Städtebundtheater Hof
Evita Webbers Altlasten Vor 33 Jahren gab es die erste Aufnahme von Andrew Lloyd Webbers Musical. Dieses erste Konzeptalbum - die erste szenische Aufführung folgte 1978 - prägte auch die Aufführungsgeschichte des Stücks. Viel Pathos, sehr viel opernhafte Elegien und vor allen Dingen sehr viel Schmalz. All dies prägte die vielen verschiedenen Evitas, die ich im Laufe meines Lebens sehen durfte. Es blieb immer ein schaler Beigeschmack. Peron wurde mit Zwanzigerjahre Atonalität bedacht, Evita bekam puccinieske Kantilenen, der Rock klang entweder nach Deep Purple oder nach Siebzigerjahre Glamrock, südamerikanische Rhythmen wurde neben pseudoargentinischen Tangos und dem Sambariff von „Aquarela do Brasil“ (Ary Barroso,1939) geprägt. Die Hofer Symphoniker: "voll fett"
Meine Erwartungen über die erste Musicalproduktion dieser Saison in Hof hielten sich also in Grenzen, als ich die Premiere am 30.10.in Hof besuchte. Es begann wie immer: Eine flimmerige
Chris Murray, Jesus Christ Superstar-erprobt, debütierte in Hof als Che. Er interpretierte seine Rolle nicht als die Ikone der 68er, sondern er gab seinem Che auch unsympathische Züge. Seine Rockstimme paßte sich hervorragend an die Erfordernisse an, wenn auch „Spendengelder“ bei den meisten Gänsehaut hinterließ. Thilo Andersson gab den Peron. Hätte der historische Peron sein Aussehen, sein Charisma und seine Stimme gehabt, er hätte Evita nicht gebraucht, um an Popularität zu gewinnen. Andersson legt seine Rolle stets etwas unterkühlt an, seine Zuneigung zu Evita scheint, historisch durchaus korrekt, eher zweckgebunden zu sein. Karsten Jesgarz gibt den Tangosänger Magaldi wunderbar schmierig, aber die Interpretation seines Tangoliedes ist exzellent. Bis dahin war es bereits ein lohnenswerter Abend, aber dann gab es noch Stefanie Rhaue. Und ab diesem Moment war der nicht mehr nur lohnenswert, sondern er wurde zur Pflicht.
Eva und Che in neuer Ikonographie
Im Bühnenbild von Günther Hellweg, eine schlichte drehbare Schräge, eine Projektionsleinwand, ansonsten eine leergeräumte, zu den Seiten hin offene Bühne, läßt Reinhardt Friese die Geschichte des Nachkriegsargentinien Revue passieren. Das es dabei historisch nicht korrekt zugeht, liegt in der Natur des Musicals. Interessante Aspekte, wie das Verschieben des Nazigoldes von Südamerika auf ein Schweizer Konto werden nur in einem Nebensatz angedeutet, dennoch gelingt Friese der Spagat, Evita als geld- und machtgierige Egoistin und gleichzeitig als Ikone des einfachen Volkes darzustellen. Auch Che, in Hof nicht in dem sonst üblichen Kampfanzug, sondern in feschen Lederwestchen und hellen Hosen, bekommt einige Risse in seiner Ikonographie. Höhepunkt im Kampf dieser beiden „Heiligenfiguren“ ist der Walzer für Evita und Che. Eine Abrechnung der Lebenslügen im Strauß´schen Dreivierteltakt.
Ein Lob der "Zweiten Reihe"
Annette Mahlendorf schuf Kostüme, die die jeweilige soziale Gruppe charakterisieren, ihre Kostüme für Stefanie Rhaue würden allerdings auch heute noch die eine oder andere Präsidentengattin
Evita in Hof lohnt sich, sowohl szenisch, vor allen Dingen aber musikalisch. Unter Aichner verlor Lloyd Webber den angestaubten Pathos, pralles Menschenleben, soziales Elend, karrieregeile Kälte und persönliches Leid fanden in zwei Ausnahmedarstellern ihren Ausdruck. Ein geschlossen gutes Ensemble, ein überragender Chor, ein gutes Ballett fanden sich in einer Maßstäbe setzenden Inszenierung, weit ab der Großproduktionen. Für den Musicalfreund (und den, der es werden will) lohnt sich der Weg in die oberfränkische Provinz. Stefanie Rhaue und Chris Murray werden mich jedenfalls zum Wiederholungstäter machen.
Bilder: SFF Fotodesign
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