Brot oder Leben

Kunsthalle Düsseldorf: "Eating the Universe. Vom Essen in der Kunst"

von Andreas Rehnolt
Gewürz-Predigt
und Schuh-Sandwich
 
Die Kunsthalle Düsseldorf präsentiert die Ausstellung
"Eating the Universe. Vom Essen in der Kunst"
 
 
Düsseldorf - "Gewürzpredigt für Pfeffersäcke", "Brot oder Leben" oder "Der blaue Busenengel" lauten Titel der Ausstellung "Eating the Universe. Vom Essen in der Kunst", die seit Samstag in der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen ist. "Eat-Art" oder Eß-Kunst hat nach den Worten von Kuratorin Magdalena Holzhey nichts mit heutiger Gourmet-Küche zu tun. Vielmehr war es der Protest der 1968er Künstlergeneration, die die "ewigen Werte" durch Brote, Teig, Zuckerguß, Herings-Gräten, Butter und Lebensmittelreste ersetzen wollte. Wunderschön in der bis zum 28. Februar laufenden Schau ist etwa die von Lilli Fischer 1983 geschaffene Installation "Gewürzpredigt für Pfeffersäcke". Die besteht aus einem hölzernen Gewürzpult, zahlreichen Gewürzgläsern und -tüten sowie einer mehrere Meter langen Papierrolle, die mit Gewürzen bestrichen und mit Predigt-Texten und Skizzen versehen ist.
 
Hübsch auch der von Richard Lindner 1970 geschaffene "Blaue Busenengel" aus Lebkuchenteig und Glasurfarbe oder die 1971 entstandenen "Bankette mit Atemobjekten" von Günter Weseler, dessen Brote, Teller und Pfannen mit Fell bespannt sind und sich bewegen. Witzig das Werk mit dem Titel "Sonnenaufgang", das Dieter Roth um 1970 herum mit einer Salamischeibe auf Papier in Folie schuf. Die Wurst schuf langsam eine Fettaura um sich herum. Und selbstverständlich darf in der Stadt, in der Joseph Beuys jahrelang als Kunstprofessor agierte, dessen in Pappkarton geklebtes Werk "1a gebratene Fischgräte" nicht fehlen.
 
Gründer, Erfinder und Ideenproduzent der "Eat-Art" war in den 68er Jahren der aus der Schweiz stammende Künstler Daniel Spoerri, der auch bei der Ausstellungseröffnung am Freitagabend dabei sein sollte. Der hatte 1968 in der legendären Düsseldorfer Altstadt das "Spoerri's Restaurant" eröffnet. Die Reste einer Mahlzeit fixierte er damals auf der Tischplatte, kippte diese um 90 Grad und verwandelte sie so in unalltägliche Tafelbilder, die man an die Wand oder unter die Decke hängen konnte, so Kuratorin Magdalena Holzhey. Auf einem antiken Textil-Handtuch, auf dem Geschirr aufgeklebt wurde, heiß es in gestickter Schrift "Wenn alle Künste untergehn, die edle Kochkunst bleibt bestehn." Das Kunst-Werk von Spoerri stammt aus einer Privatsammlung im italienischen Mailand.
 
Insgesamt 90 Skulpturen, Objekte, Fotos, Videos und Installationen sind in der Schau zu sehen. Vieles mutet wirr, obskur, witzig oder schrill an. Das schmiedeeiserne Bett von Jana Sterbak lädt zum Entspannen oder Schlaf auf einer gut zehn Zentimeter dicken Bettmatratze aus gebackenem Brot ein. Von Paul McCarthy stammt das vor rund 40 Jahren entstandene Video "Ketchup-Sandwich", auf dem ein Männerfuß Ketchup auf einem Klebeband zermatscht. "Brot oder Leben" lautet der Titel einer Video-Arbeit von Johannes Deimling, in der er u.a. einen Spielzeugpanzer mit dickflüssigem Yoghurt überträufelt. Eher an einen orientalischen Basar erinnern die Arbeiten, die großflächig Nüsse, Sträucherfrüchte, Plätzchen und Gewürze auf einer Boden-Plastik versammeln.
 
Bodenständig auch Spoerris "Schuh-Sandwiches", bei denen aus High-Heels oder Sandaletten Brotteig quillt. Lustig wirken die in Glasvitrinen eingesperrten, schlanken Frauenbeine, die aus Marzipan geformt an die übereinander geschlagenen Beinchen von Barbie-Puppen erinnern. Auch die diversen Suppen-Dosen von Spoerri, die angeblich Bärentatzen-, Kamel- oder Löwensuppen enthalten, wirken eher belustigend. Dabei hat der Erfinder der "Eat-Art" vor rund 40 Jahren solche kulinarischen Kuriositäten tatsächlich aufgetischt. Die scheidende Direktorin der Kunsthalle, Ulrike Groos wies darauf hin, daß der künstlerische Umgang mit der Grundsubstanz Nahrung in einer Zeit von Nahrungs-Überfluß und Hunger, Konsum- und Globalisierungskritik, Koch-Shows, Schlankheitswahn und Fast-Food eine neue Aktualität" bekommt.
 
An der Grenze zwischen Faszination und Befremdlichkeit bewegen sich die Arbeiten von Michel Blazys, in denen Mikroorganismen oder Mäuse zu bildgestaltenden Elementen werden. Er strich Paniermehl, Milch und Eier über Hölzer und dokumentierte Mäusefraßspuren in dem getrockneten Kunstwerk. Spoerris aus alten Rezeptsammlungen stammende, handgeschriebene Kochanleitungen machen alles andere als Appetit auf "Eat-Art". Gebratene Hammelfüße, Hirnauflauf, Lungenwurst oder Hoden-Brösel-Knödel lassen den Betrachter eher schaudern. Ganz anders dagegen die von Judith Samen frisch zur Ausstellung geschaffene riesige Reibekuchenwand mit insgesamt 891 fettigen Exponaten, die stark duftend beim Besucher Lust wecken, die kleinen runden "Eat-Art"-Kunstwerke von der Wand zu klauben. Zur Ausstellung ist im DuMont-Verlag ein 300-seitiger Katalog mit zahlreichen Farbabbildungen erschienen. Er kostet 29 Euro.
 
Die Kunsthalle Düsseldorf ist dienstags bis samstags von 12 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Internet: www.kunsthalle-duesseldorf.de

Redaktion: Frank Becker