Vom Glück zwischen Buchdeckeln

"Lesen, bis die Wimpern vor Müdigkeit leise klingen"

von Robert Sernatini

© ars vivendi
Vom Glück
zwischen Buchdeckeln



Ein ganz zauberhaftes schmales Büchlein liegt seit einigen Tagen auf meinem Lesetisch, macht mich froh und lädt zum lächelnden Blättern, Betrachten und Schmökern ein. Der Titel
(ein Zitat von Elias Canetti) ist vielleicht nicht unbedingt geschickt gewählt, doch macht die delikate Sammlung literarischer Fundstellen zum Thema Lesen dieses Manko allemal wett.

"Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Boden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken", wird Hermann Hesse auf S. 91 zitiert. Wie wahr diese Erkenntnis ist, wird jeder Bücherfreund vollen Herzens bestätigen. Welch Glück, den Blick zärtlich über die gut gefüllten und wohl sortierten Bücherbretter der Bibliothek wandern zu lassen, die uns im Laufe der Jahrzehnte er- und ans Herz gewachsen ist. Welche heimliche, bebende Lust, begehrlich die Stapel der sorgfältig ausgesuchten Bücher zu betrachten, die vielversprechend der genußvollen Lektüre harren. Und was für eine Zufriedenheit, oft gepaart mit Wehmut, uns doch überkommt, wenn wir ein köstliches Buch zu Ende gelesen aus der Hand legen. Gleich noch einmal Hesse: "Wer aber Bücher liest, wie man Freunde anhört, dem werden sie sich erschließen und zu eigen werden".

Kurt Tucholsky kommt auf S. 81 mit einigen wunderbaren Sätzen zu Wort: "
Manchmal, o glücklicher Augenblick, bist du in ein Buch vertieft, daß du in ihm versinkst - du bist gar nicht mehr da. Herz und Lunge ar­beiten, dein Körper verrichtet gleichmäßig seine innere Fa­brikarbeit, - du fühlst ihn nicht. Du fühlst ihn nicht. Nichts weißt du von der Welt um dich herum, du hörst nichts, du siehst nichts, du liest. Du bist im Banne eines Buches. (So möchte man gern gelesen werden.)" - ein Auszug aus "Moment beim Lesen". Den vollständigen Text finden Sie  hier. Auch Hugo von Hofmannsthal wird auf S. 81 zitiert, unwillkürlich fragt man sich, ob Patrick Süskind Hofmannsthal gelesen hat, bevor er seinen Bestseller "Das Parfüm" schrieb: "Dichter destillieren Parfums aus Leichen". Bedenkenswert.

Stimmungsvolle Fotografien begleiten die kleinen Loblieder aufs Lesen - wir sehen das Kind, die Strandnixe, den alten Herrn in die Lektüre vertieft. Andere Bilder zeigen das Buch in seiner unaufdringlichen Schönheit. Dann geht der Blick nach zufriedenem Verweilen zurück zu den Texten, und wir lesen, was Alberto Manguel, Aldous Huxley, Erasmus von Rotterdam, Christian Morgenstern, Laurence Sterne, Karl Kraus, Franz Kafka, Emily Dickinson und viele andere über Bücher und das Lesen geäußert haben.  "Ich  sitze und lese einen Dichter. Es sind viele Leute im Saal, aber man spürt sie nicht. Sie sind in den Büchern. Manchmal bewegen sie sich in den Blättern, wie Menschen, die schlafen und sich umwenden zwischen zwei Träumen. Ach, wie gut ist es doch,  unter lesenden Menschen zu sein" (Rainer Maria Rilke).

Dies liebenswerte Bändchen ist ein Juwel - dafür den Musenkuß!

Lesen, bis die Wimpern vor Müdigkeit leise klingen
© 2010 ars vivendi Verlag,
112 Seiten, Leinen, mit s/w- und Farbfotografien und eine Vorwort von Bernd Noack, 10,5 x 17 cm, € 14,90 [D/A], sFr 25,80, ISBN 978-3-89716-988-3

Weitere Informationen unter: www.arsvivendi.com