Wann geht der nächste Schwan?

Mozarts Zauberflöte in Wuppertal in einer Inszenierung von Christian von Treskow

von Frank Becker
Wann geht der nächste Schwan?
oder:
Beam me up Scotty...


Der designierte Wuppertaler Schauspielintendant Christian von Treskow liefert eine beinahe ironisierte Zauberflöte


Große Oper in zwei Aufzügen - Musik: Wolfgang Amadeus Mozart - Text: Emanuel Schikaneder
Musikalische Leitung
: Evan Christ  -  Inszenierung: Christian von Treskow  -  Ausstattung: Sandra Linde, Dorien Thomsen  -  Choreinstudierung: Jaume Miranda - Dramaturgie: Karin Bohnert  -  Licht: Sebastian Ahrens  -  Fotos: Michael Hörnschemeyer
Besetzung: Pamina: Dorothea Brandt - Tamino: Dominik Wortig - Königin der Nacht: Elena Fink - Papageno: Thomas Laske - Sarastro: Mischa Schelomianski - Erste Dame: Banu Böke - Zweite Dame: Joslyn Rechter - Dritte Dame: Miriam Scholz - Papagena Anke Endres - Monostatos - Boris Leisenheimer - Sprecher: Olaf Heye - Priester/Geharnischter: Cornel Frey - Geharnischter: Oliver Picker - Knaben: Johannes Leister, Lukas Baumann, Simon Pielhoff
Chor der Wuppertaler Bühnen, Wuppertaler Kurrende, Statisterie
Sinfonieorchester Wuppertal

Premiere am 7.2.2009


Weiße Würgeschlange und wogende Walküren


Weiß ist die wilde Würgeschlange, die den wagemutigen Wanderer Tamino in den wilden Wäldern überfällt, worauf das Weichei gleich in Ohnmacht sinkt. Weiß gewandet sind auch die drei

Langweiler Tamino und drei attraktive Damen - Foto Michael Hörnschemeyer
v.l.:  Böke, Wortig, Scholz, Rechter 
wunderbaren Walküren, die ihn mit ihren Speeren auf der Walstatt erretten. Sie haben es schon gemerkt: hier ist Wagner mit im Spiel. Christian von Treskow, der in der nächsten Spielzeit die Schauspielintendanz in Wuppertal übernimmt, hat "Die Zauberflöte" mit viel Witz, teils burlesker Komik, aber stets getreu Mozarts Vorgabe inszeniert. Und Treskow streicht unübersehbar heraus, daß sowohl der Komponist, als auch sein Librettist Emanuel Schikaneder Freimaurer waren. Das sind schon seitens Mozart Zaunpfahl- Winke gewesen. Treskow setzt noch - ohne zu übertreiben - eins um das andere drauf. Wagner war kein Freimaurer, wiewohl er durchaus mit dem Beitritt zu einer Loge geliebäugelt hat. Sicher nicht deshalb, sondern weil es ein garantierter Lacher ist, läßt Treskow  die drei hülfreichen Damen (Banu Böke, Joslyn Rechter, Miriam Scholz) als köstlich ausstaffierte Walküren auftreten. Ein zauberhaftes Trio dreier hervorragender Stimmen. Den zweiten Wagner oder sollte ich sagen: Slezak - da mußte ich wirklich herzhaft lachen - ließ er von krauchenden Bühnenarbeitern über die Szene schieben - einen Schwan, besetzt mit drei unglaublich schräg singenden Engels-Humunculi. Ein köstlicher Einfall.

Einen Jux will er sich machen

Die drei Stunden dieser Aufführung sind durchweg äußerst unterhaltsam, sei es durch das brillant aufspielende Wuppertaler Sinfonieorchester unter Evan Christ, durch die überwiegend hervorragenden gesanglichen Leistungen oder durch manchen inszenierten Jux - oder auch durch die eine oder andere erheiternde Panne (für die ich natürlich bei späteren Aufführungen nicht garantieren kann). Da hakt die Strickleiter, über die Papageno von Schnürboden auf die Bühne herunterklettert,  beim Hinaufziehen, kriegt man ums Verrecken die einem Wäschetrocknerschlauch nicht unähnliche Schlange einfach nicht nach oben, sodaß die strahlende Königin der Nacht (Elena Fink) immer wieder in deren schwankenden Schatten eingetaucht wird, und während Papageno das Schloß vom Mund genommen wird, kämpft im Hintergrund ein Bühnenarbeiter mit einer Kulisse. Lacher über Lacher. Und als die Königin ihre Tochter mit dem Dolche bedrohen will, muß ihr der erst im Schweinsgalopp wie ein Staffelstab von einem weiteren Bühnenhelfer übergeben werden. Panne? Inszeniert? Egal - saukomisch! Auch das kleine Tierballett und der Schergentanz zu Papagenos Spieluhr sind Monty Python würdige Einlagen.

Sarastro Superstar

Aber es wurde natürlich auch gesungen, schließlich ist es eine Oper unzwar eine herrliche. Da kamen zwei Rollen beinahe

Nie sollst du ihn bekommen! -  Fink, Brandt
Foto Michael Hörnschemeyer
traditionell besonders gut weg, weil auch besonders gut besetzt: Elena Fink als Königin der Nacht und der in letzter Sekunde als Ersatzmann für die Rolle des Sarastro engagierte Mischa Schelomianski. Nicht nur hat sich Elena Fink in den letzten Jahren von einer bemerkenswerten zu einer brillanten Koloratur-Sopranistin entwickelt - sie ist mit Charme begabt und mit Schönheit beschenkt eine Ausnahmeerscheinung ihres Fachs. Ihre Auftrittsarie der Königin war der erste Höhepunkt der Inszenierung, das Kostüm (Linde/Thomsen) ein Traum, die Showtreppe ein Alptraum. Die mit Spannung erwartete Koloraturarie ging ihr erstklassig von den Stimmbändern. Ihr Gegenspieler Sarastro, scheinbarer Finsterling, wurde von
Mischa Schelomianski nicht zum ersten Mal verkörpert: in Köln sang er die Rolle in der vorigen Spielzeit. In Wuppertal gab er den Sarastro beeindruckend, seine Arie "In diesen heil´gen Hallen" gelang ihm zum Weinen schön - ein Sänger mit Charisma, der beim Schlußapplaus wie auch Elena Fink zu Recht mit herzlichen Bravi bedacht wurde.


Bunter Vogelfänger und blasser Othello-Verschnitt


Einen weiteren Vogel (verzeihen sie die beinahe platte Pointe) schoß Thomas Laske als Papageno ab. Sympathisch, witzig, selbstironisch heimste der fröhliche Bariton auch als Darsteller Sympathien ein, merkbar bei einer weiblichen Fangemeinde. Verständlich, denn er ist ein fescher Kerl. Mozart läßt durch Papageno der Geschichte den Ernst nehmen. Laske setzt das trefflich um. Seine Happy-End-Papagena ist Anke Endres, die aus der kleinen Rolle das denkbar Beste macht. Nicht das Beste gelingt Dominik Wortig, der als Tamino sowohl darstellerisch als auch gesanglich wenig aufzubieten hat. Ordentlich wäre die angemessene Formulierung. Mehr als ordentlich hingegen zeigt sich Dorothea Brandt als Pamina - ein entwicklungsfähiger Sopran am Anfang einer Karriere.
Boris Leisenheimer blieb als Othello-Verschnitt Monostatos (verzeihen Sie abermals die Plattitüde) blaß. Großes Lob muß den Chören unter Jaume Miranda gelten, die - wie schon so oft in Wuppertal - einen Gutteil zum Gelingen beitrugen.

Hingehen lohnt!

Zwei weitere Beiträge zum gefeierten Erfolg waren das unaufwendige, doch äußerst wirkungsvolle

Sarastro (Schelomianski) - Pamina (Brandt) - Foto Michael Hörnschemeyer
Bühnenbild und die auch in Schlichtheit (Priesterchor) prächtigen Kostüme (Linde/Thomsen), wobei ich ausdrücklich die von Pamina und Tamino ausnehmen möchte: sie im einfallslosen Nachthemd und er in einem Gewand, das ihn plump und unelegant erscheinen läßt. Sie wissen schon: aufgepolstert nach dem Motto "quergestreift macht dick". Das unterstrich noch die vorhandene Blässe. Doch wenn sie am Schluß in einem Transporterstrahl durch alle Feuer gehen und mit allen Wassern gewaschen werden als beame Scotty sie rauf, geht die Sache in Ordnung: denn schließlich kriegen sie sich alle: Tamino die Pamina, Papageno die Papagena, Sarastro die Königin der Nacht (zumindest bildlich) und die Oper uns. Wer für die eigentlich ausverkauften folgenden Vorstellungen noch Karten bekommen kann (bei der Premiere blieben wenigstens vierzig Sitze frei), sei glücklich. Es ist ein unbedingt lohnender Abend.


Weitere Informationen unter: www.wuppertaler.buehnen.de