Wer hat den 1. Weltkrieg ausgelöst?

Didier Convard / Jean-Ives Delitte - "Tanatos" Der Sohn des Todes

von Frank Becker

© Ehapa Comic Collection
Graphic Novel auf historischem Boden


Das Genre der Graphic Novel, der mit aussagekräftigen Bildern erzählten Geschichte, hat sich in den letzten Jahren einen festen, Literatur und Comic/Graphik übergreifenden Platz erobert. Das französische Team Didier Convard (Szenario), Jean-Yves Delitte (Zewichnungen) und Frédérique Avril (Farben) hat ein düsteres Kapitel der Weltgeschichte in eine phantastische Science Fiction Story gekleidet: den Vorabend des 1. Weltkrieges.

Die darin entwickelte Figur des "Tanatos", eines irrsinnigen Weltverbrechers, trägt Züge der Erzschurken Phantomas, Goldfinger, Blofeld oder Largo, seine gehorsamen Handlanger könnten auch die der Killer bei Ian Fleming sein. In der zweiteiligen Tanatos-Geschichte (in einem Band), die sich Convard ausgedacht hat, dreht es sich phantasievoll um eine Verschwörung von Wirtschaft und Verbrechen, um den Krieg auszulösen, der die französische wie die deutsche Waffenproduktion zur Blüte und die Produzenten Loustel (Frankreich) und Krupp (Deutschland) zu enormem Reichtum führt. Tanatos, der teuflische Mann mit den tausend Gesichtern, der "Sohn des Todes" der die Triebfeder hinter der Verschwörung ist, wird als französischer Graf ohne offenbare Identität datgestellt. Ungewöhnlich, daß eine französische Produktion die Kriegsschuld im eigenen Land sucht und Deutschland als in den Krieg gezwungen zeigt.

So düster wie das Thema sind auch die hervorragenden Zeichnungen Delittes, von Avril stets in Kälte und Dunkel getaucht. Selbst am Tage spielende Szenen wirken bedrückend. Die Erzähler haben den Plot einerseits auf historische Figuren wie Jean Jaures, Raymond Poincaré und Gaston Doumergue aufgebaut, andererseits lassen sie - eine Verneigung vor Jules Verne - technische Neuerungen eine Rolle spielen, an die 1913/14 noch nicht zu denkan war: Funktelefone, Hubschrauber, Kampfbomber hochgerüstete Schnellboote und neue Waffen. Geschichte, Phantasy und Science Fiction werden mit eingestreuten Zeitungsmeldungen zu einer "Real-Science-Fantasy" (das gibt es gar nicht, habe ich grade erfunden) in detailverliebten Zeichnungen verschmolzen. Das Tanatos´ Organisation zum Schluß zerschlagen wird, er aber entkommt, läßt darauf spekulieren, daß man mit neuen Verbrechen und neuen Graphic Novels rechnen kann.

Didier Convard • Jean-Ives Delitte - "Tanatos 1 - Der Sohn des Todes, © 2009 Ehapa Comic Collection, 112 Seiten, farbig auf Kunstdruckpapier, Hardcover, 29,95 €

Weitere Informationen unter: www.ehapa-comic-collection.de