Die Tat folgt dem Wort
Politische Gewalt in den Vereinigten Staaten
Von Lothar Leuschen
Die aufgeheizte Stimmung der vergangenen Tage in den Vereinigten Staaten hat erste Todesopfer gefordert. Zumindest liegt der Verdacht nahe, daß der tödliche Anschlag auf die demokratische Politikerin Melissa Hortman und deren Ehemann eine Folge der aggressiven Stimmung ist. Und für die ist in allererster Linie Donald Trump verantwortlich. Hortman hat sich zuletzt einen Namen damit gemacht, daß sie für das Recht auf Abtreibung kämpfte. Offenbar zog sie sich damit den Haß ihres Mörders zu. Der steht nach bisherigen Erkenntnissen in Kontakt zu radikalen Abtreibungsgegnern und hat seinem Unmut nun anscheinend auf brutalste Weise Ausdruck verliehen. Seine weiteren, schwer verletzten Opfer sind ein demokratischer Politiker und dessen Frau. Die Attentate erinnern an den Mordanschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Der CDU-Politiker ist 2019 auf seiner Terrasse von einem Rechtsextremisten erschossen worden. Lübcke wurde zuvor für seine offene Haltung gegenüber Flüchtlingen in den sozialen Medien häufig beschimpft und verbal angegriffen. Die Fälle in den USA und in Deutschland sind politisch motiviert. Hier wie dort ging es darum, Andersdenkende im wahrsten Sinne mundtot zu machen.
Auch die Vorgeschichte ähnelt sich. In den USA ist das gesellschaftliche Klima vergiftet, seit Trump erstmals ins Weiße Haus einzog. Seine verbalen Attacken auf Justiz und demokratische Institutionen gipfelten am 6. Januar 2021 in der Erstürmung des Kapitols. Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit brodelt es in den USA. Der brutale Überfall auf die demokratischen Politiker ist deshalb nicht sehr überraschend. Das gilt in Deutschland auch für die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten steigt dramatisch. Und wie in den USA wirken gewählte Politiker als Katalysatoren. Wer die Grenzen des Sag- und Denkbaren immer weiter verschiebt, wer die Institutionen des Staates durch sein Verhalten und sein Reden permanent diskreditiert, der ist mitverantwortlich dafür, daß die Hemmschwelle zur politischen Straftat sinkt. Denn die Tat folgt dem Wort. In den USA, in Deutschland, überall auf der Welt.
Der Kommentar erschien am 17. JUni in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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