Fernsehen, Wissenschaft und Bildung

Eine Ansprache zur Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität Wuppertal an Ranga Yogeshwar

von Monika Piel

Monika Piel - Foto © Frank Becker
WDR-Intendantin Monika Piel
am 23. Juni 2009
beim Festakt  in der Stadthalle Wuppertal


Sehr geehrter Herr Professor Koch,
sehr geehrter Herr Prof. Tibken,
sehr geehrter Herr Prof. Grünberg,
sehr geehrter Herr Prof. Treusch,
Lieber Ranga Yogeshwar,
sehr geehrte Damen und Herren,
 
es gehört heutzutage schon beinahe zum guten Ton, das Fernsehen für alles Schlechte der Welt verantwortlich zu machen: für den Untergang der Bildung, der Kultur, für die Verrohung der Kinderstube und die „Verblödung der Massen“. Also ist es gewiß ein besonderer Vorgang, wenn hartgesottene Wissenschaftler jemanden „vom Fernsehen“ mit einer Ehrendoktorwürde auszeichnen.
Denn, - das wußte schon Einstein – es ist sicher schwieriger, eine vorgefaßte Meinung zu zertrümmern als ein Atom. Und zwar – so die Begründung – weil er im Fernsehen sich „verdient gemacht hat um die Vermittlung wissenschaftlicher Stoffe für ein großes Publikum“. Ranga Yogeshwar erhält heute die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Elektrotechnik, Informationstechnik und Medientechnik der Bergischen Universität Wuppertal. Dazu gratuliere ich Ihnen, lieber Herr Yogeshwar, sehr herzlich. Und es freut mich besonders, dass Ihnen diese Ehrung hier an der Universität Wuppertal zuteil wird. Denn die Universität Wuppertal und der WDR haben seit langen Jahren eine gute Beziehung zueinander.
 
Viele Absolventen der Universität arbeiten beim WDR – unser Wellenchef von EINS LIVE, Jochen Rausch z.B.,  unsere Gleichstellungsbeauftragte, Frau Piter, und natürlich viele Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen. Zudem war der Vorsitzende unseres Rundfunkrates, Reinhard Grätz, 30 Jahre Wuppertaler Landtagsabgeordneter, er hat die Gründung und den Aufbau der Universität begleitet.
Aber auch in technischer Hinsicht arbeitet der WDR seit vielen Jahren mit dem Lehrstuhl für Nachrichtentechnik zusammen:
die meisten von Ihnen wissen, dass der Lehrstuhl durch unseren ehemaligen Leiter –
- des Farblabors, Prof. Dr. In der Smitten, gegründet wurde
- unsere ersten Versuchssendungen zum digitalen Fernsehen wurden vom Sender Langenberg zur Bergischen Universität gesendet (1992)
- das Projekt wurde unter Prof. Uwe Kraus fortgeführt
- es gibt Pläne, das historische Fernsehlabor in Wuppertal zusammen mit dem WDR zu betreiben. So gesehen wird mit der heutigen Verleihung der Ehrendoktorwürde an Herrn Yogeshwar diese enge Bindung nochmals unterstrichen.
 
Unter Pädagogen sind „Quarks & Co.“, „Kopfball“ und „Wissen vor 8“ schon lange beliebt – quasi als

Ranga Yogeshwar - Monika Piel - Foto © Frank Becker
„Sendungen mit der Maus“ für Erwachsene.Aber es zählt doppelt, wenn auch die Fachwelt,  sich diesem Urteil anschließt und nun mit der Ehrendoktorwürde einerseits signalisiert, daß sie Ranga Yogeshwar als einen der ihren betrachtet, und andererseits anerkennt, daß er die Fenster des Elfenbeinturms weit geöffnet hat.
Die Geburtsstunde des Fernsehmoderators Yogeshwar hatte mit Jean Pütz, dem langjährigen Moderator der „Hobbythek“ und einer Wissenschaftsshow zu tun und mit einem Unfall, an den wir alle uns erinnern: die Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl, am 6. April 1986. Jean Pütz legte dazu eine aktuelle Sendung auf und da kam ihm ein junger Physiker gerade recht, der seinen Weg von der Kernforschungsanlage Jülich in die Studios des Westdeutschen Rundfunks gefunden hatte. Er entsprach so gar nicht dem Bild eines hochspezialisierten Naturwissenschaftlers, wenn er weit über sein Fachgebiet hinaus Themen aus Forschung und Technik auch für Laien verständlich darstellte und erklärte. Er konnte frei sprechen, hatte stets plastische Modelle zur Hand, kam gut rüber – und war seitdem Co-Moderator der „Wissenschafts-Show“.
Und wenn uns heute dieses Kompositum leicht über die Lippen geht, dann ist das auch ein Verdienst von Ranga Yogeshwar – denn „Wissenschaft“ und „Show“, das gehörte in den frühen Jahren des deutschen Fernsehens durchaus nicht zusammen. Das Fernsehen der 50er und 60er Jahre verstand sich als klassische Bildungsanstalt. Als eine Volkshochschule im besten Sinne. Nicht von ungefähr stammt der wichtigste Preis des deutschen Fernsehens, der Grimme-Preis, aus jener Zeit. Verliehen wird er nach wie vor vom Verband der Volkshochschulen. Wissenschaft durfte in dieser Volkshochschule nicht fehlen – aber eben eine, die uns sozusagen vom Katheder herunter erklärt wurde. Erst in den 70er Jahren gab es erste Ratespiele  - vielleicht erinnert sich der eine oder andere im Publikum noch an „Kopf um Kopf“ mit Alexander von Cube. Oder an Hoimar von Dithfurth, der erst im WDR und dann im ZDF mit seiner Sendung „Querschnitte“ begann, komplexe Themen leicht verständlich für ein Publikum zu formulieren.
 
Daß Wissenschaft im Fernsehen überhaupt den Weg vom Schul-Fernsehen ins Abendprogramm finden konnte, hatte ganz bestimmt auch mit der Faszination für die Mondlandung zu tun, die 1969 hier in Deutschland vom WDR übertragen wurde. Günther Siefahrt, der damalige  Wissenschafts-Chef, moderierte 28 Stunden live und hatte danach den Namen „Mister Apollo“ weg. Ranga Yogeshwar  war damals gerade 10 Jahre alt, durfte aufbleiben  und saß wie viele Millionen andere Menschen vor dem Fernseher. Wer würde jetzt nicht von kindlicher Prägung sprechen! Als Moderator im Fernsehen sitzen, den Menschen draußen am Bildschirm die Segnungen der Naturwissenschaften nahe bringen! Projektmanagement, Computerchips,  und die Teflonpfanne!! Sie haben, Herr Yogeshwar, jüngst in Ihrer Sendung „Quarks & Co.“ davon erzählt, wie sehr Sie das damals beeindruckt hat und uns einmal mehr darüber aufgeklärt, dass die Teflon-Pfanne schon vor der Mondlandung erfunden war.
 
Als 1993 die „Wissenschaft-Show“ im WDR von „Quarks & Co.“ abgelöst wurde,  haben Ranga

Ranga Yogeshwar - Monika Piel - Foto © Frank Becker
Yogeshwar und sein Team ein Wissenschafts-Magazin mit hohem Gesprächswert  entwickelt. Gut recherchiert, auf der Höhe der Zeit und – das war der Weg raus aus dem Studio – mit starken Bildern und Selbstversuchen. Der Moderator einer Wissenschaftssendung, der mit Saugnäpfen an den Scheiben eines Hochhauses hinaufklettert, um zu zeigen, wie ein Gecko die Wand hochlaufen kann. Oder: ein Moderator, der sich bis zum Umfallen der Schlaflosigkeit aussetzt.
Diejenigen, die mit ihm zu tun hatten, merkten schnell, das hier jemand nicht nur außerordentlich fleißig, sondern präzise bis zur Nerverei ans Werk ging. Bei allem Wagemut gehört natürlich doch auch eine Sicherheitsleine dazu - denn auch das gehört zur Professionalität, daß man, wenn man die  Schwerelosigkeit in einer Transall–Maschine vor laufender Kamera ausprobiert, eine Spucktüte zur Hand hat, weil sonst die Bilder im Fernsehen nicht mehr so schön aussehen.
 
Warum aber überhaupt forschen?
Für Richard P. Feynman, den berühmten Physiker war die Antwort klar:
„Wissenschaft ist wie Sex. Manchmal kommt etwas Sinnvolles dabei raus, das ist aber nicht der Grund, warum wir es tun.“
Warum dann? Woher das Feuer und der Elan für die Themen der Wissenschaft?
Die Yogeshwar-Forschung steht da noch am Anfang. Ich möchte trotzdem einmal drei Thesen wagen:
 
1. These: Frei nach Isaac Newton – der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Ihr Vater war Diplomphysiker; Ihr Großvater war Wissenschaftler/Erfinder. Auch mütterlicherseits sieht es nach erblicher Vorbelastung aus, es dominieren Ärzte und Ingenieure: der Vater Ihrer war Diplomingenieur, dessen Vater Emilié Chomé wiederum Ingenieur. Vielleicht ist die Begeisterung für Wissenschaft und Technik, die Fähigkeit zur Analyse, ja doch vererbbar. Zumindest gab es in Ihrer Familie einen guten Nährboden für eine wissenschaftliche Karriere. Das beweist auch der Zwillingstest, denn auch Ihr Zwillingsbruder ist promovierter Physiker.
 
2. These: Wären es nur Lehrer und Wissenschaftler, die Ihnen begeistert zusehen und -hören, die Sendereihe „Quarks& Co“ wäre längst aus dem Programm genommen. Aber Ihre Sendungen erreichen eben nicht nur die Gruppen, die vieles schon wissen. Ihre Leistung besteht darin, Wissen und Wissenschaft auch für die vielen attraktiv zu gestalten, die einfach neugierig sind und sich gern von Ihnen informieren lassen. Menschen für Technik, Ingenieurswissenschaften, für Physik und Naturwissenschaften zu begeistern, scheint mir eine wesentliches Motiv Ihrer Arbeit zu sein.
 
3. These: Eine andere Motivation beschreiben Sie selbst, lieber Herr Yogeshwar, im Vorwort Ihres aktuellen Buches: „Warum“, heißt es dort, „wandern die Tautropfen einer sonnigen Herbstwiese immer ans obere Ende des Grashalms? Warum kleben Spinnen nicht an ihrem Netz fest? ... gerade diese scheinbar unpraktischen Fragen haben mich seit jeher fasziniert“, schreiben Sie. „Schon als Kind konnte ich stundenlang einem Regenwurm beim Essen zuschauen und vergaß dabei schon mal die Hausaufgaben“.
 
Mit der Zeit kam dann die Erkenntnis, daß es „wohl doch keine Aufteilung in unwichtige und wichtige

Monika Piel - Foto © Frank Becker
Fragen gibt und das jede Frage es wert ist, ernst genommen zu werden“. Das ist eine gute und wirksame Triebfeder für jemanden, der unseren Zuschauern im Ersten mittlerweile beinahe täglich in „Wissen vor 8“ die Welt erklärt. „Erkenntnis“ ist dabei für Sie „nie ein endgültiges Ergebnis, sondern allenfalls eine Zwischenbilanz auf einem langen und überraschenden Weg des Hinterfragens“.
Ich wünsche Ihnen und uns, das Ihre Neugierde auch auf die scheinbar nebensächlichen und einfachen Dinge des Lebens nie versiegt, denn der Beginn aller Wissenschaften ist das Erstaunen, dass die Dinge sind wie sie sind.
 
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit