Oper opulent

La Traviata in einer Aufführung der Scala auf DVD

von Peter Bilsing
La Traviata – Opulentes Opernmahl aus der Scala
 
Gehören Sie zu denjenigen, die langsam die Nase voll haben von modernen Opernexperimenten junger Regisseure, die uns unsere schönen alten Opern derart verhunzen, daß man sie nicht wiedererkennt? Lieben Sie Schönklang und tolle Stimmen? Mögen Sie Verdi? Würden Sie am liebsten jeden Abend irgendwo in einem der großen Opernhäuser dieser Welt – sei es die New Yorker Met, die Scala oder die Wiener Staatsoper z.B. – vorne auf den teuersten Plätzen sitzen, haben aber kein Geld für Ihren privaten Lear-Jet, weil Sie kein Bankmanager sind? Dann, ja dann, sollte diese Scheibe aus der ARTHAUS-Videothek ihren uneingeschränkten Zuspruch finden.
 
Die DVD ist ein opulentes Opernmahl, für Opernfreunde geradezu ein Ereignis. Nicht nur, daß Sie quasi in der ersten Reihe sitzen; nein, es geht noch näher. Aufgrund einer perfekten Bildregie (Paola Longobardo) haben sie die Köpfe unserer Stars im Portraitformat oft hautnah und porentief, quasi zum Greifen nahe, auf ihrem TV. So haben Sie die schöne Angela Gheorghiu noch nie gesehen, selbst nicht in der Oper aus der ersten Reihe mit Feldstecher – der Zuschauer ist praktisch kuß-nah dran. Und was für eine Bildqualität bietet diese Scheibe, die es auch in Blue-Ray (d.h. hochauflösender Bildquailität / 1920 x 1080) gibt. Ist die normale DVD mit einem Speicherplatz von 4,7 Gigabite schon sehr scharf, gerät der Fan bei der Blue-Ray-Version (die ja eine Speicherkapazität von über 25 Gigabite hat) geradezu in himmlische Gefilde. Man könnte fast sagen: Schärfer als die Realität - entsprechendes Equipment vorausgesetzt.
 
Das Bild ist im perfekten 16:9 Format und beim DTS Ton werden Sie zuerst ihren Ohren kaum glauben. Ich zitiere da immer wieder gerne den genialen Werbespruch „da werden Ihre Ohren Augen machen!“. Die räumliche Klangabbildung ist frappierend. Die Bühnenmusik spielt wirklich hinter ihrem TV-Gerät und beim gigantischen Schlußbeifall möchte man geradezu in der Euphorie des Abendpublikums mit ertrinken und versinken. Famos!
 
Das Orchester klingt nicht nur unglaublich transparent, sondern erblüht in einem diamantenen Streicherglanz und goldenem Blech, wie wir es seit Karajan nicht mehr gehört haben. Der Fachmann weiß natürlich, daß die Scala-Musiker wie ihre Wiener Kollegen (und anderswo auch!) den genialen Trick anwenden, beim Kammerton a zu mogeln also die ursprünglichen 440 Herz nicht so genau zu nehmen; will sagen in der Grundstimmung des Orchesters liegen sie deutlich darüber. Ich schätze mal 445 Herz. Verraten Sie es aber bitte nicht Herrn Harnoncourt!
 
Eine Opern-DVD, die einfach nur erfreut. Die Regie (Liliana Cavani) hat brav arrangiert und verläßt sich ganz auf die musiktheatralischen Fähigkeiten beider Hauptakteure. Und Weltstars wie Ramon Vargas enttäuschen dabei so wenig wie die kongeniale Angela Gheorghiu, die sowohl darstellerisch, als auch stimmlich kaum von einer Anna Netrebko zu übertreffen ist. Einzig Roberto Frontali (Giorgio Germont) erscheint eher als ein Sänger der alten Schule des regieresistenten Rampengesangs. Bravouröser Einsatz und hohe Schauspielqualität, trotz des hohen Durchschnittsalters, auch beim 5-Sterne-Chor der Scala – was hat sich da in den letzten Jahren getan. Der Begriff „Musiktheater“ ist endlich kein Fremdwort mehr!
 
Die üppige Operndekoration stammt nicht von Zefirelli, sondern von Dante Ferretti, welcher die Cinemascope-Perspektive des Anfangs später sehr clever ins finale Kammermilieu von Violettas Schlafzimmer reduziert. Hier kann die geschickt eingesetzte Video-Kamera für die Bildplatte natürlich perspektivisch wahre Wunder vollbringen. Das bebilderte Vorspiel zum letzten Akt gestaltet einen szenischen Rückblick, der so traumverloren nochmal die Vergangenheit rezitiert, wie Harald Reinl vor 40 Jahren in seinem Karl-May-Schmachtfetzen „Winnetou 3“. Es klingt etwas kitschig, aber es sieht wirklich wunderbar kitschig aus; während der Tod sich schon im Orchester spiegelt, rollen bei diesen sentimentalen Erinnerungen die ersten Tränen des ergriffenen Zuschauers. Das ist perfekte Video-Aufbereitung im Sinne von Werktreue und Notenkenntnis. Die Bildregie ist exemplarisch gelungen.
 
Holen Sie sich die Scala in ihr Wohnzimmer. Das ist Oper zum Schmachten. Die DVD für ihren nächsten großen Opernabend im Kreis Ihrer Opernfreunde. Ein discophiler Schadenersatz für manch im Ungemach durchlittene Live-Opernabende. Oper vom allerbesten! Schöner geht nicht. Sie werden am Ende vor ihrem Flachbildgerät aufspringen und lauthals mit den Mailänder Opernbesuchern „Bravo!“ schreien. Versprochen!
Beispielbild

Giuseppe Verdi - La Traviata
Libretto: Francesco Maria Piave

Aufnahme aus der Scala
di Milano, 2007
 
Regie: Liliana Cavani
Besetzung:
Violetta Valéry: Angela Gheorghiu  -  Alfredo Germont: Ramon Vargas  -  Giorgio Germont: Roberto Frontali
Musik: Orchestra, Chorus and Ballet of the Teatro alla Scala - Conductor: Lorin Maazel

Sprache: Italienisch (Dolby Digital 5.1), Italienisch (DTS 5.1), Italienisch (Stereo)
Untertitel: Italienisch, Japanisch, Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch
Bildseitenformat: 16:9
Anzahl Disks: 1
FSK: Ohne Altersbeschränkung

Studio: Naxos Deutschland GmbH
DVD-Erscheinungstermin: 19. September 2008
Produktionsjahr: 2008

Spieldauer: 134 Minuten

Weitere Informationen unter: