Plauderstunde

Über Preisverleihungen und MRR

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Preisverleihungen und
MRR


Wir kennen ja nun alle Varianten mittlerweile, werte Leserinnen und Leser, liebe Freunde meiner kleinen Plaudereien in den Musenblättern, die ich begrüße und denen ich natürlich auch einen schönen Samstag morgen wünsche, wir kennen alle Varianten: wir kennen: „Ich nehme den Preis an!“, wir kennen „Ich kann diesen Preis nicht annehmen“ und wir kennen die Zwischenformen, so da wären:
 
a) den Preis gar nicht verliehen bekommen, was unter Umständen schmerzt, wenn man darauf gewartet hat und was leicht dazu führen kann, sich lächerlich zu machen, wenn z.B. Prof. xy von nicht genannt werden wollender Seite diskret gesteckt wird, daß er dieses Jahr den Nobelpreis für sagen wir mal Verdienste um die virtuelle Zäpfchentransplantation im Vorfeld der Schnarchforschung erhalten soll und er en passant für die erwartete Zeit des überraschenden Anrufs aus Stockholm schon mal zwei, drei Dutzend Journalisten einlädt, vorgeblich um ihnen neue Ergebnisse seiner Arbeit vorzustellen und wenn dann der Anruf jemand anderem gilt, dem verhaßten Kollegen yz (vielleicht hat sich das Komitee auch nur in der Vorwahl geirrt, soll ja auch schon mal vorkommen), aus der Serie „peinliche Vorfälle“ sicherlich einer der elegantesten.
 
Variante b) ist: den Preis verliehen bekommen, ihn annehmen aber in der Dankesrede mit einem Schlenker sich für die Verleihung rächen, weil ablehnen denn doch nicht gegangen wäre. Genial ist dies dem Filmregisseur Billy Wilder gelungen, der sich bei der Berlinale anläßlich der Ehren-Bären-Auszeichnung für sein Lebenswerk vor versammelten bundesrepublikanischen Honoratioren in seiner bekannt bissigen Art mit den Worten bedankte: „Aber wissenS, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den Preisen ist es wie mit Hämorrhoiden: am Ende kriegt sie jedes Oarschloch!“ und damit für tausendfaches Kiefer-Tiefer-Sinken der Schickeria sorgte.
 
Variante c) aber ist noch nie passiert: Variante c ist: zur Annahme des Preises erscheinen, dann vom Verlauf der Preisverleihung so angestunken sein, daß man erklärt, den Preis nicht annehmen zu können um ihn dann im Laufe des Abends leger in der Hand zu halten und mit nach Hause zu nehmen.
Marcel, das war die bisher größte Leistung eines Preisträgers. Nach der wunderbaren Tirade gegen das Niveau des bundesdeutschen Fernsehens – bei der ich jedes Wort unterschreibe – hast Du erklärt, diesen Preis nicht annehmen zu können um am Ende der Veranstaltung souverän mit der Trophäe schwenkend das Etablissement zu verlassen. Das ist grandios: souveräner hätte man den Fernsehfuzzis nicht zeigen können, was man von ihren Preisen hält. Danke, Marcel Reich Ranicki, danke!
 
Beim verehrten Marcel Reich-Ranicki - der übrigens ein großer Musikfreund und -kenner ist - verfolgen mich seit Jahren zwei Phantasien. Ich bin immer, wenn ich in einer Buchhandlung stehe und erst recht in einem dieser großen Buchkaufhäuser, die ich nicht leiden kann, darauf gefaßt, daß gleich ein fürchterlich angefressener Marcel Reich-Ranicki mit dem quietschenden Einkaufswagen um die Ecke surft und brummelt:
“Zwei Pfund Botho Strauß für das Frühstück, dann 200 g Süskind als After Shave, ein paar Memoiren, damit ich nicht vergesse, daß auch ich gelebt habe, 10 Gramm Klassiker, vielleicht die Hamburgische Dramaturgie, das macht sich immer gut auf dem literarischen Buffet, dann noch drei Kilo Jungliteraten zum Einmachen, für das Dessert ein, zwei Gedichte von Morgenstern, ach ja: als Hauptgang Fisches Nachtgesang nicht zu vergessen, und für die Toilette den Zettelkasten von Arno Schmidt, ich glaube das wär’s, halt nein, für den Ausgleichssport noch 5 Kilo Hera Lind und Konsortinnen zum Werfen, so, und das Ganze bitte gratis, Fräulein, sonst gehe ich zur Konkurrenz...!”
Und die andere ist, daß es zur besten Fernsehzeit – ich gucke gerade heimlich Jauchs Millionär-Quiz, weil es da so einen Spaß macht, die Antworten zu wissen, auf die diese selbstherrlichen Idioten nicht kommen, nur weil ein paar Kameras an sind – daß es also zur Jauchzeit klingelt und MRR vor mir steht:
(MRR) “Guten Tag, Herr, äh, Beikircher! Gestatten Sie, daß ich Ihnen heute abend die Zeit verkürze, indem ich Ihnen aus Shakespeare den Monolog Hamlets vortrage?
Haben Sie zufällig einen Totenschädel griffbereit? Nein? Na gut, zur Not tut es auch eine Zitronenpresse oder eine Tomate. Vertrauen wir der Kraft der Phantasie! Also:
Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage:
obs edler im Gemüt, die Pfeil und Schleudern
des wütenden Geschicks erdulden, oder,
sich waffnend gegen eine See von Plagen,
durch Widerstand sie enden? Sterben - schlafen -
nichts weiter!”
No, was brauch ich da noch Fernsehen? Schranktür zu und alle Fragen offen!”
 
Einen schönen Tag noch oder, falls Sie die Musenblätter erst abends lesen: Gute Nacht!
 
Ihr
Konrad Beikircher 
 



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker