Jan Weiler im Rex-Theater Wuppertal
Mit „Drachensaat“ und anderen Texten
Jan Weiler las wieder. Am Montag, dem 09.03.2009, im Rex-Theater Wuppertal. Auch hier konnte er den großen Saal fast füllen, mit mindestens 70 % Frauen. Die paar Männer wurden wahrscheinlich mitgeschleift, merkte er süffisant an. Man könnte auch anmerken: Frauen lesen mehr als Männer, haben den feineren Humor oder finden den Mann Jan Weiler als Typ einfach unwiderstehlich nett. Letzteres ist auf jeden Fall zu bestätigen. Humorvoll begrüßte er die Wuppertaler Zuhörerinnen und zeigte sich kommunalpolitisch informiert. Dem Streit um einen möglichen Horst Tappert-Platz konnte er eine persönliche Anekdote anfügen. Er habe ihn einmal interviewt, zu Zeiten als Tappert noch Derrick war. Für das anschließende Fotoshooting wollte Tappert sich partout mit seiner „Dienstwaffe“ im Anschlag ablichten lassen und auch abdrücken. Leider vergaß er, daß sie mit Tränengas geladen war. Die Herren Journalisten fanden das nicht komisch.
Komisch dagegen ist Jan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren. Sein feiner, ironischer Humor ist ansteckend. Bücher schreibt er seit 2003. Davor war er zuletzt Chefredakteur beim Süddeutsche Zeitung Magazin.
„Maria, ihm schmeckt´s nicht“, so der Titel eines halbbiographischen Romans, der zu einem Bestseller wurde, wird übrigens derzeit mit Christian Uhlen als Jan Weiler verfilmt. Es folgten der Roman „Antonio im Wunderland“, ein Reisetagebuch und jetzt (August 2008 © Kindler Verlag) „Drachensaat“.
Weiler erläutert einführend, daß es neben der Ober-, Mittel- und Unterschicht inzwischen auch die Schicht der Exkludierten gibt, mithin diejenigen, die aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Sie verstehen die Welt einfach nicht mehr, sind unfähig Kontakt zum Mitmenschen aufzunehmen. Um fünf dieser armen Geschöpfe geht es in „Drachensaat“. Da ist zum Beispiel der Ex-Architekt Bernard Schade, der in dem Roman als Erzähler fungiert. Er ist des Lebens überdrüssig und beschließt, sich während der Wagner Aufführung „Götterdämmerung“ in Bayreuth zu erschießen. Er landet in der Klapse. Genauso wie Ünal, Fahrer eines städtischen Linienbusses. Ihn nerven seine Fahrgäste so sehr, daß er einfach mal ohne anzuhalten bis Gotha durchfährt. Dann ist der Tank leer.
Bis dahin las Jan Weiler Ausschnitte, sprach zwischendurch frei und gab jedem seiner Protagonisten eine eigene Stimme und Dialekt. Kein Wunder, daß sein Hörbuch so erfolgreich ist. Wie die Geschichte weiter geht, wollte er nicht verraten.
Dafür gab er weitere Kostproben seines Könnens zum Besten. Unter dem Slogan „Mein Leben als Mensch“ veröffentlicht er eine wöchentliche Kolumne im „Stern“. Hinreißend köstlich schilderte er einen Besuch Peter Zwegats aus der RTL-Serie bei einer hoch verschuldeten Familie. Bei ihm werde Zwegat wohl demnächst auch auftauchen, mutmaßte Weiler. Seine Kinder haben Wünsche, die mit dem Familienetat nicht vereinbar sind. Sein 6-jähriger Sohn braucht dringend den neuen Nintendo. Stattdessen bietet Weiler ihm ein Küßchen an, worauf der Filius anmerkt: „Ein Küßchen ist ein Küßchen und kein elektronisches Gerät.“ Die anwesenden Mütter wußten, wovon er sprach und lachten verständnisvoll.
Auch Weilers Schwiegervater Antonio war ihm wieder einige neue Geschichten wert. Zum Beispiel die mit dem geschenkten Navi, in dessen italienischer Frauenstimme sich Antonio verliebte und deshalb ständig mit dem Auto unterwegs war. Zu besorgen hatte er eigentlich nichts, doch die Stimme war zu verführerisch. Das geht solange gut, bis Maria, Antonios Ehefrau, den Navi ausbaut, an Weiler zurückschickt, um dafür etwas Sinnvolleres zu erhalten.
Jan Weilers Vortrag, immerhin fast zwei Stunden lang, war ein Ohrenschmaus. Er hat eine andere Stimmlage als Harry Rowohlt und trinkt Wasser statt Whiskey, steht aber dessen Entertainerqualitäten in nichts nach. Wer Jan Weiler auch einmal live erleben will, hat noch bis zum 15.12.2009 Gelegenheit dazu. Seine Lesereise führt ihn durch weitere Städte, auch in der Nähe. Sein Tourenplan ist im Internet einzusehen (z.B. in www.tomprodukt.de )
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