Menschenbilder in der Kölner Stiftung Kultur

Fotografien von Gabriele und Helmut Nothhelfer und Hans Eijkelboom

von Andreas Rehnolt

"Fotografisches Psychogramm
der deutschen Gesellschaft"
 
Die Kölner Stiftung Kultur zeigt "Momente und Jahre" des Fotografen-Ehepaars Nothhelfer - Parallel Fotos von Hans Eijkelboom aus den Städten Paris, New York und Shanghai
 
 
Köln - Fans von Porträtfotos haben seit dem vergangenen Freitag in Köln reichlich zu schauen. Die Stiftung Kultur zeigt mit der Ausstellung "Momente und Jahre" erstmals das gesamte Schaffen des in Berlin lebenden Künstlerpaars Gabriele und Helmut Nothhelfer. Die bis zum 8. November laufende Schau zeigt insgesamt 128 Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die in den Jahren 1970 bis 2008 entstanden sind. Dabei handelt es sich um "eine Art Langzeitstudie, die man als fotografisches Psychogramm der bundesdeutschen Gesellschaft" bezeichnen könnte, sagte die Leiterin der Fotografischen Sammlung, Gabriele Conrath-Scholl bei der Präsentation der Ausstellung.
 
 
Dame beim Pfingstkonzert im Zoologischen Garten, Berlin 1974
Das Thema des 1945 geborenen Paares ist das Freizeitverhalten der Menschen im Alltag. Die Fotografen beobachteten vier Jahrzehnte lang die Menschen in Berlin bei Bürgerfesten, Sport- oder Kultur-Ereignissen, kirchlichen Veranstaltungen, Gedenktagen, Kundgebungen, Demonstrationen oder Ausstellungen. Die Bilder reihen sich wie eine Kette nach den Jahren in denen sie entstanden sind aneinander. "Die Schau ist fast schon ein Lebenswerk von 40 Jahren harter fotografischer Arbeit", meinte Conrath-Scholl. Gleichzeitig spiegelt sich in den einzelnen Gesichtern der Porträtierten - manchmal sind es auch kleine Gruppen, Paare oder Familien - ein Stück deutscher Geschichte wieder.
 
Besonderes und Alltägliches ist in den Gesichtern zu lesen. "Manchmal sind es Glücksmomente, die sichtbar werden; manchmal spürt man aber auch, daß in dem porträtierten Menschen etwas vor sich geht, das so gar nichts mit dem Ereignis, an dem er teilnimmt, zu tun hat", so die Leiterin der Fotografischen Sammlung weiter. Die Aufnahmen - fast alle entstanden nach den Worten von Helmut Nothhelfer aus einer Entfernung zwischen einem und anderthalb Metern - versteht das Fotografenpaar als "Zwischen-Schnappschüsse", bei denen der Einzelne an Orten des Zusammentreffens aus der Menge hervorgehoben wird. Die Nothhelfers reflektieren in ihren Aufnahmen die unterschiedlichen Ausdrucksformen von Individualität, die sich in der Haltung, der Mode, den Haarschnitten, der Art der Feste, der Kommunikation und nicht zuletzt dem Miteinander zeigen.
 
Das Werk weist nach Ansicht der Co-Kuratorin Claudia Schubert weit über seinen Entstehungsort
 
Katholik bei der Fronleichnamsprozession am Lietzensee
Berlin 1974
hinaus und stellt "ein Gesellschaftspanorama dar, in dem sich Identität und Zeitgeschichte spiegeln." Die Entscheidung, welche Bilder sie jährlich neu in ihr Werk eingliedern, beruht auf einem ebenso strengen wie intensiven Auswahlverfahren, das nach dem Prinzip "Qualität vor Quantität" vor sich geht, hieß es vor dem Ausstellungsstart. Da sieht man eine ältere Dame im geblümten Kleid, wie sie 1973 auf der Hundeausstellung im Restaurant "Alter Fritz" ihren Vierbeiner an sich drückt. Ein mißtrauisch ein Los öffnender alter Mann 1974 auf dem Deutsch-Französischen Volksfest. Ein Katholik bei der Fronleichnamsfeier am Lietzensee im selben Jahr. Hübsch die Aufnahme, die ein junges Mädchen in nachdenklicher Pose beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 1978 zeigt.
 
Eine andere Aufnahme zeigt drei junge Männer aus Westdeutschland mit Hammer und Meißel an der Berliner Mauer. Einer aus dem Trio hat schon ein kleines Stück abgeschlagen und präsentiert es den Freunden auf der Handfläche. Zwei ernst aussehende Repräsentanten der Evangelischen Kirche

Loveparade, Berlin 1991
freuen sich 1993 über die Wiedereinweihung des Berliner Doms. Eher nachdenklich machend die Aufnahme "Lesemarathon gegen die Schändung der jüdischen Gedenkstätte in der Großen Hamburger Straße in Berlin-Mitte 1998". Freude dringt aus vielen Bildern, aus anderen Sehnsucht, Verliebtheit, Hoffnung. Doch auch andere Gefühle sind eingefangen in dieser Szenerie deutscher Geschichte. Mißtrauen, Skepsis, Angst, Enttäuschung oder Trauer. Der Titel der Ausstellung ist passend gewählt. "Die Bilder zeigen Momente und erinnern an Jahre, die wiederum nur einen Moment zurückzuliegen scheinen," so Claudia Schubert.
 
Ganz anders, aber doch auf ihre Art ähnlich sind die Bilder der zweiten Ausstellung, die Fotografien des niederländischen Konzeptkünstlers Hans Eijkelboom zeigen. Die Schau mit dem Titel "Paris - New York - Shanghai" ist ebenfalls bis zum 8. November zu sehen. Eijkelboom hat sich in den drei Weltmetropolen umgesehen und Wohnviertel, Einkaufspaläste, Taxen und vor allem Passanten in den Straßen fotografiert und dabei ein Städte-Porträt der Globalisierung geschaffen, in dem die Individualität zumindest für Momente einer Gleichschaltung der Personen weicht.
 
Da sind in allen drei Städten die Business-Männer mit Aktentasche, Frauen mit Tragetaschen, Männer mit Westen, gestreiften T-Shirts, junge Pärchen, Mädchen mit dicken Sonnenbrillen, ältere Frauen mit Blümchenblusen und auf der Straße lebende Obdachlose. All das hält der Fotograf im Bild fest und stellt es anschließend in vergleichenden Reihen mit Aufnahmen aus allen drei Metropolen zusammen. So ermöglicht er laut Conrath-Scholl "den Vergleich bestimmter Momente."
 
Die Stiftung Kultur ist täglich (außer Mittwoch) von 14 bis 19 Uhr geöffnet. Am Montag ist der Besuch bei freiem Eintritt möglich.
 
 
Alle Bilder: © Gabriele und Helmut Nothhelfer, VG Bild-Kunst, Bonn 2009
Redaktion: Frank Becker