Mahlzeit!

Neue Werbefilm-Collagen über den deutschen Alltag vergangener Jahrzehnte

von Frank Becker

Ja, so war das damals!


         

Hauptrolle: Hausfrau!
Eine Werbefilm-Collage von Wolfgang Dresler
Edition Werbeklassiker
Gesamtzeit ca. 50 Minuten
© 2009 Tacker Film
  Mahlzeit! Lebensmittel im Werbefilm
Eine Werbefilm-Collage von Wolfgang Dresler
Edition Werbeklassiker
Gesamtzeit ca. 55 Minuten
© 2009 Tacker Film


Ein köstlicher Blick zurück

Wolfgang Dresler, Spezialist für Werbung insbesondere der 1940er bis 1960er Jahre, hält mit seiner einzigartigen Produktionsgesellschaft „Tacker Film“ und mit Hilfe sorgfältig zusammengestellter Filmstreifen der Kino- und Fernseh-Produktwerbung seit Jahren bei denen Erinnerungen wach, die „dabei“ waren und er öffnet den Nachgeborenen damit ein Fenster zu einer Welt, die sie ohne diese Bilder und Kommentare nie verstehen würden - obwohl gerade mal höchstens 60 Jahre darüber vergangen sind. Das tägliche Leben hat sich durch technische Neuerungen und gesellschaftlichen Wandel seither permanent und grundlegend verändert, ja vieles, was in den alten Werbestreifen als die Neuerung vorgestellt wird, reizt heute zum Lachen, weil zwischenzeitlich längst überholt.

Zwei neue themenbezogene DVDs der „Edition Werbeklassiker“ sind jüngst verdienstvoll zum Œuvre von Tacker Film getreten: „Hauptrolle: Hausfrau!“ und „Mahlzeit“ - Lebensmittel im Werbefilm“. Natürlich schauen wir heute amüsiert zu, wenn uns Frauen- und Gesellschaftsbilder vermittelt werden, die nachgerade anachronistisch sind. Gleichzeitig aber begreifen wir auch, woher wir kommen und was wir am Heute haben. Die (Haupt-)Rolle der Hausfrau im täglichen Leben wird in den rund 50 Minuten der Zusammenstellung gleichen Titels historisch und unterhaltsam untersucht. Wolfgang Dresler ist sogar bis in die 20er Jahre zurückgegangen, um ein möglichst gültiges und breites Spektrum zu schaffen. Umso deutlicher wird der Wandel bis in die 70er Jahre, mit denen die Collage endet. Hausputz, Waschtag, Einkaufen, Küche, Träume, Abwasch, Hausmann, Epilog - das sind die acht unterhaltsamen Kapitel, in welchen Wolfgang Dresler mit seiner repräsentativen Dokumentation ein nachvollziehbares Bild der umrissenen Zeiträume vermittelt. Wir erleben mit, wie das Leben der Hausfrau durch den Einzug von neuartigen Helfern wie Waschmaschine, Kühlschrank, Staubsauger, elektrischen Küchenmaschinen, Elektroherd und Geschirrabwascher schier zum Zuckerschlecken wird - jedenfalls will uns das die Werbung glauben machen. Immerhin haben solche Geräte tatsächlich den Hausfrauen, auf deren Schultern seit jeher die Verantwortung für Haushalt, Küche und Erziehung der Kinder lastete, einiges abgenommen - wenngleich es der selbe „natürliche Beruf der Frau“ blieb.

Wieder dabei die unverzichtbaren Filme von Hans Fischerkoesen, die in den 50ern omnipräsente Stimme von Peter René Körner und etliche prominente Gesichter wie Erich Fiedler, Karl-Heinz Heß, Beppo Brem, Lisl Karlstadt oder Heinz Piper. Eines der vielen Glanzstücke ist Kapitel 3, in dem ein Kulturfilm aus den 50ern (das Genre gibt es auch schon lange nicht mehr) das richtige Einkaufen beschreibt. Gerechterweise wird die Ungeschicklichkeit der Männer in Küchendingen belächelt - was aber nur den Zweck hat die Rolle der Frau als einzig Verantwortliche für Haushalt, Küche und Kindererziehung zu unterstreichen. Das 12-Minuten-Extra: „Helfer der Landfrau“ über die Bosch-Küchenmaschine gehört ebenfalls dazu. Eingeblendete Zwischentitel erklären die gesellschaftspolitische Entwicklung der Rolle der Frau in Ehe und Familie. Mit Phillip Schepmann hat Wolfgang Dresler den idealen Sprecher gefunden.

Krisenzeiten, Kriegszeiten, Nachkriegszeiten, Wunderland, Fix & fertig, Tante Emma, Geschmacksverstärker, Toast Hawaii - das sind die acht Kapitel der Zusammenstellung „Mahlzeit! Lebensmittel im Werbefilm“, die Wolfgang Dresler mit seinem bewährten Team aus Beispielen der Werbung und aus den bereits oben erwähnten Kulturfilmen erarbeitet hat. Es ist eine zum einen nachdenklich machende, dann aber doch köstliche Reise in die Vergangenheit unserer „modernen“ Ernährung. Der Blick in dunkle Tage der Entbehrung mit Rationierung und Lebensmittelkarten sollte lehren, Wirtschaft und Politik im Auge zu behalten, der heiter-kritische Blick auf die Werbe-Übertreibungen von Kaffee-, Würzmittel- und Konservenherstellern ist allein durch die Originalstimmen schon ein Vergnügen, durch die abermals von Phillip Schepmann gesprochenen Kommentare wird die Sache wieder rund. Wir erfahren einiges über den Siegeszug der Fertiggerichte, dessen Beginn am Jahr 1953 festgemacht wird („Vitamine sind gerettet, wenn man sie in Dosen bettet“) und der Tiefkühlkost, die Anfang der 60er Jahre antrat. Auch hier wird die Arbeitserleichterung für die Hausfrau als Argument in den Vordergrund gerückt. Den ernährungsphysiologischen Unfug haben wir längst erkannt.

So läßt sich die ernstgemeinte Reklame von damals heute genüßlich als interessante Rückschau und kurzweilige Unterhaltung konsumieren. Manfred Steffen, Iska Geri, Heinz Piper, Ewald Wenck, Georg Thomalla und Günther Jerschke sind nur einige der namhaften Schauspieler, die für die teils aufwendigen gezeigten Werbefilme engagiert wurden - und als Stimmen der Reklame hören wir u.a. den unvergessenen Heinz Erhardt (Appel-Mayonnaise) und auch wieder Peter René Körner (Knorr, Eier, Edeka-Kaffee, Bäckerblume u.a.m.).
 
Zwei wunderbare Filme, die ich Ihnen vorbehaltlos ans Herz legen kann.
 
Weitere Informationen unter: www.tackerfilm.de