Zweie erklären uns die Welt

Andreas Krenzke und Matthias Reuter bei WortArt

von Frank Becker

Wat ham die sich denn da jetzt wieder überlegt?

         

Andreas Krenzke
Picknick im Arbeitslosenpark

© 2010 WortArt
Gesamtzeit:  00:59

www.andreaskrenzke.de

  Matthias Reuter
Auf schwarz sieht man alles!

© 2010 WortArt
Gesamtzeit:  1:19:00

www.matthiasreuter.de



Eine neue Kabarett-Generation


Mit Wurzeln im real existierenden Sozialismus der eine, aus dem realistischen Ruhrgebiets-Milieu der andere. Im fatalistischen "Jargong" des
Kummer gewohnten und daher völlig entspannten (Ost-)Berliner Sozialismus-Opfers Andreas Krenzke, im verbürgerlichten, noch leichte native Anklänge hören lassenden Tonfall des in Oberhausen aufgewachsenen Mittelständlers zum selbst gespielten Klavier Matthias Reuter. Zweimal brillantes Kabarett der besonders publikumsnahen, überdies höchst amüsanten Art  -  WortArt eben.

Reuters
erschrecktes Bekenntnis des an sich selbst bemerkten progressiven Konservativismus steht zwar diametral zu Krenzkes brachialer Kontrafraktur von Charlotte Roches Plaudereien aus den Niederungen ihrer analen Sexualität - doch sind beide, der Arbeitsverweigerer mit VEB-Erfahrung und der junge Familienvater des westlichen Mittelstandes, veritable Muster wesentlicher Gruppen unserer seit 20 Jahren nicht recht zusammenwachsenden gesamtdeutschen Gesellschaft. Und beide schenken das, was wir am dringendsten brauchen: befreiendes Lachen.

Andreas Krenzke schafft dem Ossi-Wessi-Trend-
Konflikt zum Trotz und vor allem lernbegierig ganz leicht den Sprung vom sozialistischen Maschendrahtzaun der mitnahmefreudigen DDR ins soziale Netz der korrumpierten, drogenfreudigen BRD, in der Vagina-Schauen von Dünnbrettbohrerinnen wie der oben erwähnten Teenie-Pornographin Roche und Leute wie die dummdreiste Blog-Diebin Helene Hegemann in seriösen Literaturkolumnen neben Big Brother und Dschungelcamp im schmerzfreien Kommerzfernsehen bejubelte erfolge feiern. Nichts ist mehr peinlich. Und mit nichts mehr  haben stiernackige Schwachköpfe am Steuer großvolumiger Geländelimousinen ein Problem. Außer mit sich selbst. Matthias Reuter hat diese Spezies genau studiert und stellt so einen Spacko und die rechte Art, ihm zu begegnen) im Kapitel "Schrecken des Alltags", Unter-Überschrift : "Konfliktforschung im Ruhrgebiet" trefflich dar: "Hast du n Problem?! Oder wat?!". In die gleiche Kategorie gehören übrigens Terrorgefahr im ICE und Kindergeburtstage. Neben "Wat (in aller Welt) ham die sich denn da jetzt wieder (für ne Scheiße) überlegt?" mein heimlicher Favorit.

Bei Krenzke ist das unangefochten der urkomische, dabei höchst realistische Erinnerungs-Abgesang auf die dahingeschiedene DDR "Bau auf, bau auf", dicht gefolgt von "Ich wäre gern ein Pferd" und "Marathon", messerscharfe Beobachtungen der lakonischen Verweigerung. Zwei Alben, die ich der geneigten Hörerschaft unbedingt empfehlen kann zumal die mir während meiner jüngsten zwei Stunden Dauerstau auf der A 1 in Richtung Bremen die Zeit höchst kurzweilig vertrieben haben.  Allein dafür mit bestem Dank den Musenkuß!


Weitere Informationen unter: www.wortart.de  und  www.wordload.de