Konrad Beikircher
Musikstundestunde
Eine Plauderei über Michael Jackson, die verlogene Welt des Showbusiness und über eine zauberhafte Idee im polnischen Rundfunk Seien wir ehrlich: er war ein armes Schwein. Richtig gelebt hat er eigentlich nie, seit seinem vierten Lebensjahr nur in der verlogenen Welt des Musikentertainments zu Hause, wo, so lange Du Erfolg hast, jeder Blödmann zu Dir nur sagt, wie genial Du bist, unglaublich, kosmisch, gigantisch, einmalig, der Größte. Ab da läuft alles schnell und zielgerichtet auf den goldenen Sarg zu, weil: drunter geht es nicht. Dieser Tage kommt posthum ein hochgejubelter Film über Michael Jackson in die Kinos, mit dem all die Geier der Musikindustrie, die ihn bereits ausgelutscht haben als er noch lebte, noch ein letztes Mal die große Kohle aus dem Leichnam des „King of Pop“ pressen wollen.
Diese Welt ist an Superlative gewöhnt, der Verschleiß von Wörtern wie genial, einmalig, phänomenal, Ausnahmeerscheinung etc. etc. haben wir dieser Pop-Welt zu verdanken und das hämmert schon seit Jahrzehnten so auf uns ein, daß es keinem mehr auffällt. Natürlich muß ein begabter Popsänger und toller Tänzer wie Michael Jackson der King of Pop sein, logisch, was denn sonst. Daß das Leben in dieser hermetisch vom Leben abgeschlossenen Welt seinen Preis verlangt, ist ja auch klar. Woher soll denn ein Kind die Chance bekommen, zu reifen und erwachsen zu werden, da muß ich mir doch nur seinen Vater anschauen um zu wissen: das geht in die Hose. Und es finden sich bei den Ärzten, Therapeuten, Freunden, Frauen etc schneller die, die für Geld alles tun, als die, die einem wirklich helfen wollen. Solche scheint er nicht gehabt zu haben in seinem Leben, ähnlich wie Elvis oder Jimi Hendrix. Der Unterschied zu Michael Jackson ist nur: Jimi Hendrix hat die Musik wirklich weitergebracht und Elvis hat zwanzig Jahre lang den Gefühlen der Welt Ausdruck verliehen. Und wir vergessen nicht, bitte schön: Elvis und Jimi waren an der Echtheit und der Wahrheit allemal näher dran als es Michael Jackson jemals war, wie sollte er das auch gekonnt haben, wo das Leben so von ihm fern gehalten wurde. Er hat seine Verdienste um die populäre Musik, der Moonwalk-Erfinder aus Indiana, aber er verdient es auch, jetzt, wo er tot ist, etwas normaler behandelt zu werden. Ein paar schöne Gedanken, gerne, natürlich, und dann tun wir ihn mal ein bißchen in Neverland rüber, da kann er sich in Ruhe vom Rummel erholen und wenn wir ihn fast vergessen haben, kann man noch mal schauen, was von ihm geblieben ist. Dieses kleine Stück Normalität hat er sich verdient!
Und ganz zum Schluß noch was leises: Das Kulturradio „Dwojka“ in Polen hat aus Protest gegen die mangelhafte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen ganzen Tag nur eines gesendet: Vogelgezwitscher! Was für ein Einfall! Was für eine Gnade für unsere Ohren
Ich wünsche Ihnen einen traumhaften Herbst mit tollen Farben - und lassen Sie die Finger von den Weihnachtsprinten im Supermarkt, es ist erst Oktober!
Ihr
Konrad Beikircher
© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker |