Ein Filmkunstwerk ersten Ranges

Heinrich Manns "Der Untertan" jetzt auf DVD

von Frank Becker
...wollen wir, bevor wir zur Sache selbst kommen

"Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt..." Heinrich Mann (1871-1950) erzählt in seinem Roman "Der Untertan" die Geschichte eines Mannes, eines stets von Angst beherrschten Karrieristen, eines "junkerlichen Bürgers" der von klein auf lernt, ja dazu erzogen wird, nach oben zu buckeln, nach unten zu treten, der vor dem Adel den Rücken beugt, die Arbeiter seines Betriebes ausbeutet und der ein untrügliches Gespür dafür entwickelt, daß Ehre ein Begriff ist, den man nach Bedarf auslegen kann.

Ohne Zweifel gehört Wolfgang Staudtes Verfilmung von Heinrich Manns Roman "Der Untertan" zu den größten Werken deutscher Filmkunst des 20. Jahrhunderts.
Drehbuch, Regie, Besetzung, Schnitt, Kommentar und Ausstattung verschmelzen zu einer perfekten Einheit. Daß er jetzt bei Arthaus in die Edition Deutscher Film aufgenommen worden ist, zeigt die Wertschätzung, die dem Streifen nicht nur von Cineasten, sondern auch seitens der Filmwirtschaft entgegengebracht wird. Sicher, die 1951 von der ostdeutschen staatlichen Filmproduktion DEFA gedrehte Romanverfilmung ist auf gewisse Weise tendenziös und klassenkämpferisch, sie legt mitunter stärkeres Gewicht auf weltanschaulich aufgewertete Aspekte, als es das Buch vorgibt. Es bleibt dennoch ein bis in die Chargen hervorragend besetzter Film von höchstem Rang mit einem fulminant aufspielenden Hauptdarsteller, der darin die Rolle seines Lebens spielen durfte - und es unvergessen tat: Werner Peters (1918-1971).

Den Gang Diederich Heßlings durch eine behütete Kindheit, die Schule, die Studienzeit als Corps-Student, als Einjährig Freiwilliger in des Kaisers Ehrenkleid und schließlich seine Entwicklung zum Geschäftsmann als Besitzer des vom Vater geerbten Betriebes und zum Politiker mitzugehen, ist auch beim wiederholten Anschauen ein exorbitanter cineastischer Genuß. Wolfgang Peters verkörpert Heßling, seinen schwächlichen Charakter, seine Angst, seine Hochmut und seine Liebedienerei wie es kein anderer besser gekonnt hätte. Daß er später im Westen fast nur noch Schurken in zweitklassigen Krimis spielte
, war eine Verschwendung seiner Kunst. Neben ihm glänzen Paul Esser als machtbewußter Regierungspräsident, Hans-Georg Laubenthal als Zimmerherr Mahlmann und Rivale Heßlings und bewegend Friedrich Maurer als Vater der von Heßling geschwängerten und verleugneten Agnes Göpel. Dies weiche, leichtgläubige Wesen wird übrigens von Sabine Thalbach (Mutter von Katharina Thalbach) gespielt.

Roman wie Film sind die Abrechnung mit der Dekadenz einer Zeit, die man 1951 in der DDR überwunden glaubte. Heinrich Mann hat die brillante Umsetzung seines Buches nicht mehr erlebt. Ein Film, der als Zeitzeugnis neben Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns",
Kurt Hoffmanns "Wir Wunderkinder", Bernard Wickis "Die Brücke",  Joachim Kunerts "Die Abenteuer des Werner Holt" und Robert A. Stemmles "Berliner Ballade" in keiner anspruchsvollen Videothek fehlen und nach wie vor zum Pflichtprogramm an Schulen gehören sollte.

Beispielbild

Der Untertan
Ein Film nach dem Roman von Heinrich Mann
 
Darsteller:
Werner Peters als Diederich Heßling
Paul Esser als Regierungspräsident
Renate Fischer als Guste Daimchen
Hans-Georg Laubenthal als Mahlmann
Sabine Thalbach als Agnes Göpel
Friedrich Maurer als Agnes' Vater
Gertrud Bergmann, Emmy Burg, Erich Nadler, Carola Braunbock, Harry Riebauer, Ernst Legal, Eduard von Winterstein
 
Regie: Wolfgang Staudte
Drehbuch: Wolfgang Staudte, Fritz Staudte
Kamera: Robert Baberske
Technische Angaben
Bild: 1,33:1 (4:3 Vollbild)
Sprache: Deutsch, Mono

DVD Digipak 1er
DDR (DEFA) 1951, ca. 104 Minuten
FSK 12
 
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