Die Bude - Trinkhallen im Ruhrgebiet

Eine fotografische Annäherung an ein Ruhrgebietsphänomen von Brigitte Kraemer und Dietmar Osses

von Stefan Schmöe
Hommage an die „Bude“
 
Eine fotografische Annäherung an ein Ruhrgebietsphänomen
 
Die „Bude“ oder „Trinkhalle“ ist so etwas wie das Ruhrgebiets-Pendant zum Münchner Biergarten. Die „Bude“ ist mehr als ein Verkaufsstand, der über die normalen Ladenschlußzeiten hinaus die Bevölkerung mit dem Wichtigsten – Zigaretten und Getränke (nicht zuletzt alkoholische), Süßigkeiten, Eis, meistens Brötchen und Bockwurst, ein paar Konserven, natürlich Zeitungen – versorgt; die „Bude“ ist immer auch Treffpunkt, für Stammkunden vermutlich die soziale Mitte des Stadtviertels. Die Schmucklosigkeit der allermeisten Etablissements dieser Art inmitten erdrückend häßlicher Nachkriegsbebauung gehört dabei zum Wesen der „Bude“, die inzwischen einerseits durch liberalisierte Ladenschlußzeiten (die das Verkaufssortiment der „Bude“ letztenendes überflüssig machen), andererseits durch den zunehmenden Leerstand von Ladenlokalen, in denen sich als unliebsame Konkurrenz „Kioske“ ohne das Flair der typischen „Bude“ breit machen, in ihrer Existenz bedroht ist.
 
Grund genug, der „Bude“ ein fotografisches Denkmal zu setzen, wie es Brigitte Kraemer in einer Ausstellung im Industriemuseum Zeche Hannover (Bochum) und im parallel dazu im Essener Klartext-Verlag erschienenen Bildband getan hat. Es liegt nahe, sich dem Thema anekdotisch zu nähern und fotografisch viele kleine Geschichtchen rund um die „Bude“ zu erzählen. Brigitte Kraemer tut das auch; da ist der kleine Junge, der gerade über die Ladentheke schauen kann; da ist die stillende Mutter hinter dem Ladentisch, da sind Hunde aller Arten (und sogar ein angeleintes Schwein) mit ihren Besitzern. Man kann auch eine kleine Typologie der „Bude“ aufzeigen: Da gibt es den frei stehenden Kiosk, den Verkaufsschalter in der Häuserfront, den Bahnhofskiosk, die Bude mit Gastraum (die eigentlich gar keine „Bude“ mehr ist) und mehr oder weniger verfallene Holzschuppen. Die “Bude“ kann vor einer Autobahnbrücke stehen, in einem ruhigen Wohnviertel, mit Blick auf einen ehemaligen Förderturm oder im Grünen; sie kann schäbig und verfallen sein oder frisch herausgeputzt. Und dann gibt es ja noch die Menschen in und vor der Bude; junge und alte, schlanke und dicke, gelangweilte und geschäftige. Das alles zeigt Brigitte Kraemer.
 
Gerade diese Vielfalt erweist sich dann aber als Schwachpunkt des durchgehend in Schwarzweiß gehaltenen Bildbandes: Zwar gibt es immer wieder einzelne Bilder, die den Betrachter beschäftigen, aber der Fülle an Aufnahmen fehlt letztendlich ein „roter Faden“. Das etwas unsystematische Nebeneinander so vieler Bilder, noch dazu in unterschiedlichsten Formaten, schwächt die Wirkung des einzelnen Bildes ab, relativiert und zeugt von einer gewissen Beliebigkeit bei der Bildauswahl. Manche Bilder wirken wie Schnappschüsse, wollen auch so wirken, andere dagegen scheinen sorgfältig arrangiert, die allermeisten aber wie eine Mischung aus beidem; ein bißchen gestellt und ein bißchen Zufall. Das ist vielleicht gar nicht einmal so falsch, um das Typische der „Bude“ zu zeigen. Um aber das Alltägliche, ja Banale auch künstlerisch hervorzuheben, müßte der Ansatz strenger sein. So bleibt der Eindruck beim Blättern in diesem Band: Ganz nett, aber man hätte auch mehr aus dem Thema machen können.
Beispielbild


Brigitte Kraemer / Dietmar Osses
Die Bude
Trinkhallen im Ruhrgebiet
 
© 2009 Klartext Verlag
 
ca. 140 Fotografien im Duplexdruck
136 Seiten, ISBN 978-3-8375-0061-5
€ 24,95

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