Lohnender Zuhör-Marathon

Frank Abt inszeniert Frank Abt - "Superstars"

von Frank Becker
...und wo bleibt die Kunst?

(und wo der Zusammenhang?)



Regie
: Frank Abt - Bühne: Julia Ries - Kostüme: Katrin Wolfermann - Musikalische Leitung: Torsten Kindermann - Video: Sandeep Metah - Licht: Danny Klein
Besetzung: Jele Brückner - Stephanie Schadeweg - Torsten Kindermann - Marco Massafra - Cornelius Schwalm



Monologe

Es heißt, daß es in der zweistündigen szenischen Kollage (keine Pause) um die unerträgliche Manipulation der Teilnehmer an Casting-Shows geht. Ein Thema, das in der Tat auf den Nägeln brennt. Die planvolle Entwürdigung der Menschen, die sich solchen in alle Lebensbereiche vordringenden Enthüllungs-Sendungen im Fernsehen stellen, ist ein Ärgernis, das mit zunehmender Ausschöpfung von möglichen Inhalten immer brutaler mit Psyche und Integrität der Kandidaten umgeht. Diese Zuweisung des Stückes täuscht.
Es finden zwar Enthüllungen, ja Entblößungen statt, doch anders als zu erwarten. Das "Casting" ist lediglich ein vorgeschobener, im Grunde marginaler Rahmen für die unter die Haut gehenden Selbstportraits der fünf auftretenden Personen, die ohne Rollen-Namen bleiben, sich der Namen und Figuren der sie darstellenden Schauspieler bedienen. Wir bekommen keine Handlung, keine Casting-Persiflage, keine Juroren. Na ja, vielleicht ja doch, denn am Ende zählt der Applaus des Publikums im Kleinen Haus des Bochumer Schauspiels, das an diesem Abend höchstens zu einem Drittel gefüllt war. Was wir bekommen, sind überwiegend ausgedehnte Monologe, Soli, die äußerlich nichts miteinander zu tun haben.

Bekenntnisse

Unter dem Strich aber haben wir Bekenntnisse von Gescheiterten, die unter die Haut gehen. Ein Jurist, der lange Finger gemacht hat, um den Ansprüchen seiner schönen Ehefrau zu genügen, ein Musiker, der als Virtuose tragisch gescheitert jetzt Kinder unterrichtet, eine Schauspielerin, die mit bekannten Argumenten ihre stete Mißachtung traurig goutiert. Einsichten, die streuen und treffen. Das ist zwar mitunter eine etwas zähflüssige Angelegenheit, doch mit brillant aufblitzenden sprachlichen Juwelen. Die Einzelleistungen der beteiligten Schauspieler ergeben unter dem Strich eine beachtliche Summe. Wesentlichen Anteil daran haben Cornelius Schwalm und Stephanie Schadeweg, deren Texte ihnen quasi auf den Leib geschrieben sind, daher sitzen wie eine zweite Haut. Da wäre Schwalms Solo über den Brieftaubensport, der in eine Reihe mit Bettina Roskys "Drei Eins Acht" und Hermann Schulz´ "Sonnennebel" gehört. Das ist vordergründig äußerst amüsant, doch eine Kleinbürger-Farce mit Tiefgang. Schwalm lebt das so intensiv, daß man ihm seine gurrenden Freunde gerne glaubt. Schadeweg reißt als Ärztin mit einem zweigeteilten Monolog
über die Demenz-Erkrankung , insbesondere die Erscheinungsformen der Alzheimer-Variante, derart erstklassig mit, daß das beinahe preiswürdig ist. Sie kann Angst und Sorge so stark vermitteln, daß man Schlips und Kragen öffnen und nach Luft schnappen möchte. Ein Kabinettstück ist auch das Klavierstück zu vier Händen zweier Brüder mit Kindheits-Defiziten, das Cornelius Schwalm und Marco Massafra wahrhaft köstlich geben.
Der Schlußapplaus der wenigen Zuschauer fiel reich aus. Ein zweistündiger Zuhör-Marathon, der sich lohnt.

Weitere Informationen unter: www.schauspielhausbochum.de