Musikstunde

Über Ludwig van Beethoven (4)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Musikstunde

Über Ludwig van Beethoven (4)


Guten Morgen, liebe Beethoven-Fans,

heute haben wir ihn nach vielen anekdotenreichen Ausflügen schließlich doch noch auf der Rechnung: Anton Diabelli!
 
Beethoven hatte natürlich auch zugesehen, eine einigermaßen abgesicherte Einkommenslage zu bekommen und hat da auch recht erfolgreich agiert: als 1808 Jerôme Bonaparte, Napoleons Bruder, König von Westfalen wurde mit Sitz in Kassel - Kassel, nicht Niederkassel! - und Beethoven eine Anstellung als Kapellmeister anbot, hat Ludwig damit virtuos gezockt. Er hat sofort verbreiten lassen, daß er nunmehr nach Kassel gehen werde, weil er in Wien zu wenig Sicherheit geboten bekomme und es hat funktioniert. Die Gerüchte haben eingeschlagen wie eine Bombe, Gräfin Erdödy ist sofort aktiv geworden und hat überlegt, wie man Beethoven zum Hierbleiben überreden können und kam auf die Idee, daß das nur mit Geld geschehen könne. Der Baron von Gleichenstein (verwandt mit den Gleichensteins vom Weingut am Kaiserstuhl, Sie wissen schon: die Baßgeige!) setzte einen Vertrag auf, der besagte, daß Beethoven jährlich 1.500 Florin vom Erzherzog Rudolph, 700 Florin vom Fürsten Lobkowitz und 1.800 Florin vom Fürsten Kinsky erhält und als Gegenleistung dafür in Wien zu bleiben hat.
 
Also 4000 Florin im Jahr: zum Vergleich: Beethovens Bruder Johann hatte als Staatsbeamter ein Jahresgehalt von 250 Florin! Da kam die Kühmerei bei den Wienern nicht wirklich toll an, was man ja auch verstehen kann, bzw. Beethoven ging es finanziell nicht besonders gut, das aber auf hohem Niveau! Er hat ja mit dieser Kühmerei selbst Rossini erheblich beeindruckt, als der ihn 1822 in Wien besuchte. Rossini erzählt vom Besuch und davon, was er als Reaktion darauf unternahm:
 
„An diesem Abend war ich bei einem Gala-Diner des Fürsten Metternich. Das wehleidige ’Un infelice!’ klang mir noch in den Ohren und der ganze Besuch schwang noch in mir nach und ich konnte mich nicht dagegen wehren, eine gewisse Verwirrtheit zu empfinden, als ich sah wie aufmerksam ich nun von dieser Wiener Gesellschaft behandelt wurde; dies führte dazu, daß ich beherzt und ohne Zurückhaltung laut erklärte, was ich vom Hof und der Aristokratie hielt und von ihrem Verhalten gegenüber dem großen Genie unserer Epoche, der so wenig benötigte und doch in solchem Elend lebte. Ich bekam genau dieselbe Antwort, wie sie mir schon Carpani gegeben hatte.
Trotzdem verlangte ich von ihnen zu wissen, ob nicht Beethovens Taubheit das größte Mitleid verlangte, ob es wirklich menschenfreundlich sei, ihn für seine Schwächen zu verabscheuen und ihm Hilfe zu verweigern. Ich fügte hinzu, daß es doch so einfach wäre, ihm Geld bis an sein Lebensende zukommen zu lassen, durch eine kleine Summe, für die jeweils eine der reichen Familien zeichne und die man zusammenkommen lassen könnte. Nicht eine Person unterstützte meinen Vorschlag.[1]
Der Abend endete nach dem Diner mit einem Empfang der höchsten Namen der Wiener Gesellschaft in Metternichs Salon. Es gab auch ein Konzert. Eines von Beethovens neueren Trios stand auch auf dem Programm - immer er, überall er, wie man auch von Napoleon sagte. Mit religiöser Andacht wurde dem neuen Meisterwerk gelauscht und es wurde ein voller Erfolg. Wie ich es so inmitten all dieser weltlichen Reichtümer hörte, dachte ich traurig daran, daß der große Mann vielleicht eben jetzt - in der Isolation seiner Bude in der er hauste - ein Werk voll hoher Inspiration vollendete, das, wie seine früheren Werke schon, dazu bestimmt sein könnte, in vollendeter Schönheit in dieser aristokratischen Gesellschaft Aufnahme zu finden, von der er ausgeschlossen war und die so gar nicht beunruhigt war von der Misere des Mannes, der ihnen diese Freuden bereitete.
Obwohl ich keinen Erfolg hatte mit meinem Plan ein jährliches Einkommen für Beethoven aufzubringen, habe ich dieses Vorhaben nicht fallen lassen. Ich wollte zumindest Geld auftreiben, um ihm einen Ort zum Leben zu kaufen. Zwar bekam ich einige Versprechen mir etwas beizusteuern; aber selbst als ich von meinem eigenen Geld dazu gegeben hatte, war das Ergebnis mittelmäßig. Also mußte ich auch dieses zweite Projekt aufgeben. Meistens bekam ich die Antwort: ‚Sie kennen Beethoven  zu schlecht. Sobald er das Haus bekäme, würde er es wieder verkaufen. Er wüßte gar nicht, wie er sich an nur einem Platz wohl fühlen sollte; denn er wechselt seine Bleibe alle sechs Monate und seine Bediensteten alle sechs Wochen.’“
 
Soweit Rossini. Kommen wir aber nun zu den Variationen über ein Thema von Diabelli bzw. den „Dreiunddreißig Veränderungen über einen Walzer von Diabelli“. Und das auch noch in C-Dur! Dieses Werk, opus 120, ist das letzte große Klavierwerk aus der Feder Beethovens. Und es ist ihm unter den Händen zu einem gigantischen Werk gewachsen, eines, neben dem nur noch die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach bestehen können.
 
Anton Diabelli war Verleger und Musiker. Geboren am Mattsee blieb er auch als Charakter der Gemütlichkeit dieser Gegend treu, auch wenn er in Wien lebte. Er sollte eigentlich Geistlicher werden und trat auch ins Zisterzienserkloster in Raitenhaslach ein, komponierte aber als Schüler von Michael Haydn brav weiter. 1803, da war unsere Diabelli 22 Jahre alt, löste Napoleon die bayerischen Klöster auf, auch Raitenhaslach und das wars dann mit der Geistlichkeit. Er ging auf Empfehlung Haydns als Klavier- und Gitarrenlehrer nach Wien - Gitarre war damals ein ungemein populäres Instrument für das Diabelli übrigens einige schnuckelige Sonatinen geschrieben hat. Nebenbei fing er bei einem kleinen Musikverlag, der Firma Steiner, als Korrektor an. Da lernte ihn Beethoven kennen, der von ihm wohl nicht sehr viel hielt, denn er nannte Diabelli: „Generalprofoss und diabolus diabelli“, wahrscheinlich hielt er Diabelli für einen Vertreter der Spezies, die er wie keine andere haßte: die Korinthenkacker. Nun war der diabolus Diabelli aber recht erfolgreich und gründete bald seinen eigenen Musikverlag, der überaus gut funktionierte, bis zu seinem Tod im Jahre 1858.


[1] Diese Indifferenz - fast schon kriminell - die die Wiener Gesellschaft Beethoven und seiner mißlichen Lage entgegenbrachte, ist um so weniger verständlich, bedenkt man, daß zu diesem Zeitpunkt die veröffentlichten Werke des Meisters 111 zählten, darunter die Symphonien 1 bis 7, Fidelio, Quartette, Trios, fast alle Klavierstücke, etc. Und diese Stücke erfreuten sich überall größter Beliebtheit.


Und es geht nächste Woche spannend weiter mit unserem großen Meister Ludwig van Beethoven und mit Anton Diabelli.

Ich freue mich auf Sie!
Ihr
Konrad Beikircher
 


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker