„Die Konferenz der Tiere“

Christine Gülland und Wolfgang Eysold lesen Erich Kästner

von Frank Becker

© Europa Verlag 1949
Treffpunkt Kamin
im Westdeutschen Tournee Theater
 
Christine Gülland und Wolfgang Eysold
lesen Erich Kästners „Die Konferenz der Tiere“
 
 
Remscheid. Es ist ein schmales, nichtsdestoweniger wichtiges Buch, das Erich Kästner (1899-1974) im Jahr 1949 vorgelegt hat: seine Parabel „Die Konferenz der Tiere“, von Walter Trier damals herrlich illustriert und viel zu oft als Kinderbuch mißverstanden und abgetan, richtete vier Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg mahnend den Blick auf neue bewaffnete Konflikte. Durch die Augen der Tiere betrachtete Kästner das Schicksal der Kinder Welt. Ein Stoff, der 60 Jahre später aktueller denn je ist, denn Kinder sind die unschuldigsten Opfer einer Vielzahl weltweit zunehmender militärischer Konflikte und terroristischer Anschläge. Sie werden als Soldaten mißbraucht und als Arbeitssklaven ausgebeutet, in einigen Kulturen noch immer rituell verstümmelt und als Mädchen zur Kind-Ehe mit älteren Männern gezwungen, anderswo oft elternlos sich selbst und der Gewalt skrupelloser Militärs, Zuhälter und Geschäftemacher überlassen.
 
In diese entsetzlichen Richtungen konnte Erich Kästner 1949 noch gar nicht denken, als er nach den eben überstandenen Schrecken der Nazi-Herrschaft und der 55 Millionen Toten des Krieges in seiner Geschichte die Tiere eine Konferenz abhalten ließ, die damit endet, daß die Tiere die Kinder entführen und so lange vor ihren Eltern verstecken, bis die Erwachsenen ein Einsehen haben und weltweit Frieden schließen. Solche Gedanken brauchen wir heute dringender als je, denn – wann wird das endlich verstanden – Kinder sind die schutzlosesten, zugleich schützenswertesten Wesen auf unserem Blauen Planeten. Sie sind aber auch die Zukunft, die wir durch sie gestalten. Christine Gülland und Wolfgang Eysold gaben in ihrer gekürzten Lesung im Westdeutschen Tournee Theater den Tieren Gestalt, lasen im heiter-ernsten Ton Kästners die Geschichte aus einer Zeit, als man

Wolfgang Eysold, Christine Gülland - Foto © Frank Becker
Ferngespräche noch anmelden und dann brüllen mußte, um verstanden zu werden. Brüllen muß man heute nicht mehr, doch das Verständnis ist trotz moderner Übertragungstechnik nicht besser geworden.
 
Kästner beklagt mahnend den Verlust, mehr noch: den Raub der Kindheit und der kindlichen Unschuld, wie Friedrich Hölderlin es 1797 in seinem „Hyperion“ getan hat: „...und eh es die Natur aus seinem Paradiese treibt, so schmeicheln und schleppen die Menschen es heraus, auf das Feld des Fluchs, daß es wie sie im Schweiße des Angesichts sich abarbeite.“
„Sie müssen aufhören, denn sie können aufhören, deshalb sollen sie aufhören!“ ist der Appell Kästners an die Welt. Er ist bis heute ungehört verhallt.
 
Nächste Kästner-Termine im WTT am 14. und 21. März, jeweils 16.00 Uhr
Weitere Informationen unter: www.wtt-remscheid.de