Ganz oder gar nicht

Über einen köstlichen Theaterskandal

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über einen köstlichen Theaterskandal
(Ganz oder gar nicht)
 

W
o ich gerade sehe, daß in England plötzlich Schiller aufgeführt wird – in Glasgow und in London – wo doch die Briten Schiller bisher als Shakespeare für Arme angesehen haben, fällt mir eine Anekdote ein, die mal wieder zeigt, wie gefährlich extreme Einfälle für ein Stück sein können: in einer jetzt nicht genannt werden sollenden Stadt in Nordrhein-Westfalen wurde Maria Stuart aufgeführt. Premiere. Die Bühne ist mit einer riesigen Show-Treppe ausgestattet, alles ist in bißchen wie eine TV-Show angelegt, Elisabeth als der große TV-Star, die alles beherrscht und der alle gehorchen, nein, für die alle alles tun. So auch der Höfling Leicester, in dieser Inszenierung ein ausgesprochener Beau von einem Mann, kein Wunder, daß Elisabeth ihn in eindeutiger Absicht zu sich auf die Showtreppe winkt. Er hat also da hochzugehen und sich dabei der Kleidung zu entledigen, nein, wie er das machte, war das mehr: er hatte zu strippen. Er macht das auch und es macht sich schon Erotik breit im Parkett, da passiert folgendes: Er greift sich an die Hose - ein Ruck wie in Peter Cattaneos Film "The Full Monty"! Und er steht blank auf der Show-Treppe, Rücken zum Publikum. Aber was ist das? Am schön geformten Po klebt noch eine Lage Klopapier, das der lampenfiebergeplagte Schauspieler vor dem Auftritt noch gebraucht hatte. Der Fall war tief, der Schock war groß: das Stück, die Inszenierung und der Schauspieler erholten sich an diesem Abend nicht davon!

Ich wünsche Ihnen einen goldenen Herbst ohne peinliche Pannen, danke artig für Ihren Besuch bei den Musenblättern und bleibe wie stets
 
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009

Redaktion: Frank Becker