Flug in Gefahr

Ein Fernsehklassiker aus dem Jahr 1964 jetzt auf DVD

von Frank Becker
Nacht-Flug 714

Das Label In-Akustik hat eins der besten deutschen Fernsehspiele den Archiven und vor allem der Vergessenheit entrissen: "Flug in Gefahr" aus dem Jahr 1964. Das Aufgebot an Film- und Fernseh-Stars, die für diese s/w-Produktion von Arthur Haileys Thriller verpflichtet wurden, ist beeindruckend: Hanns Lothar hatte sich bereits mit u.a. "Der Fall Winslow" (1955), "Die Buddenbrooks" (1960), "Sturm im Wasserglas" (1960), "Eins, zwei, drei" (1961), "Stalingrad" (1963) und "Schloß Gripsholm" (1963) einen Platz an der Spitze des deutschen Schauspiels verdient. Er spielt den früheren Kampfpiloten George Spencer, der als Passagier bei einem Nachtflug von Winnipeg nach Vancouver das Cockpit der viermotorigen Douglas DC 4 übernehmen muß, weil beide Piloten - ebenso wie etliche Passagiere - wegen verdorbenen Fischs eine Lebensmittelvergiftung erlitten haben und ohne Bewußtsein sind. Heinz Weiss, damals wegen seiner bis heute unerreichten schauspielerischen Leistung in "So weit die Füße tragen" (1959) ebenfalls auf der Höhe seines Ruhms, sehen wir in der Rolle des Flugkapitäns. 

Die Stunden der Gefahr an Bord teilt Spencer mit der Stewardess Janet Burns (Ingmar Zeisberg) und dem an Bord anwesenden Arzt  Dr. Baird (Benno Sterzenbach, einer der profiliertesten Schauspieler dieser Zeit). In der Bodenkontrolle stehen dem unfreiwilligen Piloten der erfahrene Verkehrsflieger Captain Treleaven (Günther Neutze, leiblicher Bruder Hanns Lothars), der ihn und die Maschine "hinunter spricht", Organisator Harry Burdick (Klaus Schwarzkopf, später einer der besten NDR-Tatort-Kommissare) und Wolfgang Stumpf als Wachleiter zur Seite. Im Kampf gegen die Zeit muß Dr. Baird mit unzureichenden Mitteln gegen die lebensbedrohliche Vergiftung kämpfen und muß George Spencer sozusagen im Crash-Fernkurs die Handhabung des modernen großen Verkehrsflugzeugs lernen, um es schließlich in Vancouver bei Dunkelheit landen zu können.

Mit geringen Mitteln, wenn auch einer brillanten Ausstattung (Cockpit und Kabine wurden 1:1 nachgebaut) erzeugte Theo Mezger ein Höchstmaß an Spannung, was natürlich nicht zuletzt an den bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragenden Schauspieler (siehe Spalte rechts) und an der Kameraführung durch Rolf Ammon und sein Team festzumachen ist. Fesselnde 70 Minuten lang ist der Zuschauer mittendrin im Geschehen - man klammert sich gelegentlich unwillkürlich an die Sessellehnen des Heimkinos und empfindet nicht im geringsten einen Nachteil durch das Alter des Films oder dadurch, daß er in Schwarz-Weiß gedreht ist. Lediglich die Tonqualität und die Kontrastschärfe haben trotz der technischen Aufbereitung in den immerhin 45 Jahren ein wenig gelitten, was den Genuß nicht schmälert.

In-Akustik hat nicht nur Flugzeug-Enthusiasten damit ein wertvolles Geschenk gemacht. Man möchte diesen Film allen heutigen Fluggesellschaften als Lehrstück vorführen, die Ausstatter der heutigen Jets zwingen, genau hinzuschauen: breite Sitze, viel Beinfreiheit für jeden Passagier, ein breiter Mittelgang,
guter Service, exzellente Essens-Auswahl an Bord (sieht man mal von dem dramaturgisch notwendigen vergifteten Fisch ab, von dem sich 1964 postwendend natürlich alle Caterer distanziert haben), geräumige Toiletten an Bord. Fliegen war zu dieser Zeit noch eine kultivierte Angelegenheit. Daß den Leuten aus den offenen Gepäckablagen bei Turbulenzen die Sachen auf die Köpfe fallen, war allerdings damals auch so.

George Spencer wird nach aufreibenden 25 Filmminuten die Maschine im Morgengrauen (fast) sicher auf den Boden bringen, es werden Unmengen von Kaffee getrunken worden sein und in den Aschenbechern der Bodenkontrolle türmen sich die Kippen. Auch das war damals so. Ein besonderer Streifen, dessen knisternde Spannung ohne jegliche Gewalt, Sex und Crime und den heute anscheinend obligaten Irren oder Terroristen auskommt. Ein gutes Buch, gute Darsteller, gute Regie. Toller Film, geht doch.

Beispielbild


Flug in Gefahr
Fernsehspiel von Arthur Hailey

© 1964 Eine Produktion des Südfunk Stuttgart (SWF/SWR)
(P) 2009 In-Akustik

Darsteller:
Hanns Lothar
Benno Sterzenbach
Heinz Weiss
Günter Hoffmann
Ingmar Zeisberg
Günther Neutze
Wolfgang Stumpf
Klaus Schwarzkopf
Hans Wengefeld
Willy Semmelrogge
Rose-René Roth
Wolfgang Jansen
u.v.a.

Regie: Theo Mezger
Szenenbild: Rolf Illg, Wolfgang Wahl
Kamera: Rolf Ammon, Rudibert von Spreter, Heribert Schuster, Fritz Moser jr.
Musik: Dave Hildinger
Fernsehbearbeitung: Werner Sommer

Extra: Interview mit Arthur Hailey

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