Prof. Dr. Dr.h.c. Franz Josef In der Smitten †

Der Farbfernseh-Pionier wurde 81 Jahre alt

Red./Karl-Ulrich Oberlies
Foto: WDR
Der „Vater“ des deutschen Farbfernsehens
ist tot
 
Der Farbfernseh-Pionier und Emeritus
der Bergischen Universität,
Prof. Dr. Dr.h.c. Franz Josef In der Smitten,
ehemaliger Prorektor für Forschung,
ist im Alter von 81 Jahren gestorben.
 
Der Start des Farbfernsehens 1967 war einem Team von WDR-Technikern unter Federführung von Dr. In der Smitten zu verdanken, damals Leiter der WDR-Videotechnik, später Chefingenieur und stellvertretender Technischer Direktor des WDR und ab 1975 Professor für Nachrichtentechnik an der Bergischen Universität.
In der Smittens Team konnte zwar auf die USA zurückgreifen, wo es schon seit 1954 Farbfernsehen gab, aber die qualitativen Anforderungen lagen in Europa weit über denen der USA. Im WDR-Farblabor wurden noch bis 1970 Versuche durchgeführt, um das Farbfernsehen zu optimieren. Weil Farbfernsehgeräte noch sehr teuer waren, konnten die Zuschauer erst nach und nach ihre Schwarzweißgeräte durch Farbfernsehgeräte ersetzen. Schwarzweiß- und Farbgeräte mußten deshalb noch lange parallel versorgt werden. Im Labor mußten Farben ermittelt werden, die sich in Schwarzweiß vor allem durch unterschiedliche Helligkeitswerte unterschieden. Daraus ergaben sich Vorgaben für Dekoration und Kleidung, die zum Teil bis heute gültig sind, zum Beispiel keine karierten Sakkos, hellblaue statt weiße Hemden, aber auch die Bedingungen bei Außenübertragungen mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen bei Sonne, Schatten oder Flutlicht.
 
Fußball gab der Akzeptanz des Farbfernsehens den Schub: Zur Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland hatten 10 Prozent der Bundesbürger Farbfernsehgeräte. Ein Jahr später wechselte Dr. In der Smitten vom WDR an die Bergische Universität.
2007 produzierte der WDR anläßlich des 40. Jahrestages des Farb-TV-Starts eine Dokumentation in HDTV über In der Smittens Versuchslabor. Die wichtigsten Geräte des WDR-Farbfernsehversuchslabors hatte Prof. In der Smitten übernehmen können, als er nach Wuppertal berufen worden war. Wieder in volle Funktion (!) gesetzt und ergänzt um weitere Geräte aus WDR-Beständen dienen sie bis heute als Lehrobjekte für Studenten. Das Historische Farbfernsehlabor der Bergischen Universität ist auf dem Campus Freudenberg untergebracht.
Auch an der Entwicklung des Videotextes war Prof. In der Smitten beteiligt, ebenso an der Entwicklung der digitalen Audiostudiotechnik und des digitalen terrestrischen Fernsehens DVB-T.
 
Prof. In der Smitten, von Hause aus Physiker, war acht Jahre lang Dekan des seinerzeitigen Fachbereichs Elektrotechnik, Vertrauensdozent der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und vier Jahre lang (1987 – 1991) Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs unter dem damaligen Rektor Prof. Dr. Dr.h.c. Siegfried Maser. Er initiierte die Kooperationen mit der Technischen Universität Kosice (Slowakei) und der Belarussischen Staatlichen Universität für Informatik und Radioelektronik in Minsk (Weißrussland). Prof. In der Smitten, viele Jahre Vorsitzender der Fernseh- und Kinotechnischen Gesellschaft (FKTG), erhielt zahlreiche Auszeichnungen, so das Bundesverdienstkreuz und als Pionier des Farbfernsehens die nach dem langjährigen Direktor des Instituts für Rundfunktechnik (München) benannte Richard-Theile-Medaille.
 
Rektor Prof. Dr. Lambert T. Koch und Dekan Prof. Dr.-Ing. Bernd Tibken würdigten die Persönlichkeit Prof. In der Smittens in einem Nachruf. Als Prorektor und als Dekan habe er wesentlich zur Entwicklung der Bergischen Universität und seines Fachbereichs beigetragen. Prof. In der Smitten wurde in seiner Heimatstadt Köln beigesetzt.
 
 
 
Ein Pionier des Farbfernsehens

Von Karl-Ulrich Oberlies
 
Vor 43 Jahren Start in Deutschland - Vom WDR zur Bergischen Universität:
Entscheidende Vorarbeiten leistete Prof. Dr. Franz Josef In der Smitten
 
Vor 43 Jahren, am 25. August 1967, stellte Willy Brandt als Vizekanzler die Signale für das Farbfernsehen auf Grün: Um 10.57 Uhr drückte der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin zum Start der Internationalen Funkausstellung (IFA) 1967 in Berlin symbolisch auf eine rote Taste, und statt der gewohnten schwarz-weißen Fernsehbilder sah die Nation jetzt Farbe. Daß dieser Start gelingen konnte, war einem Team von WDR-Technikern zu verdanken, die 1963 in Köln-Ehrenfeld ein Farbfernsehversuchslabor eingerichtet hatten. Unter der Leitung von Dr. Franz-Josef In der Smitten, damals Leiter der WDR-Abteilung Videotechnik, später Chefingenieur und stellvertretender Technischer Direktor des WDR, ab 1975 Professor für Nachrichtentechnik an der Bergischen Universität, hat dieses Team maßgeblich daran mitgewirkt, dass das Farbfernsehen in Deutschland etabliert werden konnte.
 
In der Smittens Team konnte zwar auf Ergebnisse aus den USA zurückgreifen, wo es bereits seit 1954 Farbfernsehen gab. Aber die qualitativen Anforderungen an die TV-Produktion und -übertragung lagen in Europa deutlich über denen in den USA. Vor allem musste die Farbeinstellung am TV-Gerät immer wieder neu justiert werden.
Außerdem waren die europäischen Entwicklungen, die mit dem Namen des PAL-Erfinders Walter Bruch verbunden werden, schon so weit gediehen, daß europäische und US-Technik kaum noch kompatibel erschienen. So waren das amerikanische Farbcodierverfahren NTSC mit PAL (bzw. SECAM) ebenso wenig kompatibel wie z.B. die amerikanischen Abtastraster (USA 525 Zeilen, 60 Halbbilder/Sekunde) mit den in Europa bereits genutzten (625 Zeilen, 50 Halbbilder/Sekunde). Mit dem PAL-System konnten die Fehler behoben werden, die man am amerikanischen System kritisierte.
 
Im (legendären) WDR-Farblabor wurden über den Stichtag 25. August 1967 hinaus noch bis 1970 unzählige Versuche durchgeführt, um herauszufinden, wie das Farbfernsehen optimiert werden konnte. Denn neben technischen Fragen war noch mehr zu untersuchen: Weil die neuen Farbfernsehgeräte noch sehr teuer waren, konnten die Zuschauer erst nach und nach ihre Schwarzweiß- Empfänger durch Farbfernsehgeräte ersetzen. Schwarzweiß- und Farbempfänger mußten also noch lange parallel versorgt werden. Folglich waren Farben zu ermitteln, die sich bei Schwarzweiß-Wiedergabe durch unterschiedliche Helligkeitswerte unterschieden. Solche Farben wurden bei In der Smitten im Labor erprobt: Kulissen wurden mit unterschiedlichen Farben angemalt, mit Farbkameras abgetastet und das Ergebnis auf Schwarzweiß- und Farbmonitoren analysiert. Daraus resultierten Vorgaben für die Dekoration und für die Kleidung der Sprecher, die zum Teil sogar noch heute gültig sind. Beispielsweise sind Streifenmuster sehr kritisch - sie erzeugen je nach Kameraeinstellung Bildfrequenzen, die im Empfänger zu Farbstörungen führen. Keine karierten Sakkos, hellblaue statt weiße Hemden – solche scheinbaren Nebensächlichkeiten zählten zu den Erfahrungen der Farb-TV-Pioniere, gar nicht zu reden von den neuen Bedingungen, unter denen bei Außenübertragungen mit unterschiedlichsten Lichtverhältnissen (Sonne, Schatten, Flutlicht) gearbeitet werden mußte. In der Smittens Versuchslabor testete auch, ob die Übertragungsstrecken zu den Sendern und die Sendeanlagen selbst farbtauglich waren. Später boten die Versuchssendungen vor allem der Geräteindustrie die Möglichkeit, in Entwicklung befindliche Empfänger zu testen.
 
Nach Willy Brandts Knopfdruck wurde aus In der Smittens Labor ein regelrechtes Sendestudio, das noch bis 1970 genutzt werden konnte. In diesen drei Jahren ging die Entwicklung zum professionellen Farbfernsehen weiter: Durch Austausch von Untersuchungsergebnissen mit der Industrie wurden bessere Kameras, Magnetaufzeichnungsanlagen und Filmabtaster entwickelt, aber auch fernsehgerechtes Filmmaterial.
Der Fußball brachte schließlich den Durchbruch für die Akzeptanz des Farbfernsehens: Zur Weltmeisterschaft 1974 waren bereits zehn Prozent der Bundesbürger mit Farbfernsehgeräten ausgestattet. Ein Jahr später wechselte In der Smitten als Professor nach Wuppertal.
 
Aufgaben und Arbeitsergebnisse seines Farbfernsehlabors sollen auf Anregung von Prof. In der Smitten der Nachwelt erhalten werden. Im Auftrag der WDR-Öffentlichkeitsarbeit haben Anja Myriam Anton und der Autor Karl-Friedrich Baumgärtel eine Filmdokumentation über In der Smittens Versuchslabor produziert.
Der Film, in HDTV produziert, stellt die wichtigsten Gerätekomponenten des Farbfernsehversuchslabors vor; die Geräte hatte In der Smitten in seine Obhut genommen, als er 1975 an die Bergische Universität berufen wurde. Wieder in Funktion gesetzt und ergänzt um Geräte aus anderen Quellen, dienen sie noch heute – nach über 40 Jahren – ihm und seinem späteren Wuppertaler Nachfolger Prof. Dr.-Ing. Uwe Kraus als Lehrobjekt für Studenten der Rundfunk- und Fernsehtechnik.  Als „Roter Faden“ führt ein ausführliches Interview mit Prof. In der Smitten durch den 30-Minuten-Film, ergänzt durch Interviews mit einigen seiner damaligen Mitarbeiter. Auch Prof. Kraus bringt seine Erfahrungen ein – er erstellte damals im WDR-Farbfernsehversuchslabor seine Diplomarbeit.
 
Auch an der Geräteentwicklung für Videotext waren Prof. In der Smitten und seine Studenten beteiligt: Ausgehend von Diplomarbeiten und weiteren Vorentwicklungen an der Bergischen Universität wurde im WDR 1979 die erste Videotext-Eingabe- und Sendeeinrichtung entwickelt und kurz danach auch eingesetzt. Kooperationen in der Forschung haben Prof. In der Smitten und die WDR-Technik über viele Jahre gepflegt. Dazu zählten – neben ungezählten Seminaren, die er zum Teil selbst im WDR durchgeführt hat – vor allem die Weiterentwicklung der digitalen Audiostudiotechnik und Vorarbeiten für digitales terrestrisches Fernsehen (DVB-T). 1992 wurden von Wuppertal aus die ersten digitalen terrestrischen Fernsehübertragungen getestet. Wichtigstes Ergebnis: Digitales Fernsehen funktioniert auch dort optimal, wo analoges Fernsehen nur schwer empfangbar war. Ebenfalls bearbeitet wurden Entwicklungen der digitalen Audiostudiotechnik.
 
Redaktion: Frank Becker