Großes Solo für Heinz

Iwona Jera inszeniert in Wuppertal "Fleisch ist mein Gemüse"

von Frank Becker

Foto © Frank Becker 
Großes Solo für Heinz
 
Iwona Jera zerlegt Heinz Strunks
„Fleisch ist mein Gemüse“
 
Die Aufführung trägt nicht zur Verbesserung der Situation des Wuppertaler Schauspiels bei.
 
Inszenierung: Iwona Jera – Bühne: Sandra Linde – Kostüme: Dorien Thomsen  - Komposition & musikalische Leitung: Christoph Titz – Dramaturgie: Sven Kleine - Fotos: Sonja Rothweiler
Besetzung: Daniel Breitfelder (Heinz) – Maria Ammann (Klara) – Lutz Wessel (Gurki/Psychiater) – Andreas Ramstein (Norbert) – Soeren Messing (Jens) – Franca-Lena Casabonne (Rosemarie) – Isabell Dachsteiner (Frauke) – Angela Weinzierl (Dr. Vogel) – Lisa Bihl (Enzyklopädistin)
Eine Koproduktion mit der „Schule des Theaters“ im „Theater im Keller, Köln“
 
Gute Vorlage
 
Der Roman, den Heinz Strunk über eine „Landjugend mit Musik“ in den 80ern halb autobiographisch geschrieben hat war ein Bestseller, auch das Hörbuch von „Fleisch ist mein Gemüse“ verkaufte sich gut, und der Film von Christian Görlitz, der vor zwei Jahren in den Kinos angelaufen ist, hatte Format, durchaus Erfolg und das Zeug zum Kultfilm. Es geht um das eher verkorkste Leben des mäßig begabten Musikers Strunk, dessen Ventil und Fluchtweg aus dem Harburger Vorstadt-Elend die bei Garten-, Familien und Vereinsfesten aufspielende Tanzband „Tiffany“ sein soll. Das ist im Buch gut erzählt und im Film hautnah mit intelligenten Bildern umgesetzt. Dabei hätte man es bewenden lassen sollen.
 
Supergut? Nö.
 
Nun hat aber Iwona Jera, die u.a. in Erlangen und Nürnberg mit Fortune inszeniert hat, die fatale Idee

Messing, Casabonne, Breitfelder, Weinzierl, Dachsteiner
- Foto © Sonja Rothweiler
gehabt, mit Hilfe von Sven Kleine ein Bühnenstück der etwas anderen Art daraus zu machen, und es auch gleich selbst in Szene zu setzen. Diese Idee war nicht „supergut, ne?“ -  nicht einmal gut. Und daß nämliches Stück von den Wuppertaler Bühnen eingekauft wurde, spricht nicht für Umsicht bei der Auswahl. Daß es ausgerechnet jetzt, in einer höchst brisanten Situation für die Schauspielsparte in Wuppertal aufgeführt wird und das Publikum anstatt es zu begeistern  verprellt, ist kontraproduktiv für das engagierte Theater. Es hat schon seinen Grund, daß Zuschauer während der Vorstellung im Kleinen Schauspielhaus aufstehen und festen Schrittes den Saal verlassen. Ich hörte Besucher, die nur aus Höflichkeit den Schauspielern gegenüber geblieben sind. Womit wir beim Positiven sind.
 
Krude Aufarbeitung
 
Eine engagierte und mit vollem Einsatz spielende Truppe aus Wuppertaler Ensemble-Mitgliedern (Ramstein, Breitfelder, Wessel) und Gästen (Ammann, Messing, Casabonne, Dachsteiner, Weinzierl, Bihl), darunter Schüler der zum Kölner „Theater im Keller“ gehörenden Schauspielschule, lieferte in beinahe atemlosen zwei Stunden (keine Pause, keine Möglichkeit zur unauffälligen Flucht!) hervorragende Ensemble- und Einzelleistungen ab, wobei Daniel Breitfelder eine solitäre Stellung in seinem "Großn Solo für Heinz" einnahm und sich die ungeteilten Sympathien des Publikums sicherte. Das Stück an sich allerdings wird nach anfänglichem Aufmerken beim einleitenden „Alles supergut,

Wessel, Ramstein, Messing, Ammann, Dachsteiner, Casabonne
 - Foto © Sonja Rothweiler
ne?“-Chorus mit Choreographie sehr schnell langweilig, ja  zusammengeschustert nervtötend. Ab der 20. Minute, als die Luft aus dem anfänglich kräftig aufgeblasenen Ballon herausgezischt ist, wird es schwierig, noch Verständnis für die krude Aufarbeitung der literarischen Vorlage zu finden. Man schaut sich im Saal um, den Nachbarn an – und sieht Ratlosigkeit.
 
Quälende Frage
 
Die quälende Frage: „Wie soll das zwei Stunden lang halten?“ bleibt unbeantwortet. Es zerfasert sich in teils witzige, überwiegend aber gequälte, sinnfreie Einzelszenen ohne Stringenz und weit ab jeder Logik. Es hält nicht. Was es aber deutlich sichtbar ist: ein schönes Übungsstück für Schauspielschüler (sic!). Es passiert zwar ständig etwas auf der Bühne, es wird viel gesprochen (viel Text wird aus dem Off eingespielt) und kaum noch zu zählen ist die gehäufte Feststellung, das alles „geil“ ist. Auch dilettieren die Schauspieler, teils sogar passabel, wie Lutz Wessel am Saxophon, in allerlei Musiknummern wie „Marina“ und „An der Nordseeküste“ als Tanzband „Tiffany“ an allerlei Instrumenten – doch stets steht die Frage im Raum, wem das wohl nützen, gefallen oder Spaß machen soll. Dem Publikum offenbar nicht und dem disziplinierten Ensemble war auch nur anfangs eine gewisse Freude anzumerken. Eigentlich verschwendete Zeit für alle. Und: Die Aufführung trägt nicht zur dringend nötigen Korrektur der Schieflage des Wuppertaler Schauspiels bei. Schade.
 
Weitere Informationen unter: www.wuppertaler-buehnen.de  sowie: