Krimi-Lesefutter

Knisternde Ent-Spannung

von Sabine Kaufmann

Foto © Frank Becker
Spannende Ferien!
Eine Handvoll Krimis zur knisternden
Ent-Spannung

Aus dem reichen Angebot der aktuellen Kriminalliteratur darf ich Ihnen hier eine kleine Auswahl an Krimis vorstellen, die für den einen oder die andere unter Ihnen vielleicht genau die richtige Ferienlektüre sind und unbedingt mit in den Koffer müssen. Der ist zwar schon voll - man weiß ja einfach nicht, für welches Wetter man gerüstet sein muß und nimmt lieber zuviel als zu wenig mit - doch für ein paar der überwiegend als Taschenbücher daherkommenden Romane wird sich zwischen Sommerbluse und Pelerine, Sandalette und Wanderschuh noch eine freie Lücke finden.

KR Ottakring ist zurück
 
Das Rosenheimer Land ist schön. Und meist ist es ländlich und friedlich. Nicht aber in Hannsdieter
Loys neuem Kriminalroman "Rosenschmerz", der im Prolog mit einem brutalen Gattenmord auf einem Bauernhof beginnt. Es wird nicht die einzige Leiche bleiben, und als Jet-Setter Niki Kirchbichler in der Saune der Luxusherberge "Voglwirt" das Zeitliche segnet, sind wieder Kriminalrat a.D. Josef (Joe) Ottakring, seine Spürnase, seine junge Kollegin Chili Toledo und die Ermittlerin Eva M. gefragt, zumal der Verblichene ein alter Schulfreund Ottakrings war. Ottakring läßt sich als "vorläufige" Vertretung für den verunglückten Leiter des K 1 reaktivieren. Ein Glücksfall für die Kripo, von Joes Freundin Lola ergeben hingenommen. 
Loy hat Story, Personal und Sprache ebenso wie im Vorgänger "Rosen für eine Leiche" griffig, mit viel Humor und Tempo angelegt.
Hannsdieter Loy: „Rosenschmerz“, © 2008 Emons Verlag, 222 Seiten, Broschur, 9,90 € 


Platzvorteil

Ländlich ist auch die Umgebung des ersten Kriminalfalles, den der Polizeichef von Saint-Denis,
Benoît Courrèges, kurz "Bruno" genannt, klären muß. Polizeichef heißt, daß er der einzige Polizist des kleinen französischen Städtchens im Périgord ist, in dem er arbeitet, mit Hund Gigi friedlich lebt, kocht und gelegentlich liebt. Der grauenhafte Mord an einem alten Araber, der eine düstere Wolke über der – abgesehen von ein paar Rowdys – friedlichen Gegend aufzieht, ruft wegen seiner scheinbar rassistischen Hintergründe auch die Staatspolizei auf den Plan. Chefinspektor Jean-Jacques Jalipeau und seine attraktive Assistentin Isabelle Perrault sollen den Fall übernehmen. Doch Bruno läßt sich nicht aus den Ermittlungen drängen – und er hat nicht nur als Rugby-Coach Platzvorteil. Neben den Ermittlungen, die in der politischen Vergangenheit die Spur aufnehmen, wird in diesem locker geschriebenen Roman auch gut gegessen.
Martin Walker: „Bruno, Chef de Police“, © 2009 Diogenes Verlag, 339 Seiten, Ln. mit Schutzumschlag, 19,90 €
 
 
Trimmels letzter Fall
 
Jeder „Tatort“-Fan kennt den legendären ersten Film der seit 1970 von der ARD produzierten und
ungebrochen erfolgreichen Kriminalfilm-Reihe: „Taxi nach Leipzig“. In diesem Film des NDR trat erstmals Walter Richter als der sture und unbeirrbar ermittelnde Kommissar Paul Trimmel auf (ab Folge 4 als Hauptkommissar) – und wurde zum ersten Star der Serie. Die Romanvorlage stammte ebenso wie die der folgenden zehn Trimmel-Filme von Friedhelm Werremeier, der auch die Drehbücher schrieb. Seit 1982 hatte Werremeier (79) keinen Trimmel-Krimi mehr geschrieben, jetzt hat er seinen berühmten Serienhelden mit Alterserscheinungen und einem letzten, dramatischen Fall, der ihn mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert, noch einmal auf den Plan gerufen. Trotz etwas kompliziertem Aufbau ein spannender Roman und Pflicht für Leser, die Trimmels Fälle schon vor einem Vierteljahrhundert verfolgt haben.
Friedhelm Werremeier: „Trimmels letzter Fall“, © 2009 Pendragon Verlag, 227 Seiten, Broschur, 9,90 €
 
 
Koks und Leichen
 
Die Vergangenheit scheint in dieser Krimi-Saison einen besonderen Reiz auf die Autoren auszuüben.
Auch Alfred Bekker läßt in seinem aktuellen Niederrhein-Krimi „Tuch und Tod“ das Vergangene eine wichtige Rolle spielen. Robert Berringer, ein Ex-Polizist und jetzt Privatermittler in Düsseldorf-Bilk (einmal Bulle, immer Bulle),   
 bekommt von dem Krefelder Textilunternehmer Peter Gerath den Auftrag herauszufinden, wer hinter den Anschlägen steckt, die in der Seidenweberstadt auf sein Leben verübt werden. Mit Hilfe von Vanessa, der guten Seele seines Büros und der Unterstützung von KHM Björn Dietrich, einem alten Freund und Kollegen bei der Kripo Krefeld, rollt der von Alpträumen der Vergangenheit gequälte Detektiv einen Fall von weitreichender Dimension auf. Widerstände kommen da nicht nur von der Polizei, die sich nicht ins Handwerk pfuschen lassen will. Alfred Bekkers Roman ist beste Krimi-Kost mit hohem Unterhaltungswert, griffigen Figuren, gut konstruiertem Plot, flott zu lesen und vorbehaltlos zu empfehlen. Ein Regional-Krimi-Start, der hoffentlich Folgen haben wird.
Alfred Bekker: „Tuch und Tod“, © 2009 Droste Verlag, 237 Seiten, Broschur, 9,95 €
 
 
Sport ist Mord
 
Na ja, so wörtlich sollte man diesen Kalauer nicht nehmen, aber in Renée Pleyters pfiffigem
Kriminalroman „Tödlicher Hermannslauf“ spielt der Sport, eben dieser jährlich über 31,1 km Länge ausgetragene Wettlauf vom Hermannsdenkmal bis zur Sparrenburg eine nicht mal unwichtige Rolle. Denn wie jedes Jahr nehmen zwei Männer, die nicht nur sportliche Konkurrenten sind, an diesem Lauf teil: Felix Mehlbaum und Stefan Weidinger. Sie wetteifern nämlich auch seit Jahren bei ihren Forschungen nach dem wirklichen Ort der „Schlacht im Teutoburger Wald“, bei der Hermann der Cherusker mit den vereinten Germanenstämmen die Legionen des römischen Feldherrn Varus vernichtend schlug. Kurz vor dem Start des Rennens findet Mehlbaum am Fuß des Hermannsdenkmals etwas, das zu beweisen scheint, daß hier die 19. Legion des Varus fiel. Weidinger versucht, ihm den Fund abzujagen, zumindest an der Sensation teilzuhaben. Am Ende des Rennens ist Weidinger tot. War es Mord? War es Mehlbaum? Welche Rolle spielt die wenig trauernde Witwe Weidinger? Eine harte Nuß für Kommissar Wilke und beste Unterhaltung für die Leser.
Renée Pleyter: „Tödlicher Hermannslauf“, © 2009 Pendragon Verlag, 232 Seiten, Broschur, 9,90 €
 
Krimijahrbuch im neuen Verlag
 
Das bisher beim Wuppertaler NordPark Verlag von Alfred Miersch in drei Folgen erschienene „Krimijahrbuch“ – ein Rückblick auf das vergangene Jahr - mit Rezensionen, Interviews, Streiflichtern und Berichten, mit Recherchen, Sekundärliteratur, Filmnachrichten und Nachrufen zu nationalen und internationalen Themenschwerpunkten und ihren Autoren in Sachen Krimi hat eine neue Verlagsheimat gefunden. Die Herausgeber Christina Bacher, Ulrich Noller und Dieter Paul Rudolph werden jetzt vom Bielefelder Pendragon Verlag des rührigen Günther Butkus betreut. Das ist übrigens der Verlag, von dem wir kürzlich berichteten, als übermütige Verantwortliche des Sportvereins TSVE 1890 Bielefeld e. V. vor Gericht zogen, um den Roman-Titel „Tödlicher Hermannslauf“ (Besprechung etwas weiter oben) verbieten zu lassen. Da sind wir Ihnen übrigens noch den Ausgang des Verfahrens schuldig: die Klage wurde am Morgen der Verhandlung kleinmütig zurückgezogen. Zu groß war schon das Medienecho und zu übermächtig Spott und Schelte, mit
denen die Provinz-Vereinsmeier ob ihrer lächerlichen Attacke übergossen worden waren.
Die Krimi-Jahrbücher 2007 und 2008, die in keiner wohlsortierten Krimi-Bibliothek fehlen sollten, sind noch beim NordPark Verlag zu bekommen, das soeben auf den Markt gekommene Krimijahrbuch 2009 beim Pendragon Verlag.
Bacher/Noller/Rudolph (Hrsg.): „Krimijahrbuch 2009“, © 2009 Pendragon Verlag, 359 Seiten, Broschur, 12,95 €
www.nordpark-verlag.de


Redaktion: Frank Becker