Ein idealer Sommerroman

Benedict Wells - "Becks letzter Sommer"

von Jürgen Kasten
Beeindruckendes Debüt

Der Roman mit dem Titel "Becks letzter Sommer" läßt bis zum Schluß die Frage offen, warum es Becks letzter Sommer ist, der Sommer „Ende der Neunziger, diesem vergeudeten Jahrzehnt“. Bringt er sich um? Wird er gar umgebracht? Oder gibt er sich einfach auf und versinkt in Depressionen, weil er die Mittelmäßigkeit seines Lebens nicht mehr erträgt?
Angesichts der Turbulenzen, in die Beck gerät, sind die beiden ersten Alternativen nicht unwahrscheinlich. Für letzteres jedoch besteht eigentlich gar kein Grund. Beck ist beliebter Gymnasiallehrer an einem Münchner Gymnasium, hat einiges geerbt, einen guten Freund, der leider Hypochonder ist und damit nervt, und er findet die Liebe seines Lebens.
 
All das macht Beck nicht wirklich glücklich. 37 Jahre alt ist er nun, hat einige unglückliche Liebschaften hinter sich und glaubt an keine Zukunft. Er sieht auch nicht so aus, als ob es eine Zukunft für ihn gäbe. Sein Äußeres erinnert an einen Spät-Hippie. Ab und zu täte ihm Sport gut, weil seine Figur auch zu wünschen übrig läßt. Aber er fürchtet die hämischen Bemerkungen der fitten Joggerinnen im Park. Er unterrichtet unter anderem Musik, doch langweilt es seine Schüler und ihn langweilen die Schüler. Eigentlich wäre er am liebsten Musiker, würde wieder komponieren, texten und als Frontman die Gitarre spielen. Aber seine Bandmitglieder haben ihn rausgeekelt.
Was bleibt da noch an Lebensfreude?
 
Sie erwacht wieder, als er die bezaubernde Lara kennenlernt, als er den musikalisch talentierten und geheimnisvollen Rauli unter seinen Schülern entdeckt. Mit diesem 17-jährigen probt und diskutiert er stundenlang Musik. Versucht ihm klarzumachen, daß Bob Dylan nur ein lausiger Selbstdarsteller, daß R.E.M. lediglich eine verschnarchte Schnulzenband ist. Rauli interessiert Becks Meinung nicht. Er hat eigene Vorstellungen über die Gestaltung seines weiteren Lebens, und er ist ein gnadenloser Lügner. Trotzdem hält Beck an ihm fest. Zwischen ihm, seinem Schüler, seiner neuen Liebe und seinem Freund Charlie entwickelt sich eine Dynamik, die Spannung, Tempo und immer wieder neue Wendungen in die Geschichte bringt.
 
Benedict Wells strukturiert den Roman wie eine CD mit Dylan-Songs. „Track I – Things have Changed“, leitet die Wende in Becks dahinplätscherndem Leben ein. Stark gezeichnete Charaktere umgeben die tragische Figur Beck. Man hat Mitleid mit ihm, muß ihn aber einfach lieben und atemlos mit verfolgen, wie er und seine Freunde durch diesen Sommer hetzen, schliddern, flüchten. Von der Geburt eines Genies bis zum unvermeidlichen Tod eines endlich Geheilten reicht der Spannungsbogen. Keine Zeile möchte man missen. Doch erst kurz vor Schluß, auf Seite 416, erfährt man, warum es Becks letzter Sommer war.

Ein idealer Sommerroman, dieses beeindruckende Debüt des jungen Benedict Wells, für den er den bayrischen Kunstförderpreis erhielt. Wer 2008 die Erstausgabe verpaßte, kann sich nun an der Taschenbuchausgabe erfreuen.

Redaktion: Frank Becker
Beispielbild


Benedict Wells
Becks letzter Sommer
 
© 2008 Diogenes Verlag Zürich, Taschenbuch 2009

Broschiert, 454 Seiten,
ISBN 978-3-257-24022-1
€ 10,90 (D), € 11,30 (A), sFr. 19,90 (CH)
 
Weitere Informationen: www.diogenes.ch