Die Verlagsgruppe Lübbe zieht um

Ein kurzer Rückblick

von Frank Becker und Andreas Rehnolt
Verlagsgruppe Lübbe zieht von
Bergisch Gladbach nach Köln
 

In Unmengen habe ich sie als Junge ver­schlungen - nachdem meine Oma sie aus­gelesen hatte: Die

 
©  Bastei Lübbe
G-man Jerry Cotton-Ro­manhefte aus dem Bastei Verlag mit dem Signet der schwarzweißen Zinne. Spannend, handlich, erschwinglich waren sie. Dazu les­bar - auch unter der Schulbank - und von etlichen Autoren geschrieben, wie ich Jahre später durch einen Schulfreund, der bei "Bastei" seine Lehre als Verlagskaufmann machte, erfuhr. Die erfolgreichs­te Krimi-Serie der Welt hatte viele Väter und Mütter. Heinz Wer­ner Höber, Wolfgang E. Hohl­bein, Hasso Plötze, Irene Rodri­an und Willi Voss gehören dazu, heute durchaus große Namen der Kri­mi-Welt. Mitte der 1950er Jahre fing es an, und bis heute sind die Romane, jetzt schon in -zigster Auflage am Kiosk, ein Renner mit einer geschätzten Milliarde bisher verkaufter Exemplare. Es gab 8 Spielfilme mit George Nader als Jerry Cotton, Heinz Weiss als Phil Decker und Richard Münch als Mr. High, und zu den Bergen von Heften eine Taschenbuchreihe mit "Rotes Licht für einen Teufel" als Nr. 1 und mit mittlerweile weit über 500 Bänden.

Gustav Lübbe hatte mit sicherem Gespür für den Bedarf der Leser er­kannt, was die Leute in der Zeit des Wiederaufbaus brauchten: Ablenkung, Optimismus, Illusionen zum Träumen, heile Welt und Spannung. Jerry Cotton, Wildwest- Romane (Lassiter und G.F. Unger) und Agenten-Serien, Silvia- und Lore- Romane sowie Rätselhefte gehörten dazu. Die "Büdchen" und Kioske hatten diesen Stoff, aus dem die Träume sind. Für ein paar Groschen konnte man sie nach Hause tragen und die Wunschreise antreten. Comics wie Wastl, Topix, Bonanza, Marco Polo, Silberpfeil, Phantom, Biene Maja und Felix, die zeitweise einen nicht unerheblichen Teil des Verlagsprogramms ausmachten sind zwischenzeitlich eingestellt worden.

Wie alles anfing


©  Bastei Lübbe
1949 hatte der aus Engter bei Osnabrück stammende Schrift­setzer Lübbe, der nach dem Krieg Feuilletonredakteur bei der "Neuen Tagespost" in Osnabrück ge­worden war, den kleinen Kölner "Bas­tei"- Verlag gekauft, in dem er seine Er­sparnisse sicher anzulegen glaubte. Als 1953 der Verlag in gefährliches Fahr­wasser geriet, kündigte Lübbe seine Redakteursstelle, übernahm das Ruder selbst und zog ein neues Konzept auf. Der Heft-Roman, früher als "Dienstmädchen-Lektüre" verschrien, bekam frische Konturen und viele Facetten. Schnell setzte sich das Angebot an Heimat-, Arzt-, Adels-, Familien- und Kriminalromanen durch, Lübbe mußte erweitern, hatte bald 19 Mit­arbeiter. Das Verlagshaus nahe der Kölner "Bastei" platzte aus allen Nähten, ein neues Domizil wurde gesucht - und 1956 in Bergisch Gladbach gefunden.

Eine andere große Leidenschaft der Deut­schen, das Rätselraten, öffnete einem weite­ren Verlagssegment die Türen. Die Bastei­ Rätselhefte lagen wie die Romanhefte in ver­schiedenen Ausgaben wöchentlich neu vor, Ende der 1950er Jahre ebenso wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Der Bastei Verlag ist heute Europas größter Anbieter von Rätsel­heften.

1963 erschien das erste Taschenbuch als Beginn einer neuen Ära, der oben erwähnte Jerry Cotton


©  Bastei Lübbe
Krimi in der Reihe Bastei Kri­minalromane. Monatlich einen Krimi für 2,20 Mark (1,12 Euro) gab es. Aber noch war der Sortiments-Buchhandel für die Produkte der Bastei verschlossen, man bekam sie nur am Kiosk oder - damals noch eine etwas "anrü­chige" Adresse - im Bahnhofsbuchhandel.

Doch auch das gehörte bald der Vergan­genheit an. Gustav Lübbe gründete für den Weg in die literarische und wissenschaftliche Verlagslandschaft den Gustav Lübbe Verlag, der sich in seinen ersten Bänden mit Lübbes­ Hobby, der Archäologie beschäftigte und das Gebiet der  Literatur betrat. Nach seinem Tod wurde der Münchner Ehrenwirth Verlag hinzuerworben, der dann diesen „seriösen“ Bereich mit abdeckte. Als Taschenbuch und gebundene Bücher waren bald historische Romane, Thril­ler, Biografien und Autobiografien zu haben, dazu Bildbände, geschichtliche und kulturge­schichtliche Abhandlungen. Belletristik bil­det den Schwerpunkt des Programms. Jähr­lich erscheinen heute rund 500 neue Bastei Lübbe Taschenbücher. Insgesamt sind weit über 3.500 Titel lieferbar. Anspruchsvolle Literatur in ge­bundener Form findet sich etwa mit Belinda Rodiks "Trimalchios Fest" oder mit "Der stil­le Herr Genardy" von Petra Hammesfahr im Gustav Lübbe Verlag, in dem auch die Erinnerungen des Journalisten Wolf von Lojewski "Live dabei" und Esther Vilars, "Die sieben Feuer der Ma­demoiselle", erschienen sind. Die "edition Lübbe" widmet sich seit 4 Jahren der "Kunst des Erzählens", vor allem aus den romanischen Ländern. Ein mittlerweile nicht mehr weg­zudenkender Teil der Lesekultur sind die Ro­mane des Sizilianers Andrea Camilleri, der die Figur des Commissario Salvo Montalbano ge­schaffen hat. Die Taschenbuch- Rei­he BLT ergänzt dieses Programm mit Erfolgstiteln und Originalaus­gaben.

Neue Medien

 
©  Bastei Lübbe
Weil Lübbe mit der Zeit geht, werden auch die neuen Medi­en nicht aus den Augen gelassen. In einem umfangreichen CD- Pro­gramm der Reihe "Lübbe Audio" begleitet der Verlag seit über zehn Jahren mit Sprechern die Literaturausgaben. So liest Klaus Maria Brandauer "Mozart", Iris Berben "Der stille Herr Genardy" oder Bernhard Bettermann "So weit die Füße tragen". Einige  Camilleri-Hörspiele des SWR sind ebenfalls zu haben. Zahlreiche Bestseller, wie "Illuminati" von Dan Brown oder "Die Säulen der Erde" von Ken Follett wurden bereits mit Gold und Platin ausgezeichnet. Die Produktion "Brandauer liest Mozart" erhielt 2006 den Corine-Preis, 2008 freute sich Lübbe Audio über den Deutschen Hörbuchpreis für das Hörbuch "Paint it Black" von Janet Fitch.  

Den Blick nicht nur nach vorn, sondern auch aufmerksam nach der Seite gerichtet, erkannte Lübbe 1971 einen anderen Bedarf und gründete eine Frauenzeitschrift, die ein Klassiker wurde: "Das Goldene Blatt", seit gut 30 Jahren Marktführer der Regenbogenpresse im Zeitschriftenhandel mit Geschichten, Schick­salen und Klatsch aus Adel und Gesellschaft für 2,50 Mark (1,28 Euro) erhältlich.Der Stein, den Gustav Lübbe angestoßen hatte, rollte auch nach seinem Tod 1995 wei­ter. Seine Nachfolger machten aus dem bis heute unabhängigen Verlag, der vom Ein-­Mann-Unternehmen zum Konzern mit 470 Mitarbeitern gewachsen ist, eines der popu­lärsten Verlagshäuser Deutschlands.

Heftchen mit Happy End

Neben dem ständig wachsenden Literaturprogramm versorgt der Verlag nach wie vor seine treue Heftchen-Leserschaft mit Lektüre. Die wöchentliche Auflage der Ro­mane beträgt 1.250.000

 
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Exemplare. Die Ärzte Andrea Bergen, Bergdoktor Burger, Chefarzt Dr. Cornelius, Dr. Stefan Frank und Land­arzt Dr. Fabian machen Quote und werden zum Teil in Serien fürs Fernsehen verfilmt. Fürsten-Romane erfreuen sich ungebroche­ner Beliebtheit, Berg- und Heimatroman­serien wie "Alpenrose" und "Bergkristall" ha­ben ihre Fans, die Woche für Woche dem neuen Heft entgegen fiebern, und Silvia- und Lore-Romane haben die Zeit bis auf den heu­tigen Tag unbeschadet überdauert. Allein von den Liebesromanen der Silvia-Serien haben seit 1953 über 430 Millionen Hefte ihre Le­ser gefunden. Gesellschaft haben sie durch "Mutterliebe", "Kurklinik Rosenau" und zwei li­terarische Wiederentdeckungen: Hedwig Courths-Mahler und ihre Tochter Friede Birkner. Sie sprengen mit ihren Liebes- und Schicksalsromanen nicht nur die „64-Seiten­Regel" bis zum Happy End, sondern die He­rausgeber haben damit auch eine literarische Kultur nachhaltig bewahrt. Beide Frauen ha­ben sich 1933 bis 1945 nicht den Forderungen der Nationalsozialisten, ihre Romane natio­nal zu färben gebeugt und darunter leiden müssen. Das Gesamtwerk von jeweils über 200 Romanen wird bei Bastei als Heftroman und Taschenbuch wieder aufgelegt.

 
©  Bastei Lübbe
Nicht nur für die männlichen Leser sitzt G.F. Unger mit seinen Western neben "Lassiter" und Heftreihen wie "Colorado Western" nach wie vor fest im Sattel. 450 Millionen verkaufte Exemplare seit 1972 spre­chen für sich. John Sinclair jagt seit 1973 gru­selige Geister und Jerry Cotton klärt von sei­nem New Yorker FBI-Büro aus noch immer Kriminalfälle. Ca. 3.000 sind es seit 1953. Jugendzeitschriften rundeten das Angebot u.a. mit den Mädchenmagazinen "Wendy" und "Sally" ab. F.B.

"Als jüngster Bestandteil der Buchprogramme der Verlagsgruppe Lübbe geht im März 2009 das neue Imprint luebbe an den Start: leichte, flexible, mobile Bücher im Paperback-Format, die so zu ständigen Begleitern werden. Das Buch ist mehr als die Summe seiner Teile – es ist im besten Falle auch Ausdruck eines Lebensgefühls, Konzentrat einer Welt, in der sich Leserinnen und Leser gut aufgehoben fühlen. Prägend für diese Welt ist nicht Konformität, sondern Vielfalt. „Jedem seine Welt“ ist das Motto von luebbe, und unter diesem Leitgedanken erscheinen moderne Romane aus allen populären Genres und zeitgemäße, trendsetzende Sachbücher. Bestsellerautoren wie Anne Weiss und Stefan Bonner, Prominente wie Sonya Kraus und neue Autoren wie Brian D’Amato setzen den Rahmen für das erste Programm. Alle Titel werden als Paperback mit Klappen veröffentlicht – die Kombination von hochwertiger Ausstattung und Flexibilität, von Ästhetik und Mobilität. Attraktiv gestaltete Bücher, die in Leserhände gehören und nicht ins Regal." (Verlagstext)

Und nun: wieder Umzug nach Köln

Köln/Bergisch Gladbach
- Die Verlagsgruppe Lübbe hat am vergangenen Freitag

©  Bastei Lübbe
bekanntgegeben, daß sie ihren Unternehmenssitz von Bergisch Gladbach nach Köln verlegt. Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma reagierte in einer ersten Stellungnahme hocherfreut. Die Ansiedlung der Verlagsgruppe Lübbe stärke das Renommee Kölns als Verlags- und Medienstandort, sagte Schramma. Rund 170 Mitarbeiter werden künftig von der Domstadt aus für das Unternehmen arbeiten. Der Verlag könne auch weiter auf die volle Unterstützung des Unternehmensservices der Stadt setzen.
 
Schramma hatte in den letzten Monaten intensive Gespräche mit Verleger Stefan Lübbe geführt, der ihn um Unterstützung beim Umzug des von seinem Vater Gustav gegründeten Unternehmens gebeten hatte. Die Verlagsgruppe ist einer der führenden Publikumsverlage Deutschlands und mit über 170 Mitarbeitern und mehr als 1.500 Autoren - darunter Weltautoren wie Ken Follett, Dan Brown, Andrea Camilleri, Andreas Eschenbach und Rebecca Gablé - der mit Abstand größte Buchverlag in Nordrhein-Westfalen. A.R.

Weitere Informationen unter:
www.luebbe.de