Besuch bei Wilhelm Busch

Erlebt

von Joachim Klinger

Besuch bei Wilhelm Busch

Zuhause lässt er sich nicht treffen.
Er wohnt möbliert bei seinem Neffen.
Sein Domizil gilt als tabu.
Jedoch er liebt die Bauernschänke­ - 
aus grobem Holz die Tische, Bänke. . .
Von draußen hört man Huhn und Kuh.

Der Wirt ist dick und putzt die Gläser.
Den Tonkrug schmücken Ährengräser.
Der Meister sitzt im Dämmerlicht.
Ein kurzer Gruß: "Ist es genehm?".
Er nickt: "Macht's euch bequem!"
Nun warten, bis er wieder spricht. 

Er ordert Bier und die Zigarre.
Ihr Rauch vertreibt die Gliederstarre
des Falters nah am Fensterglas.
Wir trinken. Seine Augen blitzen.
Er greift zur Mappe mit den Skizzen
und murmelt: "Einfach nur zum Spaß".

Da schleichen Katzen, grasen Rinder,
und spielen immer wieder Kinder.
Ein Knecht fegt vor dem Scheunentor.
Natürlich liegt im Heu ein Schläfer.
Es huscht die Maus. Ein großer Käfer
kriecht aus dem welken Laub hervor.

Vom Stift des Meisters festgehalten,
will alles sich ganz neu entfalten.
Es lebt und dehnt sich bis zum Rand.
Ich könnte stundenlang nur schauen.
Doch Busch senkt seine Augenbrauen
und legt die Bilder aus der Hand.

Dann Schweigen in der Raucherecke.
Zigarrenwolken steigen an die Decke.
Der Meister streicht den grauen Bart.
Er zahlt. "Es war mir ein Vergnügen.
Genießen Sie in vollen Zügen
die Landluft vor der langen Fahrt."

Schon geht er fort. Die Tür bleibt offen.
Das war es wohl. Ich habe ihn getroffen.
Mir fehlt so sehr noch ein Gedicht,
ein Vers, erheiternd und erbaulich. . .
Der Wirt entlässt mich fast vertraulich:
"So viel sprach er seit Wochen nicht!"


© Joachim Klinger - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2007

 

Beispielbild
© 2007 Joachim Klinger

Dr. Joachim Klinger, * 1932 in Dortmund, seit 48 Jahren verheiratet, Vater, Großvater, Jurist (Promotion 1960)
bis 1964 Arbeit am Schulkollegium Münster
1964-1994 Kultusministerium NRW

Veröffentlichungen (Auswahl): "Prozeß und Zeichnung - Justizkarikaturen" (1973), "Freispruch für die Karikatur" - ein Plädoyer mit Illustrationen (1999),
"In Hafenkneipen trifft sich gern der Ringelnatz mir Morgenstern" - Lyrische Kapriolen und Karikaturen (2002), "Morgensterns Kater, Ringelnatzens Pinguin" (2004), "Wadenkrampf bei Waterloo" (2006)
seit 2007 Autor und Illustrator der "Musenblätter"

Illustrationen (u.a.): zu Ulrich Harbecke "Mantel, Schwert und Feder", ders. "Literadatsch", zu Martin Bergande "Der irrende Ritter der Poesie oder Grabbe in Düsseldorf"

Ausstellungen (Auswahl):
1992 Orangerie Schloß Benrath
1995 Guardini-Stiftung in Berlin
2002 Wilhelm Fabry Museum, Hilden
2006 Matera/Italien