Auf den Spuren von Jim Knopf

Michael Ehnert - "Von Lummerland nach China"

von Silke Kesting
Auf den Spuren von
Jim Knopf


Der Schauspieler, Kabarettist und Kom(m)ödchen-Regisseur Michael Ehnert hält mit viel Humor und einer gehörigen Portion Sarkasmus eine Literatur-Lesung mit dem Fokus auf China, wobei er u.a. einem der beliebtesten deutschen Kinderbücher einen neuen, angemessenen Rang zuweist: „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“. Die Insel Lummerland wurde 1960 nebst dem liebenswerten Personal vom Meister der Geschichten-Erzähler Michael Ende (1929 - 1995) erfunden. Mit „Jim Knopf ..." und den Fortsetzungen hat Ende eines der beliebtesten deutschen Kinderbücher überhaupt geschaffen - einen Klassiker. Seine ganz große Popularität bekam das Buch durch die Fernseh-Marionettentheater-Umsetzung der Augsburger Puppenkiste von Walter Oehmichen.

Die drei Lummerländer – ja, auch die Eisenbahn Emma zählt als Person - reisen mit dem Schiff nach China. Aus wirtschaftlichen Gründen. Aha. Migration mal umgekehrt. Sie erreichen das Land des erhabenen Kaisers. Sie erfahren von dessen entführter Tochter Li-Si und wollen helfen, diese zu befreien. Doch an den Sicherheitsbehörden und den mißgünstigen Mandarinen kommen sie nicht so leicht vorbei - sie werden ausgelacht. Wie im wirklichen China - heute noch. Wie die Helden Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer schleicht sich Ehnert an den „Organen“ des heutigen Reichs der Mitte vorbei und nimmt mit treffender Ironie seine mitreisenden Zuhörer ins diplomatisch tückische Thema der deutsch-chinesischen Beziehung mit. Das chinesische Einwohnermeldesystem (Hukou) ist seit Jahren in der politischen Diskussion. Mit Biß wird hier ein Stück Realität von Ehnert kolportiert.
Daß bei den späteren Auflagen von „Jim Knopf“ China durch Mandala und die Chinesen durch Mandalanier ersetzt wurden, liegt übrigens nicht an der Sorge des Verlages, die „PC“ nicht beachtet und dafür von einer Milliarde Chinesen zur Rechenschaft gezogen zu werden, sondern schlicht am Wunsch des Autors Michael Ende. Ein Anruf bei Thienemann ließ (schade!) Michael Ehnerts Theorie der Weltverschwörung verpuffen.
 
Auch Douglas Adams´ bitter-humorvolle China-Studie in „Die letzten ihrer Art. Eine Reise zu den aussterbenden Tieren unserer Erde“ und Ehnerts eigene Gastspielreise nach Shanghai und Beijing machen das rätselhafte Land für den Hörer plastischer. Wir erfahren von der zwerchfellerschütternden Odyssee Adams´ auf der Suche nach dem Baiji-Delphin im Jangtse und nach Kondomen (es wäre jetzt schade, den Verwendungszweck zu verraten), Ehnerts Kampf mit der dicken Luft von Shanghai, von Wasserhahn-Aufdrehern und Papierhandtuchauffaltern in Beijing, Millionen von Einwohnern, die sich alle gleichzeitig auf der Straße bewegen, um die Smog-Wand durch Bewegung aufzuwühlen, Kitsch auf der Großen Mauer, Tausendjährigen Eiern und immer wieder dem Ringen mit den Vorschriften der chinesischen Behörden. Ehnert gibt dieses Abenteuer in süffisanter ich-habe-China-überstanden-Ironie wieder.

Er macht das wunderbar, stellt er doch China und sein System mit bösen Hieben gegen Zensur, Partei-Diktatur und Tibet-Politik zwar in Frage, läßt aber gleichzeitig erkennen, daß er das bevölkerungsreichste Land der Erde mit seinen heiteren Menschen und seiner Technik-Begeisterung liebt. Ein Hörbuch, das (auch mit viel Selbstironie) auf Stäbchen scharfe verbale Häppchen balanciert – unterhaltsam, anspruchsvoll, witzig und rundum ein Genuß!

Michael Ehnert – „Von Lummerland nach China“
Aufgenommen am 1. August 2008 im Fifty-Fifty, Erlangen, Gesamtzeit: 1:17:42
Weitere Informationen unter: www.wortart.de

Redaktion: Frank Becker