Plauderstunde

Über Johann Peter Hebel und Andreas Hofer

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Johann Peter Hebel und Andreas Hofer


Johann Peter Hebel hätte ja gestern seinen 150. Geburtstag gehabt. Und so sehr alle den Meister des „Kannitverstan“ und sein „Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes“ schätzen und goutieren – ja, ja, ich auch – bin ich doch als Südtiroler heute noch gekränkt. Warum? Weil er in übelster Weise über UNSEREN Volkshelden Andreas Hofer hergezogen ist. Er hat in seinem Schatzkästlein sich unterstanden, folgendes über unsere Lichtfigur zu schreiben, ich darf zitieren:
 
Als im letzten Krieg die Franzosen und Oestreicher in der Nachbarschaft von Tirol alle Händevoll mit einander zu thun hatten, dachten die Tiroler: Im Trüben ist gut fischen. Sie wollten nimmer bayrisch seyn. Viel Köpfe, viele Sinne, manchmal gar keiner. Sie wußten zuletzt selber nimmer recht was sie wollten. Unterdessen läuteten in allen Thälern die Sturmglocken. Von allen Bergen herab kamen die Schützen mit ihren Stutzen. Jung und alt, Mann und Weib griff zu den Waffen. Die Bayern und Franzosen hatten harten Stand; besonders in den engen Pässen, wenn Felsenstücke wie kleine Häuser so groß auf sie herabflogen. Bald glücklich bald unglücklich in ihren Gefechten, nahmen die Rebellen bald Inspruck ein, die Hauptstadt in Tirol; bald mußten sie sie wieder verlassen; bekamen sie wieder und konnten sie doch nicht behalten. Ungeheure Grausamkeiten wurden verübt, nicht nur an den bayerischen Beamten und Unterthanen, nein auch an den eigenen Landsleuten; Vogel friß oder stirb. Wer nicht mitmachen wollte war des Lebens nicht sicher. Endlich als manches schöne Dorf und Städtlein in der Asche lag, mancher wohlhabende Mann war ein Bettler, mancher leichtsinnige und rasende verlor sein Leben; jedes Dorf, fast jedes Haus hatte seine Leichen, seine Wunden und seinen Jammer, da dachten sie zuletzt, es sey doch besser bayerisch seyn als sie im Anfang gemeynt hatten, und unterwarfen sich wieder. Unversucht schmeckt nicht. Nur einige Tollköpfe wollten lieber zuerst ein wenig erschoßen oder gehenkt seyn; zum Beispiel Andreas Hofer.
Andreas Hofer Sandwirth in Passeyer und Viehhändler hatte bis über sein 40stes Jahr bis der Aufstand ausbrach, schon manch Schöpplein Wein ausgeschenkt... Aber im Aufstand brachte er es zum Commandanten, nicht blos von einem Städtlein oder Thal, nein von der ganzen gefürsteten Grafschaft Tirol, und nahm sein Quartier nicht nur in einem Pfarrhof oder etwa in einem Amthaus, sondern in dem großen fürstlichen Residenzschloß zu Insbruck. An fünfzig tausend Mann Landsturm stand in kurzer Zeit unter seinem Befehl. Wer keine Flinte hatte, präsentirte das Gewehr mit der Heugabel. Was verordnet und ausgefertigt wurde, stand Andreas Hofer darunter, das galt. ... In Inspruck ließ er sich gut auftragen. Selber essen macht fett. Er sagte: ich bin lang genug Wirth gewesen. Jetzt will ich auch einmal Gast seyn. Bey dem allen veränderte er seine Kleidertracht nie. Er gieng einher wie ein gemeiner Tiroler, und trug einen Bart, so lang das Haar wachsen mochte. Nur im rothen Gürtel trug er ein paar Terzerolen, und auf dem grünen Hut eine hohe Reiherfeder, und neben seinen schweren Regierungsgeschäften trieb er den Viehhandel fort, wie vorher. ...Als sich aber endlich das verblendete Volk der angebotenen Gnade seines großmüthigen Königs unterwarf, und alle welche sich nachher mit den Waffen des Aufruhrs noch blicken ließen, gehenkt wurden, mancher Baum trug solch ein Früchtlein, da war Andreas Hofer nicht daheim zu finden, und an keinem Baum; und es hieß er sey ein wenig spazieren gegangen über die Gränzen. Den Willen dazu mag er gehabt haben in seiner armen hölzernen Hirtenhütte auf einem hohen Berg im hintersten Passeyer Thal, wo er mit seinem Schreiber verborgen lag, und mit 6 Fuß hohem Schnee verschanzt war. Sein Haus und sein Vermögen war von den wüthenden Bauern geplündert. Dürftige Nahrung verschaffte ihm von Zeit zu Zeit seine Frau, die jetzt selber mit ihren 5 Kindern von fremden Wohltaten lebt. Da sah es anderst aus als in der Burg zu Inspruck. Schlimmers Quartier wartete auf ihn. Einer von seinen guten Freunden verrieth für Geld seinen Aufenthalt. Ein französisches Kommando umringte seine Hütte und nahm ihn gefangen. Man fand bey ihm vier geladene Kugelbüchsen, viel Geld, wenig Nahrung. Er selbst war von Mangel, Kummer und Angst abgezehrt. So wurde er von einer starken militärischen Begleitung unter Trommelschlag durch das Land nach Italien nach Mantua ins Gefängniß gebracht, und daselbst erschossen. In solchen Wassern fangt man solche Fische.
Vorgethan und nachbedacht, hat manchen in groß Leid gebracht.“
 
Ach was, richtig böse bin ich ihm natürlich nicht. Und in der Geschichte gibt es ja immer zwei oder mehr Sichtweisen des Geschehens. Vielleicht konnte ich Ihnen ja mit dieser Erzählung einen Anstoß geben, mal wieder zum Bücherschrank zu gehen und Freund Hebel zur Hand zu nehmen.
 
Ihnen und mir wünsche ich, daß es endlich richtig Frühling wird!

Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker