Warum Männer nicht zuhören...

"Kabale und Liebe" in Düsseldorf

von Frank Becker

Der Dritte Ort

Schillers "Kabale" als Tragikomödie

Inszenierung und Bühne
: Andreas Kriegenburg - Kostüme: Marion Münch - Musik: Ingo Schröder - Dramaturgie: Irma Dohn - Licht: Jean-Mario Bessière - Ton: Hans-Jürgen Becker
Besetzung: Matthias Leja (Präsident von Walter) - Daniel Christensen (Ferdinand, sein Sohn) - Katrin Röver (Hofmarschall von Kalb) - Xenia Snagowski (Lady Milford) - Daniel Graf, Thiemo Schwarz (Wurm) - Götz Schulte (Miller) - Janina Sachau (Luise, seine Tochter)

Vorspiel auf dem Theater

Mit einem wahren Geniestreich eröffnet Andreas Kriegenburg seine Düsseldorfer Inszenierung des Bürgerlichen Trauerspiels "Kabale und Liebe", das 1784 der Militärarzt und Dramatiker Friedrich Schiller seiner Gesellschaft um die Ohren haute. Kriegenburg besetzt nämlich die interessanteste Figur des Dramas mit zwei Personen, gleichzeitig, notabene. Man ahnte es schon immer: so intrigant kann einer alleine gar nicht sein. Daniel Graf und Thiemo Schwarz sind sozusagen ein siamesischer "Wurm". Häufig parallel, mitunter alternierend, durchweg brillant und ungemein unterhaltend. Vor dem "Eisernen" geben sie ein Vorspiel auf dem Theater, das sich gewaschen hat. Burlesk, wortgewaltig und -gewandt, süffisant und nuancenreich ermöglichen sie einen atemberaubenden Einstieg in eine optisch und sprachlich modern gestaltete Fassung des Klassikers, die auf Vordergründiges wie auf Ausstattung verzichtet, verzichten kann.

Der Himmel und Ferdinand

Denn hier zählt allein das Wort  - und das liegt bei der hervorragend besetzten Schauspieltruppe in besten Mündern. Das so oft larmoyant inszenierte Stück wird bei Kriegenburg schillerndes (haha!) Theater, eine Hochgeschwindigkeits-Kabale mit beißendem Witz. Kriegenburg und seine Dramaturgin Irma Dohn geben dem Stück die Peitsche - und dem altersmäßig durchaus gemischten Publikum Zuckerbrot. "Der Himmel und Ferdinand reißen an meiner Seele!", ringt sich aus Luisens Brust, und wer es so von Janina Sachau hört, muß es glauben. Selten sah und spürte man die ungeheuren und vielfältigen Emotionen und Begehren der Personen dieses Dramas so intensiv illustriert und gelebt. Wir fühlen uns vor dem Schmerz einer Liebe, die nicht sein darf, tief bedrückt, würden so gerne einer anderen Liebe, nämlich der Lady Milfords zu Ferdinand Hoffnung wünschen, können den getretenen Wurm verstehen, der zu nichts taugt als Werkzeug für die Kabale, allenfalls noch als Schreibpapier, möchten hineinrufen: So hört doch mal einander zu! Doch liegt, kaum anders als heute, die Macht in den falschen Händen. Dieses Theater spielt für seine Zuschauer - die zeitlose Inszenierung Kriegenburgs erreicht uns.

Und nebenbei: Geben sie Gedankenfreiheit

An das, was der doppelte Secretarius Wurm vorlegt, kann alsbald Xenia Snagowski als Lady Milford in Jeans und mit roten Schuhen nahtlos anknüpfen - die "Würmer" geben zur Überleitung ein köstliches Zwischenspiel mit Handpuppen. Snagowski zeichnet das Charakterbild der "Hure des Fürsten"
ganz hervorragend, verschafft sich damit neben dem geradezu unerhört aufspielenden Matthias Leja, der den Präsidenten von Walter mit wundervoller Hybris gibt, beinahe den höchsten Rang dieser Aufführung. Gewiß, Daniel Christensen als Ferdinand von Walter, Janina Sachau als Luise Miller und Götz Schulte als Musikus Miller verschaffen dem Zuschauer kaum minder großen Theatergenuß, doch was Graf/Schwarz, Leja und Snagowski zeigen ist purer Theaterzauber. Halt, da ist noch jemand: Katrin Röver nämlich, die als Hofmarschall von Kalb sehr sympathisch besetzt ist und der ambivalent angelegten Rolle einen nicht uncharmanten neuen Dreh gibt. Wiederum eine der schlauen Ideen, auf die vor Kriegenburg keiner gekommen ist. Von sprachlicher Wendigkeit, intelligent aufgemöbelt und von fast chassidischem Witz ist die textliche Bearbeitung von Irma Dohn - schwebend harmonierend mit der (an herrlichen Ideen gebricht es der Inszenierung wahrhaftig nicht) dramaturgisch bestechend eingesetzten Musik von Ingo Schröder, der die Aufführung unter Wellen von wabernden weißen Stoffbahnen auf leerer weißer Bühne in weißem Anzug begleitet - am gitarristisch gespielten E-Bass wie an der Mandoline. Immer der richtige Ton zum rechten Moment.

Schnaken und Schnurren

Reich an Metaphern, Kino-Anspielungen und musikalischen Zitaten (ein Spritzer "Don Karlos", Newmans "Short People", de Niros "Taxi Driver"-Monolog, Prince´s "You Don´t Have To Be Rich", "Riders In The Storm" von den Doors u.a.m.) bleibt das Drama quasi bis zum unvermeidlichen fatalen Schluß eine veritable Tragikomödie mit allerlei Schnaken und Schnurren.
Das erlaubt dann auch mal Sätze wie "Heißt du UHU oder warum klebst du so an mir?". Dazu zähle ich mal großzügig auch das beinahe schon groteske endlose Sterben Luisens auf dem Weg zum "Dritten Ort". Dramatischer konnte auch Asta Nielsen zu Stummfilmzeiten nicht den Löffel abgeben. Und wieder einmal wird deutlich, daß eigentlich alles Üble nur passiert, weil Männer einfach nicht zuhören können und gekränkte Eitelkeit einen verdammt hohen Preis hat. Spürbare Ergriffenheit beim Publikum und durch Bravi bekundete Begeisterung. Unbedingt erlebenswert.

Besuchte Vorstellung: 3. Mai 2009
Nächste Vorstellungen: heute, 6. Mai, sowie 15., 19., 26. Mai
Weitere Informationen unter: 
www.duesseldorfer-schauspielhaus.de