte später geworden. Seiner Zeit voraus zu sein wird meistens mit Skepsis betrachtet wenn nicht gestraft. Als 1835 der „Adler“ als erste Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth fuhr, gab es Unmengen von wissenschaftlichen Expertisen, Gutachten und Aufsätzen, die ‚nachwiesen’, daß man bei Geschwindigkeiten von über 30 km/h mit Schlagfluß, Tuberkulose, Schwindsucht und Tod rechnen müsse.
Gut, Beethoven. Gucken wir uns doch mal die Symphonie auf diesem Hintergrund an:

Die Symphonie Nr. 2 mit dem Royal Philhamonic Orchestra
 
Ich habe, um Ihnen ein paar Hörhinweise geben zu können, zu meiner Lieblingseinspielung der Beethoven Symphonien gegriffen: das Royal Philharmonic Orchestra spielt unter der Leitung von René Leibowitz, London 1961.
Also erstmal geht das ja so was von konventionell los, beinahe hat man den Eindruck, als wolle unser Ludwig sein Publikum ein bißchen einlullen, aber plötzlich, vollkommen unvermittelt, haut er uns einen d-moll Akkord um die Ohren und die ganze Idylle ist irgendwie weg, überschattet, so als braue sich da was zusammen und es braut sich ja auch was zusammen: er selbst, quasi kommt mit einem Thema, da sind wir von Haydn oder Mozart schon mal meilenweit entfernt - und als wollte er sich entschuldigen dafür, daß er mit dieser Dynamik die Zeitgenossen erschreckt hat, kommt er mit einem zweiten Thema, das die Fagotte und Klarinetten so was von harmlos daherdudeln, also das hat schon Klasse.
Und dann zeigt er die Krallen, also: den neuen, von da an typischen Beethoven, kleine Passagen, an denen man ihn ab da sofort erkennen wird: das trällert erst mal mozartesk nach oben und dann schlägt er mit der ganzen Orchesterwut zu, so, als wollte er sagen: Schluß jetzt mit lustig!
Eine typische Beethovenstelle ist auch, wie er das Thema dann ein bißchen durch den Quintenzirkel jagt, immer ein bißchen muskelbetont, ein bißchen bärbeißig, unser Ludwig halt. Na gut, jetzt hat er sie ein wenig gebeutelt, mit vielen Hörnern, Trompeten und Zeug, jetzt brauchen sie erstmal ein bißchen Ruhe, zumal er ihnen einen Schluß um die Ohren gehauen hat, der bis dahin höchstens am Ende von Symphonien zu hören war. Also das ist schon mal unerhört bis dahin und der eine oder andere Uraufführungsbesucher wird da sicher gesagt haben:
„Noja, waaßt, wenn das sooo weitergeht, wird ma des zu laut, waaßt, da mearkt man halt, daß der Beethoven doch a Deutscher is, was?!“
 
Samtpfoten, Kraft und Witz

Im Larghetto, dem langsamen Satz, kommt er auf Samtpfoten daher, wie gesagt, so, als wolle er seine Wiener wieder beruhigen - da hat er aber auch Einfälle, die sind einfach superb, hören Sie sich mal das zweite Thema an, ziemlich gleich nach dem Beginn, nee was dürfen da die Fagotte und Klarinetten hübsch singen! Da ist auch die ziehende kleine Sekunde drin, aus der Verdi Kapital geschlagen hat, wenn er Sehnsucht ausdrücken wollte, und das drückts ja auch hier aus:
Es wird fast infam gemütlich, so nach dem Motto: „Noja, wanns jetzt so geht, bleibm ma no a bissl, was?!“ Aber schon zupft er wieder an der Decke und kommt uns mit ein paar düsteren, irritierenden Klängen, er läßt uns nicht in der Idylle erstarren - und dazwischen eine kleine Stelle, meine Lieblingsstelle in diesem Satz, die Schubert-Stelle, da sind wir nun wirklich endgültig weg von Haydn und Mozart, da zeigt sich, wie weit Beethoven die Hörgewohnheiten verlassen hat – bitte: heut hört sich das wie Schubert an, damals muß es sehr irritiert haben, wenn auch positiv, weil das keine Schreckensstelle ist.
Dritter Satz, jetzt ist wieder mal Zeit, ein bißchen Kraft zu zeigen, Kraft und Witz, denn wie er die Takte durch die Instrumentengruppen pfeift, ist – für damals – ungewöhnlich und hat Witz, und auch das Trio ist in seiner raschen Bewegung sehr unkonventionell, wunderbar.
Ja und der letzte Satz ist ein typischer Beethoven-Hammer. Grad so als wolle er sagen: jetzt weiß ich, wo’s lang geht, haut er seinen Zeitgenossen einen Sprung über zwei Oktaven hin und einen Triller, der plötzlich keine Verzierung mehr ist wie die Jahrhunderte bis dahin, sondern der den Triller zum eigenständigen Motiv macht, also das hat es noch nicht gegeben.
Weil er ja quasi mit Zuckerbrot und Peitsche arbeitet, hat er auch eine kleine Erholung parat, na ja, und immer wieder witzige Stelle drin, z.B. die, wo er das Fagott um die herunterfallenden Geigen hüpfen läßt, um dann wieder ins Thema zu fallen, das ist einfach genial. Dann kommt eine wundervolle Insel der Seligen, ein Ruhepunkt, aber schon peitscht er uns selbstbewußt ins Finale, wo man nur sagen kann: geil! Danke Beethoven!
 
Und danke auch Ihnen, liebe Freunde meiner dienstäglichen Kolumne, daß Sie mir auch an diesem irrwitzig heißen Morgen Ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben. Nächsten Dienstag treffen wir uns hier wieder, mit Gustav Mahler, wenn sie mögen.
 
Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker