Emil Fahrenkamp –
Visionäre Architektur eines Opportunisten Unter der bescheidenen Überschrift «Arbeitsheft der Rheinischen Denkmalspflege 59» veröffentlichte 2002 der Berliner Michael Imhof Verlag ein Buch des Wuppertaler Historikers Dr. Christoph Heuter – seine beeindruckende Dissertation zum Thema «Emil Fahrenkamp 1885-1966 – Architekt im rheinisch-westfälischen Industriegebiet». Wer den Band in die Hand nimmt, fühlt sogleich das Understatement. Im Format von 30 x 21,5 cm, mit 624 Seiten auf Kunstdruckpapier und einem Gewicht von 2877 Gramm ist die reich illustrierte Monographie zum Werk des Mannes, der mit dem berühmten Shell-Haus in Berlin und dem Wuppertaler Kaufhaus Michel am Wall wegweisende Exempel des Neuen Bauens schuf, ein prachtvoller Exkurs durch rund 50 Jahre deutscher Kulturgeschichte zwischen 1. Weltkrieg und Wirtschaftswunder.
Architektur ist vielleicht das augenfälligste Dokument von Zeitgeschichte, Modeströmung und Stilentwicklung, hat Bestand auch über die bemessene Zeit eines Stils hinaus. Am Werk eines Architekten wie Emil Fahrenkamp läßt sich bewegte Geschichte ablesen. In der Gründerzeit aufgewachsen, erlebte er den Stil des Fin de siècle, den Jugendstil, gestaltete den neuen Aufbruch mit Art Déco und Bauhaus in der Weimarer Republik architektonisch mit und drückte schließlich nach dem Dritten Reich – denken wir an das Gauehrenmal in Essen und den Deutschen Pavillon auf der Wasserbauausstellung Lüttich 1939 als wuchtige Demonstrationen nationalsozialistischen Baustils – bis in die 60er Jahre mit Wohn- und Geschäftshäusern dem Wiederaufbau nach dem Krieg in Deutschland seinen Stempel auf. Emil Fahrenkamp war kein unpolitischer Mann, wenn er sich selbst auch so sah. Aber Genie ist weder von einem Parteibuch abhängig, noch von einem solchen zu verhindern.
Die umfangreiche, sehr detaillierte und ausgesucht bebilderte Biographie Fahrenkamps, die Christoph Heuter auf 175 Seiten plus 35 Seiten Anmerkungen dem Katalogteil seiner Monographie voranstellt, zeichnet das Bild eines energischen Erfolgsmenschen mit besten gesellschaftlichen
Danach sind Entwürfe und Ausführungen von Monumentalgebäuden in Dimensionen überliefert, wie sie von Albert Speer landläufig bekannt sind. Die Pläne für die Umgestaltung der Düsseldorfer Altstadt samt Gauforum zeugen von der ansteckenden Wirkung nationalsozialistischen Größenwahns. Diese Hinwendung zur monumentalen Monstrosität der Architektur der Macht ist umso weniger zu verstehen, wenn man die Bilder des von Fahrenkamp 1925 ausgestatteten Hotels «Vier Jahreszeiten» in Hamburg und des Bremer «Atlantic-Hauses» 1926 anschaut. Wie das Kurhotel «Monte Verità» in Ascona (1928) , die Siedlung Speldorf des Arbeiter Spar- und Bauvereins Oberhausen in Mülheim, das DVK-Verwaltungsgebäude in Berlin (1930) und sein Meisterwerk, das legendäre Shell-Haus am Reichpietschufer in Berlin sind diese Bauten Ausdruck fortschrittlichen
Seine Hinwendung zum Nationalsozialismus desavouierte Fahrenkamp nach 1945. Er trat vom Direktorenposten der Akademie zurück und wurde 1946 entlassen. 1948 bekam er wie viele Nazi-Größen seinen «Persilschein» und wurde pensioniert. Seine Bemerkung: «Es ist nicht mehr meine Zeit.», spricht für sich. Die alten Seilschaften funktionierten, Fahrenkamp erneuerte den 1946/48 «Breidenbacher Hof», beriet 1947 beim Wiederaufbau des Duisburger Stadttheaters, baute 1948 das «Landhaus Lucht» für Mitglieder des aus dem braunen Sumpf entstandenen neuen «Elite», konnte 1949-55 in Duisburg das Verwaltungsgebäude der Fa. Klöckner konzipieren und baute bis 1965 Villen für den Geldadel und Kaufhäuser in Düsseldorf, Köln, Herne und Essen. Ein Foto in Christoph Heuters spannendem Buch zeigt Fahrenkamp 1964 mit seinem Chauffeur-gesteuerten Cadillac Sedan de Ville und Ehefrau mit Persianerjacke. Von seinem Meisterwerk, dem Shell-Haus hat er sich später distanziert, wohl weil es Hitler mißfiel. 1966 starb Emil Fahrenkamp wohlhabend und geachtet in Breitscheid.
Christoph Heuter: «Emil Fahrenkamp», Imhof Verlag, 624 reich illustrierte Seiten, Gebunden, Fadenheftung, Index, Anmerkungen, Biographien, 99,- Euro.
Weitere Informationen unter: www.imhof-verlag.de/
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