Überirdisch schön

Das Sinfonieorchester Wuppertal unter Toshiyuki Kamioka verzauberte mit französischen Impressionisten

von Frank Becker
Ein musikalisches
Blütenmeer
 

Das Sinfonieorchester Wuppertal präsentierte unter seinem GMD Toshiyuki Kamioka
einen leuchtenden Strauß des französischen Impressionismus
 
Am Abend des 35. Todestages von Darius Milhaud mit Werken von Olivier Messiaen, Camille Saint-Saëns, Claude Débussy und Maurice Ravel aufzuwarten ist schon ein genialer Streich. So geschehen am Montag in Wuppertal, wo das Sinfonieorchester unter der Leitung seines GMD Toshiyuki Kamioka und mit dem Pianisten Pascal Rogé als Stargast vor nahezu ausverkauftem Haus ein impressionistisches Füllhorn ausschüttete, das den philosophisch umstrittenen Begriff „Glück“ musikalisch hinreißend definierte.
 
Wie aus dem Nichts

Der kalendarisch am Vortag eingetretene Sommer legte sich ins Zeug, das Publikum konnte in
leichter Garderobe antreten, was der Leichtigkeit des Themas entgegenkam. Die ausgewählten Bonbons boten – gemeint ist der ganze Abend – eine Sinfonie berückender Kompositionen, die in dieser Zusammenstellung ein Programm voller Steigerungen boten. Zum wundervollen Auftakt hatte Toshiyuki Kamioka Olivier Messiaens „Les offrandes oubliées (Die vergessenen Opfergaben)“ gewählt, eine sinfonische Petitesse von großer Delikatesse, die einem beinahe das Atmen verbietet. Die Zartheit vor allem des wie aus dem Nichts aufschwebenden Schlußstücks mit der schmelzenden Bezeichnung „Extremement lent, avec une grande pitié et un grand amour“ legte den Zauber der Ruhe über den Saal und schlug wohl jeden in ihren Bann. Das Orchester bot eine fulminante Interpretation, die der Intention Messiaens gerecht wurde.
 
Zu Camille Saint-Saëns´ Klavierkonzert Nr. 5 F-Dur op. 103 trat Pascal Rogé an, ein international renommierter Pianist, zu dessen besonderer Liebe eben die französischen Impressionisten gehören. Besinnlich und weich legte er in beinahe schwereloser Ruhe das Allegro animato des Kopfsatzes an, ließ im Andante in weiten melodischen Bögen Landschaftsbilder von beeindruckender Größe entstehen, bis er – sich unerhört steigernd – mit dem Schlußakkord förmlich den aufbrausenden Jubel aus dem hochmotivierten Publikum herauspeitschte. Da wurde fühlbar, was das Glück der Musik bedeutet. Zum Seufzen schön schenkte Rogé als Zugabe die gläsern zarte Gymnopédie No. 1 von Eric Satie, genau so, wie sie sein muß: „Lent et douloureux“.

Blütenträume in Pastell

 
Leuchtender als Claude Debussys „Petite Suite“ ist Musik kaum vorstellbar, wenn man ihr abverlangt Leichtigkeit zu haben, lichtdurchflutet zu sein, zu fließen und zu plätschern und bildhaft die heitere Seite des Lebens zu illustrieren. Man sah sie alle vor dem inneren Auge, die Bilder Seurats und Sisleys, Renoirs und Monets, Manets und Cézannes, die Blütenträume, Spazierwege und Segelboote in ihren frischen Farben und den weichen Pastelltönen.
Maurice Ravels Ballettmusik „Daphnis et Chloé“ vervollständigte diesen berückenden Abend zauberhafter Klänge – ein großes musikalisches Geschenkpaket fand hier seine Komplettierung in einem Rausch fast überirdisch schöner Klänge. Besonders die Harfen und die Holzbläser, namentlich die Flöten entführten in ein verlorenes Paradies, bis der Schlußsatz, der „Danse générale“ das Orchester in einem gewaltigen Finale zum musikalischen Höhepunkt führte. Daß das beglückte Publikum sich mit minutenlangem stehenden Applaus für die exorbitante Aufführung bedankte, war nicht weniger als angemessen.