Er ist eben ein Schelm

Heinz Erhardts "Der Ferienkönig" in Essen

von Frank Becker
Schelm & Co.

Federleichte Unterhaltung für den Feierabend


Regie: Jan Bodinus - Bühne: Horst Neumann - Kostüme: Kara Schutte - Regieassistenz: Hanna Jung - Licht/Ton: Angela Kroll, Christian Sandach - Maske/Garderobe/Requisite: Conny Ruprecht, Nadya Timons
Besetzung: Thomas Glup (Heinz Weiss) - Matthias Bega (Portier Louis) - Tim Niebuhr (Dr. William Morlay) - Klaus-Jürgen Pawöhner (Mr. Puddington) - Marion Schüller (Lady Shearer) - Inka Loiba Bretschneider (Vivian Shearer) - Alexandra Lowygina (Mlle. Dupont)


Ein humoristischer Ausnahmefall

Heinz Erhardt (1909-1979) war ein Ausnahmefall des deutschen Humors. Die Aufzeichnungen seiner Bühnenprogramme und Fernsehauftritte, seine wunderbaren
Kinofilme von 1949 ("Gesucht wird Majora") bis in die 60er und die hundsmiserablen letzten der 70er Jahre, die Schallplatten mit seinen harmlos ulkigen Liedern (vom "Skat-Lied" bis zum "Alten Lord") und seine mal um mal wieder aufgelegten Bücher "Noch´n Gedicht..." u.a. sind Kult und Kulturgut geworden. Dutzende von spätberufenen Epigonen versuchen den genialen Komiker, den niemand kopieren kann, zu kopieren. Das mag u.a. auch daran liegen, daß die Späße Heinz Erhardts schlicht und einfach nur von und mit Heinz Erhardt funktionieren. Und das ist auch die Krux der meisten Kopisten.

Thomas Glup, Marion Schüller


Mit Anstand bewältigt

Nun hat sich der Essener Lokalmatador Thomas Glup daran gewagt, unter der Regie von Jan Bodinus in der von Heinz Erhard nicht nur ins Deutsche, sondern gleichzeitig ins Erhardtsche übertragenen französischen Komödie "Der Vizekönig" von Victor Clement (1901-?) den Erhardt zu geben. Daß er das komödiantische Potential zu solchen Ausflügen hat, ist spätestens seit Shakespeares sämtlichen Werken bekannt. Aber Heinz Erhardt? Glup entledigt sich der verteufelt anspruchsvollen Aufgabe mit Artigkeit und Anstand, läßt in der Komödie um den irrtümlich für einen reichen Kronerben gehaltenen Versicherungsagenten Heinz Weiss das aufblitzen, was den legendären Schelm Erhardt ausgemacht hat. Damit ist er Kern- und Angelpunkt der Inszenierung, die seit dem 2. März dem Theater im Rathaus Essen volles Haus beschert. Daß Glup nicht Erhardts Leibesfülle, Glatze und Pausbacken hat, kann er mit der typischen Hornbrille, der abgewetzten Aktenmappe, vor allem aber mit der bekannten Gestik und Mimik ausbügeln. Dabei nimmt sich Glup dankenswerterweise so weit zurück, daß er nicht als flache Kopie erscheint und bringt mit einigen aktuellen Pointen den Witz á jour. Und doch: noch weniger Erhardt wäre eventuell noch mehr Komödie gewesen.

Alexandra Lowygina schießt den Vogel ab


Das Publikum allerdings honorierte die ansteckend heitere Komik Erhardts - oder Glups? -
 
Alexandra Lowygina, Thomas Glup
besonders bei der nach der Pause zunehmenden Burlesque und dem zunehmenden Tempo mit mehr Gelächter als im ersten Teil, der sich aus einer gewissen Zähigkeit über besagte Pause rettete. Dann aber hatte die Komödie mit ihren engagierten Darstellern das Publikum nicht zuletzt dank einiger Flaschen Jack Daniels sicher im Griff. Matthias Bega
überzeugte sympathisch nachhaltig als nicht immer diskreter Portier Louis, während die Herren Niebuhr als liebenswert verliebter Dr. Morlay und Pawöhner als polteriger Mr. Puddington sowie die Damen Schüller als peinlich zahlungsunfähige Lady Shearer und Bretschneider als ihre Tochter Vivian doch eher marginal, wenn auch nicht unsympathisch blieben.

Den charakterdarstellerischen Vogel schoß eindeutig
Alexandra Lowygina  in ihrer undankbaren Rolle als Concierge Mademoiselle Dupont ab. Konsequent zog sie die Figur des durch Charme und Schönheit unbedingt begehrenswerten, doch hemmungslos Society-süchtigen geldgeilen und opportunistischen Weibs durch, das auch durch die Happy-End-Entwicklungen der Geschichte nicht im geringsten geläutert wird. Eine wirkliche Ausnahme-Erscheinung. Man wäre gut beraten, ihr echte Charakterrollen anzubieten.

Ein unterhaltsamer Abend, gestopft voll von sattsam bekannten Erhardt-Kalauern, der im zweiten Teil ordentlich Fahrt gewinnt. Gute Unterhaltung nach einem öden Büro-, Werkstatt-, Pütt- (gibts das überhaupt noch?) und sonstwie- Arbeitstag.
"Der Ferienkönig" wird im Theater im Rathaus Essen nur noch bis zum 18. April aufgeführt.
Schnell hin.

Weitere Informationen unter:
www.theater-im-rathaus.de