Von der Unmöglichkeit der Liebe

Eugene O´Neill - "Ein Mond für die Beladenen" in Bochum

von Frank Becker
Von der Unmöglichkeit der Liebe
 
Eugene O'Neills “Ein Mond für die Beladenen“
Koproduktion mit dem Maxim Gorki Theater Berlin
 
Premiere am 2.6.10 in den Bochumer Kammerspielen
 
Regie:  Armin Petras – Bühne:  Armin Petras, Patricia Talacko – Kostüme:  Patricia Talacko – Fotos: Matthias Horn
Besetzung: Josie Hogan (Anja Schneider) - Phil Hogan: (Thomas Anzenhofer) – James (Jim) Tyrone Jr. (Christian Kuchenbuch) - T. Stedman Harder (Alexander Maria Schmidt)
 
Anja Schneider Superstar
 
Die Szene mutet idyllisch an: Ein Bergpanorama, im Vordergrund ein hübsches Blumenbeet,

Thomas Anzenhofer, Anja Schneider - Foto © Matthias Horn
Heugabel, Gitarre, Melone, ein Gewehr, ein Schlagzeug (!?) – wenn da nicht zwei Männer wären, die diese Idylle mit Filzstift-Sternchen bemalen. Auftritt der Bewohner, Hillbillies wie aus dem Bilderbuch: Phil (Thomas Anzenhofer) im Unterhemd, mit Strick als Gürtel der Jeans und speckigem Hütchen – seine Tochter Josie (Anja Schneider) im karierten Hemd, mit plumpen Gummizugjeans. Anzenhofer läßt ketterauchend seine Country-Erfahrung aus dem „Man in Black“ mit einer Ballade zur Gitarre hören, Schneider führt ein Landei vor, das es faustdick hinter den Ohren hat. Unansehnlich und anscheinend sehr einfach gestrickt, offenbar promiskuitiv und dabei glücklos, dennoch in sich ruhend und höchst raffiniert.
Anja Schneider übernimmt mit ungeheurer Bühnenpräsenz die Szene, pöbelt, schmollt mit vorgeschobener Unterlippe, zieht sich in ihr kleines Stück Heile Welt im Blumenbeet zurück, scheint sich für ein neues Paar Flipflops bereitwillig dem Landbesitzer Jim (Christian Kuchenbuch) an den Hals zu werfen, von dem Phil seit 20 Jahren das karge Land gepachtet hat. Ihrem Spiel zuzuschauen, ihren Verlegenheitsgesten, Zornesausbrüchen und Schlaumeiereien zu folgen ist faszinierend, reines Vergnügen an hoher Bühnekunst.
 
Ein Haufen Verlierer
 
Doch Jim, gescheiterter Broadway-Bonvivant, liebt nur zwei Dinge, wenn er auch offensichtlich um Josies Gunst wirbt: Whisky und das Geld, mit dem er sich Whisky kaufen kann. Sein König ist der Alkohol.

Vorgeschmack... Anja Schneider - Foto © Matthias Horn
Kuchenbuch läßt mitzittern, jede Hoffnung mit ihm gemeinsam verlieren. Nicht er ist die treibende Kraft, als es um Zweisamkeit geht – das ist Josie, die sich mehr von Ihm verspricht, als er geben kann und will. Resolut und selbstbewußt gibt sie die Richtung vor, muß aber vor der Trunksucht und Jims Unfähigkeit zu lieben scheitern. Selbst der Wandel vom häßlichen Entlein zum glitzernden Stern unter dem Mond der einzigen gemeinsamen Nacht und der geballte Einsatz der besten alten Whiskies als Aphrodisiakum können Jim nicht umkehren. Das rührende Bekenntnis „Ich bin noch Jungfrau, aber nicht weitersagen! Und jetzt willst Du nicht, aber ich will doch so gerne!“ und Josies folgender aufwühlender Monolog an das goldene Leben läßt Schneider/Josie die Sympathien zufliegen. Doch das Unglück ist besiegelt. Längst hat Jim das Land an den Blutsauger Harder (Alexander Maria Schmidt) verkauft, der die Hogans von dort vertreiben wird. Verlierer sind sie alle, denn keiner bekommt, was er eigentlich möchte, nicht Josie, die Liebe will, nicht Jim, der vom süßen Leben träumt, aber eher Hilfe bräuchte, nicht Phil, dem die Söhne weggelaufen sind, weil sie in dem ertraglosen Landkeine Zukunft sahen, ja nicht einmal der skrupellose Harder, der zwar das Land bekommen wird, aber dadurch auch nicht zufriedener ist.
 
Bilderreiche Inszenierung
 
Armin Petras läßt Schmidt in diversen kleinen eingeschobenen Auftritten die Unverwundbarkeit der Finanzwirtschaft und ihren raffinierten Schwindel mit Ballons, Konfetti und Taschenspielertricks demonstrieren und damit die Macht und Häßlichkeit des Geldes den kleinen Leuten gegenüber

Kleine Fluchten - Anja Schneider - Foto © Matthias Horn
zeigen: „Es herrscht Klassenkampf, und meine Klasse gewinnt!“
Das sind starke, brandaktuelle Worte. Die mögliche Liebe Josies und Jims scheitert vor dem Suff und dem Geld, die Wunschwelt der Beladenen liegt im Mond,
ihre Zukunft wird ohne Skrupel vom Besitzenden ruiniert und allen solidarischen Erklärungen zum Trotz verraten. Hoffnung? Oh, nein. O´Neill hat „A Moon for the Misbegotten“ 1947 als eines seiner letzten Stücke in tiefem Pessimismus, wenn auch voller zärtlicher Liebe zu den Verlierern der amerikanischen Gesellschaft geschrieben. Petras´ bilderreiche Inszenierung ist fraglos als Parabel auf das Jetzt und Heute zu sehen. Ein beachtlich aktuelles Stück zum Ende der Spielzeit und Elmar Goerdens Intendanz in Bochum.   
 
Nächste Termine: heute, 7.6., sowie 9.6., 10.6., 15.6.2010
 
Weitere Informationen unter: www.schauspielhausbochum.de