Musikstunde

Über D-Dur, Ludwig van Beethoven und seine 2. Symphonie (1. Teil)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Musikstunde

Über D-Dur, Ludwig van
und seine 2. Symphonie

(1. Teil)


Verehrte Damen und Herren, grüß Gott und einen schönen Tag wünsche ich Ihnen erst mal und freue mich, Ihnen heute a bissl was über Beethoven und seine "Zweite" erzählen zu können. 


Ludwig van Beethoven
Symphonie Nr. 2 in D-Dur op. 36
 
Beethovens 2. ist ja in D-Dur oder, wie die Musiker gerne sagen, kommt aus D-Dur, wo man ja mal überlegen kann, was ist das überhaupt für eine Tonart. Die Tonart ist eine wichtige Determinante für den Klang eines Stückes, sie gibt schon mal die Grundfarbe, so was wie Magenta bei der Telekom oder weiß-blau für Bayern. Stellen Sie sich vor, das wäre schwarz-gelb (die früheren Farben des sog. angestammten Herrscherhauses Habsburg oder die Farben von Borussia Dortmund), das käme schon etwas eigentümlich, oder? Die Komponisten überlegen sich natürlich schon genau, in welcher Tonart es erstmal losgehen soll, selbst wenn sie dann ein Stück ganz gerne herummäandern lassen und auf mehr oder weniger vorgegebenen Wegen durch die Tonarten laufen – ab Romantik bis heute natürlich immer freier von irgendwelchen Vorschriften oder Vorlieben. Tonarten sind übrigens ein europäisches Phänomen, andere Kulturen haben völlig andere Systeme. Nun sind wir halt hier aufgewachsen und haben von daher unsere Hörgewohnheiten. Wer weiß, ob Bayerns Farben Weiß-Blau wären, läge es in Ost-Turkestan – na ja, viele sagen ja, daß es tatsächlich dort liegt. Tonarten haben dann wiederum ganz simple Zusammenhalte (Dur und Moll z.B.), so simpel, daß selbst Dieter Bohlen es versteht – sofern es in C-Dur bleibt. Aber für die anderen Tonarten gibt es ja auf jedem Keyboard den Transponierungsknopf und die Melodie ist bei Bohlen eh immer dieselbe, also kein Problem.
 
Ton- und Eigenarten

Jetzt haben sich viele Musiker, Komponisten und feinhörige Menschen in den letzten 400 Jahren Gedanken darüber gemacht, was denn so die Eigenheiten der unterschiedlichen Tonarten sind, am intensivsten Hector Berlioz. Da sind zwar manchmal recht esoterisch anmutende Dinge herausgekommen, über D-Dur, die Tonart der beiden Symphonien, z.B. schreibt Herr Bartolus 1614:
„...also erreget dieser Ton eine sonderliche Andacht und gravitätische Sittsamkeit in den Gemüten der Menschen“, gut, 1614, da haben die in Düsseldorf noch die Missionare gefressen, wie die Neusser gerne sagen. Alle anderen aber streichen heraus, daß D-Dur eine freudige, heitere Tonart ist, sie „wirft Feuer in die Herzen“ (Vogler 1779), ist glänzend geeignet für Siegesgesänge (Masson 1697), ist der „Ton des Triumphes, des Siegesjubels“ (Schubart 1784) und Berlioz schreibt, D-Dur ist zwar fröhlich, aber auch ein wenig gewöhnlich. Das hat natürlich mit den Instrumenten zu tun und deren Eigenarten und mit den Hörgewohnheiten, aber alles in allem kann man das schon nachvollziehen, wenn man mal die Tonarten miteinander vergleicht. D-moll dagegen gilt als melancholisch (Grétry 1797), sanft trauernd (Knecht 1803), hat eine „schwermüthige Weiblichkeit, die Spleen und Dünste brütet“ schreibt Schubart 1784 und ist für Berlioz „düster, klangvoll, ein wenig gewöhnlich“. Hier also bewegen sich Beethoven und Mahler. Und bei Beethoven wissen wir auch direkt, warum er sich für diese Tonart entschieden hat – zumindest behaupte ich das mal. Er hat die 2. Symphonie in einer Zeit des Umbruchs geschrieben, was sage ich: das war der Wendepunkt seines Lebens. Tiefe Depression mischte sich mit ungeheurer Aufbruchstimmung. Eine Mischung, die wahrscheinlich jeder von uns kennt, der das Glück hatte, in all dem Gewusel von Lebenszeug plötzlich den richtigen Weg klar vor sich zu sehen. Bei manchen geht das recht harmonisch, bei den meisten tut es mehr oder weniger weh, Beethoven hat es ziemlich weh getan.
 
Als Beethoven der Beethoven wurde

Am 2. April 1800 fand Beethovens erste Akademie statt. Akademie ist ein Konzert, das man selbst veranstaltet hat, dessen Gewinn aber einem dann auch gehörte. Man mußte schon einen Namen haben, damit man eine Akademie veranstalten durfte, aber wenn es gelang, dann war man durch. Bei dieser ersten Akademie führte Beethoven u.a. seine erste Symphonie auf, das Konzert war ein Riesenerfolg und Beethoven plötzlich DER Beethoven. So weit so gut und alles freut sich, er selbst verliebt sich in Giulietta Guicciardi und träumt schon von Ehe (er widmete ihr die Klaviersonate op. 27 Nr. 2,die Mondscheinsonate) aber: alles fährt gegen die Wand: die Guicciardi heiratet einen anderen, und bei Beethoven stellen sich die ersten Taubheitssymptome ein. Sie wissen ja: Beethoven war so taub, daß er sein Leben lang dachte, er malt! Beethoven übertreibt zwar subjektiv sehr das Ohrenleiden, denn bis 1812 hörte er noch relativ gut, erst danach wurde es katastrophal, aber die Angst hört ja mit und wenn du als Komponist spürst, das Gehör geht weg, also schön ist das nicht! Er hat Suizidgedanken, Lithium-Tabletten oder Psychotherapeuten gab es noch nicht - er mußte sich selber helfen. Das tat er, indem er sich ganz in die Depression fallen ließ, schon mal ein Testament schrieb – das berühmte Heiligenstädter Testament, das mit dem etwas larmoyanten Satz beginnt: „O ihr Menschen, die ihr mich für feindselig, störrisch oder misanthropisch haltet oder erkläret, wie unrecht tut ihr mir, ihr wißt nicht die geheime Ursache von dem, was euch so scheinet.“ Und meint damit die beginnende Taubheit. Aber: heißt es doch schon im Volksmund: und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her. Das Lichtlein kam aus ihm selbst, denn in dieser ganzen Verzagtheit sieht er plötzlich, wo seine Aufgabe liegt: in der Kunst. Ihm wird klar, daß er einen neuen musikalischen Weg beschreiten muß, weg vom Hergekommenen, weg von Haydn (seinem Lehrer) und Mozart, das heißt natürlich auch: er spürt die Kraft dazu in sich und das gibt ihm Mut. Er sagt zu seinem Freund Krumpholz: „Ich bin nur wenig zufrieden mit meinen bisherigen Arbeiten. Von heute an will ich einen neuen Weg einschlagen“. Und genau das ist in seiner 2. Symphonie zu hören. Und zwar gewaltig. Ich bin zwar sonst nicht wirklich ein Verfechter des Zusammenhangs von Biographie und Werk (Porsches sind einfach geile Autos, auch wenn der Ur-Vater Ferdinand Porsche ein übler Nutznießer des Dritten Reiches war), aber bei dieser Symphonie ist schon zu spüren, wie einer aufbricht und neue Wege beschreitet.
Entsprechend irritiert waren auch die Herrschaften damals, als sie das erste Mal die Zweite hörten, das war am 5. April 1803 im Theater an der Wien, wo Ludwig auch zeitweilig gewohnt hat.
 
Nächste Woche gehen wir dann im medias res, will sagen, wir werden mal gemeinsam Beethovens 2. Symphonie aufdröseln.

Bis dahin tut sich ja hierzulande noch einiges, es wird wieder heiß und morgen Abend brodelt es sogar, wenn bei der Fußball-WM Deutschland nach dem grandiosen Sieg über die argentinische Hypbris nun gegen Spanien antritt. Da bin ich schon mal froh, daß ich an dem Abend frei habe – ich stünde ja vor leerem Saal!
Zwei Tage danach aber, am 9. Juli können Sie ins Forum der Kunst- und Ausstellungshalle Bonn kommen, wo ich ein kleines Alternativprogramm zur WM vorstelle – mit Geschichten, Lachen und Anekdötchen und einem Gläschen Wein. Ich würde mich freuen, Sie dort begrüßen zu können!
 
Ansonsten: bis nächsten Dienstag an dieser Stelle!
 
Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker