"My Fair Lady" im 50er Jahre-Glanz

In Gelsenkirchen überzeugt Peter Hailers Inszenierung

von Andreas Rehnolt
"My Fair Lady" glänzt im Gelsenkirchener Musiktheater
 
Peter Hailers Inszenierung des Musicals von Frederick Loewe und Alan J. Lerner   überzeugt durch ein tolles Ensemble, Ohrwürmer und ein hinreißendes 50er Jahre Bühnenbild
 
Regie: Peter Hailer - Musikalische Leitung: Johannes Klumpp - Bühne: Etienne Pluss - Kostüme: Uta Meenen - Choreographie: Kati Farkas - Fotos: Pedro Malinowski
Besetzung: Judith Jakob (Eliza Doolittle) - Joachim G. Maaß (Henry Higgins) - Wolfgang Häntsch (Hugh Pickering) - Michael Tews (Alfred P. Doolittle) - E. Mark Murphy (Freddy Eynsford-Hill) - Ute Zehlen (Mrs. Higgins) - u.a.m.
- Philharmonie Westfalen


Die immergrüne Geschichte
eines liebenswerten Rinnsteingewächses


Judith Jakob  - Foto © Pedro Malinowski

Vor vollbesetztem Haus hat die immergrüne Geschichte von "My fair lady" am 30. Januar eine glanzvolle Premiere im Gelsenkirchener Musiktheater erlebt. Bei der rund dreistündigen Inszenierung von Peter Hailer stimmte einfach alles. Sehr gute Solisten, ein begeistertes Ensemble, sämtliche musikalischen Ohrwürmer des Musicals von Frederick Loewe und Alan J. Lerner sowie wunderschöne Kostüme zu einem maßgeschneiderten Bühnenbild im Stil der 50er Jahre. Schon die erste Szene, die uns auf der Theaterbühne des Musiktheaters im Revier (MiR) den Vorplatz der Londoner Oper zeigt, in dem die Zuschauer soeben "Lohengrin" gesehen haben, stimmt herrlich auf die Story ein. Nebelschwaden, Bauhaus-Laternen, rausgeputzte Theatergänger und das Blumenmädchen Eliza, die vergeblich versucht, ein paar Sträußchen zu verkaufen.
 
Mit ihrer holprigen Sprache erregt das hübsche "Rinnsteingewächs" (Judith Jakob) natürlich die Aufmerksamkeit des Phonetikprofessors Henry Higgins (wie immer wunderbar: Joachim G. Maaß) und des ebenfalls an Sprachen hochinteressierten Oberst Hugh Pickering (very british: Wolfgang Häntsch). Beide nehmen sich vor, Eliza in einem halben Jahr sprachlich und vom Auftreten her zu einer Lady zu stylen, und sie willigt tatsächlich ein. Vater Doolittle, von Michael Tews vom Dialekt her sowohl dem Revier als auch der Waterkant zuzuordnen, versäuft derweil das von der Tochter geschnorrte Geld und lallt dazu samt einiger Trink-Kumpane "Mit 'nem kleen' Stückchen Glück...." Unglaublich, wie viele tanzende und singende Chormitglieder die kleine Londoner Kneipe da auf die Bühne spuckt.
 
Wart´s nur ab, Henry Higgins...


Joachim G. Maaß, Judith Jakob  - Foto © Pedro Malinowski
Das Arbeitszimmer des Professors ist ein einziges museal anmutendes Tonstudio mit etlichen Tonband-Geräten, Trichtern und einem gewaltigen Lautsprecher, der von Bühnenbildner Etienne Pluss wie eine überdimensionierte Bahnhofs-Uhr in den Zuschauerraum strahlt. Und dort quält Higgins Eliza bis tief in die Nächte mit Sprachübungen. Was anfangs grin grint, grünt später grün und grüner. Und Eliza wächst, ihr Wortschatz ebenso wie ihr Selbstbewußtsein. Während der eingefleischte Junggeselle Higgins mit "Laß ein Weib an dich heran..." betont frauenfeindlich den Ton angibt, weiß die hübsche Blumenverkäuferin schon lange: "Warts nur ab, Henry Higgins...". Nach einer hinreißenden "Generalprobe" beim Pferderennen in Ascot, bei dem Eliza unter anderem Higgins Mutter kennenlernt, schafft sie die "Premiere" beim Diplomatenball wie eine Eins.
 
Während die MiR-Zuschauer nach der Pause wieder ihre Plätze eingenommen haben, ist es gegen 3.00 Uhr früh auf der Bühne. Higgins und Pickering sind recht angetrunken und loben sich gegenseitig über den gr(i)ünen Klee, daß sie Eliza so haben verändern können. "Sie sind's, der das geschafft hat..." singt der Oberst und als der Professor zu Eliza sagt, ihm sei es egal, was sie von jetzt an machen werde, da sucht die Hübsche nicht das Weite, sondern zunächst wieder den Opernvorplatz, wo die Gemüseverkäufer sie für 'ne feine Dame halten, sie nicht wiedererkennen und ihr wieder mal betrunkener Vater sein Hochzeitslied "Bringt mich pünktlich zum Altar" trällert. Zu dem führt offensichtlich auch Oberst Pickering die Hausdame von Higgins, Mrs. Pearce.
 
Happy End á la Tucholsky
(Es wird nach einem happy end im Film jewöhnlich abjeblendt...)

J. Jakob, Wolfgang Häntsch, Joachim G. Maaß
Foto © Pedro Malinowski

Und am Schluß? Da sitzt der überhebliche Professor in einem fast schon verlotterten Arbeitszimmer und gesteht sich selbst: "Ihr bin gewöhnt an ihr Gesicht". Und tatsächlich geht da die Türe auf, Eliza kommt herein, schaut sich um und .... Nein, kein Um-den-Hals-Fallen und im Glück-Versinken. Vielmehr bindet sie sich ob des Chaos im Haus die Schürze um, und er fragt in säuerlichem Tonfall: "Wo zum Teufel sind meine Pantoffeln?" Der Applaus am Premierenabend war lang anhaltend, laut und ehrlich und galt allen Akteuren auf der Bühne, einer sauber aufspielenden Philharmonie Westfalen unter der musikalischen Leitung von Johannes Klumpp und natürlich dem Regisseur, dem Bühnenbilder und der für die wunderbaren Kostüme verantwortlichen Uta Meenen.
 
Nächste Aufführungen:

6., 13., 14., 20. und 21. Februar.

13., 25. und 28. März

Redaktion: Frank Becker