Azzurro

Dario Fos „Bezahlt wird nicht“ in einer temporeichen Inszenierung des WTT

von Frank Becker
Azzurro
 
Dario Fos „Bezahlt wird nicht“
in einer temporeichen Inszenierung des WTT

Regie: Wolfgang Eysold - Bühne: Peter Strieder - Kostüme:Lolita Erlemaier
Besetzung: Verena Sander (Antonia) - Kristina Otten (Margherita) - Thomas Ritzinger (Giovanni) - Björn Lenz (Luigi) - Björn Lukas (Polizist, Carabiniere, Großvater, Bestatter)

Plündern ist die erste Bürgerpflicht


Die Grundnahrungsmittel werden unerschwinglich, die Preise sind vom kargen Einkommen der Arbeiter nicht mehr zu bezahlen. Zur Zeit sozialer Unsicherheit und Unruhe in Italien schrieb der nachmalige Nobelpreisträger (1997) Dario Fo 1974 seine Komödie über kleine Leute, die ehrlich zu sein versuchen, sich dann aber in Auflehnung gegen die unverschuldete Armut mit kollektivem Diebstahl wehren. Der Supermarkt wird geplündert – bezahlt wird nicht! Das Heft des Handelns nehmen dabei die Frauen in die Hand: sie sind es, die den brav am Fließband schuftenden Männern das Essen auf den Tisch bringen müssen. „Es ist unser gutes Recht, einen gerechten Preis zu bezahlen!“ Also tun sie, was zu tun ist, wenn auch reichlich „dämlich“. Die temperamentvoll-resolute Antonia (Verena Sander) war beim Plündern im Supermarkt an vorderster Front und kommt nun mit einer perfekten italienischen Schimpfkanonade und etlichen Tüten eßbarem Diebesgut nach Hause. Die zwischen Angst und Gier hin und her gerissene Nachbarin Margherita (Kristina Otten) macht sie zur Komplizin im nun folgenden Verwirrspiel mit Ehemännern und Polizei. Daß in der Hast der Plünderung neben Reis und Pasta auch Vogel- und Katzenfutter und tiefgefrorene Kaninchenköpfe zur Beute gehören, unterstreicht ironisch die Not des Proletariats.
 
Burlesk bis zur Schmerzgrenze

Wolfgang Eysold hat in seiner temporeichen Inszenierung für das Westdeutsche Tournee Theater in Remscheid die Feder von Dario Fos turbulenter Farce mit vorgetäuschten Schwangerschaften, einem Carabiniere im Sarg und auf die Spitze getriebenen Karikaturen bis zum Anschlag aufgedreht, treibt die Burleske bis zur Schmerzgrenze – und erfüllt genau damit Dario Fos Vorgaben. Völlig überdreht, dabei schlitzohrig und um keine noch so dumme Lüge verlegen, agieren die beiden Frauen, tumb begriffsstutzig und lebensfern die gewerkschaftlich organisierten Männer. Thomas Ritzinger als Giovanni schießt dabei kopfkratzend mal um mal den Vogel ab, urkomisch der Dialog zwischen ihm und Luigi (Björn Lenz). Apropos komisch: Björn Lukas, schon in Sternheims „Die Hose“ hoch gelobter Gast am WTT, brilliert humorvoll in vier kleinen Rollen, wird vom Publikum regelrecht

Schwanger durch Grundnahrungsmittel? - Thomas Ritzinger, Verena Sander
Foto © Claudia Sowa
ans Herz gezogen. Ein liebenswerter, hervorragender Darsteller, den man durchaus öfter besetzt sehen würde.
 
"Hab ich´s richtig gemacht?"

Daß die beiden prinzipientreuen Ehemänner sich schließlich spontan der an der „Eigentumsumkehr“ beteiligen, ist nicht zuletzt der jammernden Staatsverdrossenheit des Polizisten (Björn Lukas) zu verdanken, der sich im Gegensatz zum mißtrauischen Carabiniere (ebenfalls Björn Lukas) als heimlicher Sympathisant des Aufbegehrens entpuppt: „Gegen den Diebstahl der Marktwirtschaft hilft nur der Ladendiebstahl.“ Und gegen zwei heulende Weiber sind auch gestandene Männer hilflos. Da bleibt dem braven Giovanni auf die drängende Frage Antonias „Hab ich´s richtig gemacht?“ nur die Antwort: „Aber natürlich hast du´s richtig gemacht“. Was gleichermaßen für die Inszenierung, das Personal und die originelle Bühne (Peter Strieder) gilt, für die Eysold das Geschehen bild- und handlungswirksam von der üblichen Wohnküche in einen offenen Innenhof verlegt hat. Und wenn zum Abspann „Azzurro“ aus den Lautsprechern klingt, wissen wir, daß alles wieder in Ordnung ist.
 
Die nächste Vorstellung für Karnevals-Müde aber Theater-Hungrige von "Bezahlt wird nicht" gibt es am: Samstag, 05.03.2011, 20 Uhr
Karten unter 02191-32285 oder an der Kasse.
Eintritt 12,00 € /7,00 ermäßigt (Schüler, Studenten, Schwerbesch.)


Informationen über das WTT unter: www.wtt-remscheid.de