Kompost

Garten-Arkadien (1)

von Friederike Zelesko

Foto © Frank Becker
 
Kompost
 
Er hielt Grünflächen sauber, beschnitt Büsche und Bäume, harkte Beete im wiederkehrenden Reigen eines Gartenjahres. Körperliche Arbeit war ein wesentliches Element seines Lebens. Das Unkraut, einmal dem Wurzelbett entrissen und im Licht von Frühjahr, Sommer und Herbst in Minutenschnelle dahingestorben, landete auf dem Komposthügel, der immer wieder von Kapuzinerkresse überwachsen, hinter hohen und schnellwachsenden Hortensien verborgen, kein Schandfleck war.   
 
Manchmal riß er Hochgewachsenes aus, warf es auf den Hügel, der sich Schicht für Schicht im Laufe von neun Monaten in frischduftenden Humus verwandelte. Er konnte nur ahnen, was sich unter den Schichten von zerkleinerten Ästen und Staudenstengeln, Unkraut, Rasenschnitt , Küchenabfällen und unansehnlichem Obst abspielte. Nie hob er eine Schicht hoch, nie rührte er an der natürlichen Energie der Verrottung, die in kalten Nächten von innen heraus durch Luftlöcher dampfte.
 
Frisch gesäte Beete, auf die er seinen andächtig gesiebten Humus streute, waren sein Stolz, der den Schmerz in seinem kranken Körper zum erträglich Maß machte. Das Warten auf den Durchbruch von erstem Grün war voller Spannung. Reglos stand er dann in der Abenddämmerung, besah sein Werk und wartete. 

© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2009