Musikstunde

Über Ludwig van Beethoven (3)

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Musikstunde

Über Ludwig van Beethoven (3)


Liebe Leser meiner dienstäglichen Kolumne in den Musenblättern,

jetzt sind wir Ludwig van, dem alten Schlitzohr, ja schon etwas näher gekommen. Erfahren Sie heute,
mit welcher Rafinesse er seine Kompositionen vermarktet hat - und die unter Ihnen, die sich für abgebrüht gehalten haben, werden etwas zurückstecken.
Ludwig van Beethoven war, sobald es sich um Geld drehte, ein genialer Kühmer. Es ist geradezu unglaublich, wie verzerrt er seine finanzielle Situation sehen konnte, wenn er sie einem anderen schildern sollte. Nun waren die Zeiten sicher schwierig, Beethoven mußte sehen, wie er als quasi Selbständiger zu Kohle kam, er hatte allerdings auf diesem Gebiete immer wieder geniale Ideen.
Was man dazu wissen muß: Haupteinnahmequelle war der Notenverkauf. Und da nun konnte man - und Beethoven tat dies weidlich - die politisch-geographischen Gegebenheiten nutzen: die Verleger hatten nämlich unterschiedliche Verbreitungsmöglichkeiten und existierten in unterschiedlichen Ländern: Simrock in Bonn z.B. war auf französischem Territorium, er konnte Noten auch in Frankreich verkaufen, was z.B. Breitkopf und Härtel von Leipzig aus nicht konnte.
 
Und dann war da noch der englische Markt, den Muzio Clementi beherrschte und an den Beethoven mit viel Erfolg Werke verkaufte. Kurz und gut: man mußte sich schon auskennen im rechtlichen Gewirr, konnte aber dann - und Ludwig war da virtuos - ein Werk gleichzeitig an einen französischen, englischen, deutschen und österreichischen Verlag verkaufen. Manchmal hat er ein bißchen übertrieben, was dann dazu führte, daß Simrock in Bonn ihm die kalte Schulter wies und Breitkopf & Härtel ein paar Jahre nicht mehr mit ihm sprach, aber dann fingen sie sich wieder. Das hatte damit zu tun, daß die Verlage untereinander im damaligen rechtsfreien Raum geheime Absprachen trafen, wie man sich den Markt aufteilen wolle - und alles in allem hat es ja auch ganz gut gehalten. Darüberhinaus aber tat uns Ludwig noch andere Einnahmequellen auf und wie das war, habe ich mal in einem Gespräch zusammengestellt, einem fiktiven natürlich, das Meister Marcel Reich Ranicki - der übrigens ein hervorragender Musikkenner ist - mit unserem Ludwig führte: ein Gespräch zum Thema Kühmen, worin Beethoven Weltmeister war:
 
MRR: Kommen wir zum Thema „armer Tropf“, verehrter Meister: - "armer Tropf", was Sie ja in diesem Sinne nie waren...
 
van B.: Wer hat Ihnen dann dat Märchen erzählt? Wissen Sie eijentlich, wat ich mein Leben lang für Schulden am Hals hatte? Wat habe ich für Kämpfe mit Verlegern ausfechten müssen, damit die einen nicht übers Ohr hauen! Die größten Kompositionen mußte man wie sauer Bier diesen Geldsäcken anbieten...
 
MRR: Was Sie ja auch weidlich getan haben. Manche Werke haben Sie ja - mit Erfolg - gleich vier oder fünf Verlegern gleichzeitig verkauft.
 
van B.:Ja, jot, aber dat war damals ja auch esu üblich, ne. Ich meine: man hat jetan, wat man konnte. Sie müssen ja auch die Wechselkurse bedenken, ne: dat war net esu wie heute, wo die Bank alles erledigt. Da waren ja Verbrecher dabei, die einem die genaue Summe geschickt haben, aber in einer Währung, die keinen Pfifferling mehr wert war, ne.
 
MRR: Das mag sein, in der Verwirrung der napoleonischen Kriege zum Beispiel...
 
van B.: Jenau. Also wenn man da nicht aufjepaßt hat, war man der Betrogene, ne. Ich meine: dat war damals schon so, dat man nicht nur Künstler, sondern auch halber Kaufmann sein mußte, ne...
 
MRR:  Was dazu führte, daß Sie immer wieder die großen Verleger Ihrer Zeit gegeneinander auszuspielen versuchten...
 
van B.: Ja, hehe, wie soll ich sagen: dat hab ich schon jezockt, ne, hat ja teilweise auch Spaß jemacht, hehe, denn Herren dat Fell über die Ohren zu ziehen, hehe. Ich meine, wenn man da nicht firm war, dann war man verloren.
 
MRR: Sie haben Geld daraus gemacht, daß Sie Ihre Werke gleichzeitig verschiedenen Verlegern verkauften, damit aber nicht genug: Sie ließen auch extra Kopien anfertigen, die für 50 Gold-Dukaten über den Ladentisch gingen ...
 
van B.: Nix Ladentisch. Diese Kopien habe ich nur Kaisern und Königinnen anjeboten, ne.
 
MRR: Mit Erfolg?
 
van B.: Och jo, et jing.
 
MRR: Und Sie haben obendrein noch diese Werke zur Subskription angeboten, auch das mit Erfolg.
 
van B.: Naja, nicht immer, ne, aber manchmal hat es jeklappt! Hehe. Aber Sie haben noch wat verjessen
 
MRR: Was, bitte schön?
 
van B.: Die Widmungen. Ich meine, ich hab ja immer geguckt, die größeren Werke so zu widmen, dat wat dabei eraussprang, ne.
 
MRR: Und es hat sich gelohnt?
 
van B.: Dat kann ich Ihnen aber flüstern, hehe.
 
MRR: Heute würde man sowas arglistige Täuschung oder Betrug nennen...
 
van B.: Och jo, da sind große Worte schnell bei der Hand. Dat hab ich gern: Bei meiner Neunten Sinfonie in Tränen ausbrechen aber dann nach Steuerhinterziehungen fahnden oder wat. Also ich meine: Muß ich mich dann jetzt von Ihnen do quasi als Verbrecher hinstellen lassen?
 
MRR: Aber verehrter Meister, so ist das nicht gemeint, ich bitte Sie, es ist die Neugier Bewunderers, was sage ich, des Hingerissenen, der einem Genie, wie Sie es waren, dadurch etwas näherkommen möchte, indem er dem Alltagsmenschen in Ihnen nachzuspüren versucht.
 
van B.: Wat natürlich Quatsch is
 
MRR: Wieso dieses?
 
van B.: Weil dat Werk eines Künstlers entweder is oder nicht is. Und alles andere is uninteressant
 
MRR: Sagen Sie das nicht, verehrter Meister. Es befördert das Interesse des Publikums ungeheuer, wenn der Mensch hinter dem Künstler ebenso interessant ist wie der Künstler selbst. Und dies wiederum bedeutet volle Konzertsäle. Aber da sage ich Ihnen ja nichts Neues. Haben doch Sie selbst auch immer wieder virtuose Werbe-Strategien entwickelt, um die Säle zu füllen und Ihre Partituren zu verkaufen. Ich erinnere mich da an Vorschläge, ein Musikgeschäft mit einer Kneipe zu verbinden, um dem Publikum in der zwangsläufig entstehenden Weinseligkeit einige Partituren mehr andrehen zu können...
 
van B.: Hehe. Aber Sie müssen auch zujeben, dat dat eine brilliante Idee war, ne?
 
Soweit Marcel und Ludwig. Wir kontern mit der sogenannten Wut über den verlorenen Groschen – Rondo a capriccio G Dur. Und nächste Woche endlich Diabelli. Versprochen!

Es dankt für Ihre Geduld
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker