Höfliche Gegenrede
Oh, oh, lieber hochgeschätzter Kollege Beikircher,
der Himmel hat mir den Fauxpas mit der „Landeshauptstadt“ längst verziehen; damals war noch meine Süße alleinige Korrektorin der Kritiken. Heuer würde unser gemeinsamer Freund Frank Becker (dem ich seit einiger Zeit meine Berichte zur Verfügung stelle) ein derartiges Skandalon niemals mehr durchlassen.
Natürlich weiß ich – und das ist und war wirklich ein Skandal! – daß die kleine Bonner Oper, ein Haus mittlerer Kinogröße damals, aufgrund von Repräsentationsritualen der Bundeshauptstadt Bonn nicht nur ein guter 100-Millionen-DM-Etat zusammenhielt (soviel wie, mit Verlaub, die großen Häuser von Düsseldorf und Kölle zusammen), sondern auch die Option unbegrenzter Etatüberziehung. Das war in der Kasse des „Ehrenwortkanzlers“ immer drin, obwohl der lieber ins Fußballstadion ging, jedenfalls nie in der Oper gesehen wurde! Selbst dem wirklich grandios gemachten „Hannelore Kohl Tanztheater“ verweigerte sich der Dicke.
Das Haus war ein erschütterndes Paradebeispiel für Steinzeitoper mit Rampengesang – dagegen waren die Wiener fast modern. Regisseure wurden nach dem Motto „Komplex der Einfachheit“ verpflichtet. Bitte keine schwierigen Szenen und auf keinen Fall irgendwelche Ansätze zum Musiktheater, weil unsere Stars täglich wechseln und nicht irritiert sein dürfen. Heute gehört die Bonner Oper zu den von mir hochgeschätzten Häusern der bundesrepublikanischen Opern-Szene, und Aufführung, wie „Die tote Stadt“ oder letztens noch „König Roger“ zeigten ein Weltklasse-Niveau. Dies habe ich sehr ausführlich und weit umfänglicher als alle Tageszeitungen gewürdigt, und nicht ohne Grund hat man beide Kritiken ja auch fast ungekürzt auf die hauseigene Heimseite gestellt.
Ich habe mich in der Tat sehr für Kresnik und sein politisches Tanztheater eingesetzt; mein Statement, verbunden mit der ersten Kritik seiner Truppe – „warum wir in dieser Zeit Johann Kresnik brauchen“ – wurde sogar auf einen 2 Meter hohen Reiter aufgezogen und an den Kassen aufgestellt …wo gab es so etwas sonst je?
Also ruhig Blut, lieber Kollege Beikircher! Sie haben mich da gestern in einer etwas falschen Ecke angeleuchtet. Das tut jemandem, der mit dem Herzblut eines echten Opernfreundes schreibt und dem dabei kein Geld, sondern nur die Ehre lacht, schon etwas weh. Ewer nix für unjuht, wie wir Düsseldorfer auch zu sagen pflegen. Habe die Ehre…
Ihr
Peter Bilsing
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