Plauderstunde

Über Ratzinger und Bayreuth, Bernhard Grzimek und James Last und über den Kölschen Klüngel

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Ratzinger und Bayreuth,
Bernhard Grzimek und James Last
und über den Kölschen Klüngel



Meine lieben, verehrten Musenblätter-Leser,
 
was war nicht so alles los in diesem Jahr: Ratzinger trennt sich von opus dei, ach nein, Halt!, nee, das dann doch nicht, aber das fällt ja unter die Altersmilde beim Durcheinanderbringen von Zahlen und Zusammenhängen, gell, was müssen die Afrikaner auch dauernd schnackseln, wie Fürstin Gloria sagte, dann brauchen die eben auch keine Präservative, oder! Da ist der Alois aus Marktl am Inn nicht kleinlich, wenn es darum geht, andere Opfer bringen zu lassen!
 
Was hatten wir denn noch: Bayreuth macht jetzt den Holländer für Kinder, na das hat ja was gebraucht, bis die das endlich entdeckt haben: Wagner for Kids, der Herr der Ringe wäre da schon mal fällig, die anderthalb Stunden Version vom Holländer kriegten wir jetzt im Sommer auf den Hügel gebeamt, bin mal gespannt, wann die Meistersinger als Deutschland sucht den Superstar kommt (dann allerdings müßte der moderne Beckmesser, unser unerträglicher Dieter Bohlen in diese Rolle schlüpfen, was uns wiederum in den Genuß brächte, sein Preislied endlich einmal richtig falsch hören zu können!), der Lohengrin als „Gumma, der Onkel steht auf Schwäne!“ vielleicht im Angebot zusammen mit der Tierliebhaber-Oper „Das Glöcklein des Sodomiten“. Hübsch fände ich natürlich auch, wenn der Ring mal eine aktuelle politische Interpretation bekäme: Franz Müntefering als Wotan, Angela Merkel als ewig raunzende Fricka, Dagmar Schimpanski als Erda (Immer wieder gern der alte Slezak: „Haben Sie lieber harte oder weiche Eier zum Frühstück, Frau Kammersängerin?“ „Weiche, Wotan, weiche!“), Peer Steinbrück als Alberich, Herr zu Guttenberg als Siegfried (als Kriegsminister steht ihm das jetzt zu) und Seehofer als Hunding, ich meine: wäre doch mal was, oder?!
 
James Last ist 80 geworden, was wieder mal zeigt, dass der alte Spruch von uns 68ern nicht falsch war: „Freßt mehr Scheiße! Millionen Fliegen können nicht irren!“ Dazu paßt, daß Sat 1 den Gulli-Komiker Oliver Pocher gekauft hat (wozu ich mal sagen möchte: Oliver Pocher ist wie Anarchie, die am Schnuller lutscht – gegen alles sein und für nichts stehen, das kann er!) und gleich dazu Herrn Kerner, dessen intellektuelle Geschmeidigkeit schon Zäpfchen-Qualitäten hat. Professor Grüzzek, wie wir ihn damals liebevoll nannten, wäre im April hundert geworden und wir erinnern uns daran, daß er immerhin den Nachkriegsdeutschen Wörter wie Ngorongoro-Kater beigebracht hat und damit ganz nebenbei, Respekt vor Afrika zu haben, was damals nicht selbstverständlich war. Wozu ich anmerken möchte, daß das namibische Wort für „Deutsche“ ein Wort ist, das unglaublich witzig die Mentalität der preußischen Kolonialherren aus Berlin widerspiegelt: die Namibier ehrten ihre sie drangsalierenden Preußen damit, daß sie die beiden Wörter, mit denen diese die Namibier hetzten, als Bezeichnung für sie umdeuteten: Deutscher heißt auf Namibisch: „Abbajetze!“. Ist das nicht eine wundervoll ironische Rache für die unsäglichen Qualen, die diese Dummbarte ihnen zugefügt haben?
 
In Köln gehen die Rettungsarbeiten weiter, bald hat man alle Handschriften wieder ausgebuddelt und alle Dissense sind vergessen. Vergessen, daß einer der Verantwortlichen der Stadtwerke Köln am Tag 1 der Katastrophe sagte: „Nit esu schlimm, wir haben ja alles auf Mikrofilm!“, vergessen auch, daß alle Verantwortlichen beteuerten, daß alles geprüft, begutachtet und abgesichert sei und nix, NICHTS, was bedeutet: KEIN WORT DAVON war wahr. Mein Freund Viktor Böll, Neffe des Schriftstellers, Leiter seines Nachlasses und einer der wunderbarsten Menschen, denen ich je begegnet bin, ist am 31. Januar elendiglich am Krebs gestorben und hat seit Dezember 2008 die Risse im Stadtarchiv fotografiert und die Bilder an die zuständigen Behören geschickt: meinen Sie, auch nur einer hätte reagiert? „Et hätt noch immer jot jejange“ ist die rheinische Religion und sie ist so, daß man manchmal nach dem Stoppen sucht, der aus diesem Sumpf das Wasser rausläßt. So gesehen: seien wir froh, daß es so etwas wie die Musik gibt, die unsere Ohren erquickt und unsere Herzen wärmt.
 

Danke, daß Sie zu so treuen Lesern meiner Kolumne in den Musenblättern geworden sind. Hat doch irgendwie was Familiäres - schön. Bis die Tage!
 
Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker