Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben

Das Helmut Qualtinger Hörbuch

von Frank Becker
Prädikat: "Besonders wertvoll"

Otto Schenk und Gert Fröbe haben Helmut Qualtingers Sketch "Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben" aus dem Jahr 1960 durch eine immer wieder gerne in Unterhaltungsprogramme eingebaute köstliche Fernseh-Aufzeichnung unsterblich gemacht. Ungleich kostbarer aber ist der Live-Mitschnitt aus dem Wiener Kabarett-Programm "Hackl vorm Kreuz" mit Qualtinger selbst in den beiden Rollen der sich beim Abschminken über ihre tragisch erfolglose Theater-Karriere unterhaltenden alternden Mimen. Allein Aussig, Tetschen-Bodenbach, Duxburg-Skomodau, Bunzlau, Bielitz, Reichenberg, Teplitz-Schönau, Leitmeritz, die Orte der Engagements sind durch ihre Nennung Pointen, sie stecken voller liebenswertem Humor und tiefer Wehmut.
Qualtinger brilliert unnachahmlich. Ein Kabinettstück.

Gemeinsam mit seinem kabarettistischen alter ego Carl Merz hat Qualtinger u.a. die Figur des lakonischen Travnicek erfunden, der durch seine fatalistische Haltung seinen Gesprächspartner bis aufs äußerste fordert. Die Nummer über die Wahlen, die 1958 entstanden und in einer Aufnahme Mitte der 60er Jahre zu hören ist, kommentiert Qualtinger: "...sie handelt von einer Wahl - ich glaube, die Nummer ist heute noch genauso aktuell und drum mach ich auch kein Cabaret mehr". Sollte man sich in diesem aktuellen deutschen Multi-Wahljahr durchaus mit Aufmerksamkeit anhören. Qualtingers Travnicek begegnet hier auf Augenhöhe Kurt Tucholskys "älterem aber leicht besoffenen Herrn".

"Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus räumen bitterböse mit der k.u.k. Habsburger Monarchie und ihrer Hybris bis zu den letzten Tagen (sic!) ihrer Zeit und des 1. Weltkrieges auf. Qualtinger vermag die Arroganz wie kaum ein zweiter zu vermitteln. Apropos Arroganz: auch der Peter Altenberg-Text "Sanatorium für Nervenkranke" nimmt eine solche Überheblichkeit auf die spitze Feder, nämlich die der psychiatrischen Götter in Weiß. Ein urkomisches Bonbon seit jeher ist Egon Friedells Briefwechsel mit Hans Sassmann um einen Weihnachts-Beitrag für die Frankfurter Zeitung. Qualtinger - übrigens ein unerhörtes Stimm- und Dialekt-Phänomen - gibt hier wie bei den anderen "zweistimmigen" Texten seinen Figuren großartig Charakter. Nicht weniger köstlich ist Friedells Brief an Anton Kuh, der in einer 1968 aufgenommenen Lesung Heiterkeit verursacht.

Der Geschichte (also der kleinen und der großen) gehören die beiden letzten Kapitel: "Der Herr Karl" (kleine Zeitgeschichte) und "Mein Kampf" (große Zeitgeschichte), wiewohl sich beide Protagonisten nicht wesentlich in ihrer Intelligenz und Weitsicht voneinander entfernen und zu gleicher Zeit und im gleichen Land ihren Horizont schufen. Nun versuchen die Österreicher ja heute gerne, und den Hitler als Deutschen und den Beethoven als Österreicher zu verkaufen - doch Helmut Qualtinger lag solche Geschichtsklitterung fern.
Genießen die literarische und kabarettistische Größe österreichischer Namen wie eben Helmut Qualtinger, Carl Merz, Egon Friedell und Peter Altenberg. Ein äußerst empfehlenswertes Hörbuch mit dem Qualitäts-Siegel "Besonders wertvoll". Dafür den Musenkuß!
 
Beispielbild


Das Helmut Qualtinger Hörbuch

Helmut Qualtinger liest eigene und fremde Texte

© 2008 Diogenes

Titel:
1. Der Menschheit Würde (Qualtinger)
2. Hamlet oder Der Schwierige (Carl Merz & Helmut Qualtinger)
3. Travnicek und die Wahlen
( Merz & Qualtinger)
4. Der Alleinherrscher (Qualtinger)
5. Die letzten Tage der Menschheit (Karl Kraus - neun Ausschnitte)
6. Sanatorium für Nervenkranke (Peter Altenberg - Auszug)
7. Die österreichische Seele (Egon Friedell)
8. Ein Brief an Anton Kuh (Friedell)
9. Der Herr Karl (Qualtinger & Merz - Auszug)
10. Mein Kampf (Adolf Hitler - Auszug)

Gesamtzeit: 1:16:39

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