Fliegender Holländer und andere musikalische Delikatessen

Ein Sommerabendkonzert der Bergischen Symphoniker

von Frank Becker
„So tanzt Europa“
 
Ein Sommerabendkonzert
der Bergischen Symphoniker
mit Fliegendem Holländer
und fliegenden Notenblättern

 
Es ist in dem zu Remscheid gehörenden Städtchen Lennep mittlerweile ein Volksfest mit Ritual geworden, wenn die Bergischen Symphoniker bei ihrer regionalen Sommer-Tournee dort mit dem traditionell kostenlosen Freilichtkonzert Station im pittoresk romantischen Stadtkern machen. Schnell ist der von Fachwerkhäusern umgebene Alte Markt gefüllt, die Restaurant-Tische ringsum sind besetzt, man tafelt bei herabsinkender Nacht unter freiem Himmel gepflegt zum Klang gehobener Klassik. Kundige haben eigene Stühle, Tische, Wein im Kühler und Essen mitgebracht, man kennt sich, die Stimmung ist großartig.
Unter bewährter Leitung von Bernhard Steiner, 1. Kapellmeister am Theater Hagen, luden die Symphoniker diesmal mit dem Motto „So tanzt Europa“ zum Tanz aus Oper und Konzert: ein Dutzend Kompositionen von Massenet bis Brahms, von Dinicu bis Lortzing, von Grieg bis Delibes führte in alle Winkel des alten Kontinents.
 
Zur dramatischen Eröffnung mit Richard Wagners Ouvertüre des „Fliegenden Holländer“ zogen unter heftigen Böen wie arrangiert dräuende Wolken am Abendhimmel über dem Platz auf, während der 9er-Schlag der benachbarten Kirchturmuhr etwas a tempo einfiel. „Steuermann halt die Wacht“ bot sich in Abwandlung des Wagnerschen Librettos an, denn es flog nicht nur der Holländer, sondern unter Windstößen machte sich auch manches Notenblatt selbständig. Temperamentvoll folgten die zwei spanischen Tänze „Aragonaise“ und Navarraise“ aus Jules Massenets „Le Cid“ und blumig ein slawischer Tanz Antonin Dvoraks. Mit dem 3. Satz aus Johann Wenzel Kalliwodas zierlichem „Concertino“ glänzte Christian Leschowski, Solo-Oboist der Symphoniker, bevor mit einem allbekannten Gassenhauer reihum ein fröhliches Füßewippen begann. Jeder kennt diesen Ohrwurm „Hora staccato“ des Rumänen Grigoras Dinicu, der durch die Interpretation von Jascha Heifetz berühmt wurde, doch nur einer wußte ihn zu nennen: der bekannte Musikjournalist Ulrich Mutz, der charmant und humorvoll durch das Konzert führte und auch Stromausfälle und spanischen Torjubel brillant extemporierte.
 
Dem Hochgenuß von Tschaikowskis Polonaise aus „Eugen Onegin“ und Delibes Coppelia-Walzer setzte der Trompeter Matthew Brown, Stipendiat der Orchesterakademie, noch eins drauf: er ließ – so Ulrich Mutz – bei Johann Nepomuk Hummels höchst anspruchsvollem Trompetenkonzert auf seinem Instrument „die Lippen tanzen“. Zum 10er-Schlag erklang delikat Edvard Griegs Symphonischer Tanz op. 64, das Wetter hielt und Spanien schoß sich ins Halbfinale der Fußball-WM. Besonderes Lob sei übrigens den Technikern des Orchesters gezollt, die für Aufbau, Licht und Ton sorgten.
Nach Lortzings gar nicht „klompigen“, sondern recht zart gespieltem „Holzschuhtanz“ und Gounods „mephistophelischer“ (Mutz) Ballettmusik Nr. 7 hatten die bestens aufgelegten Symphoniker unter ihrem sympathischen Dirigenten natürlich Zugaben von Aram Khachaturian (den Walzer „Masquerade“) und abermals Dvorak mit dem Slawischen Tanz op. 46/5 parat. Stimmungsvoller kann man einen Sommerabend nicht begehen.